“Ein Sommertheater” – mit Herrn Prof. Meuthen, Brüssel und Herrn Kalbitz, Potsdam

Der Vorsitzende der AFD-Fraktion im Landtag von Brandenburg Herr Kalbitz hat vom Bundesschiedsgericht seiner Partei am letzten Sonnabend eine Mitteilung erhalten. Es bleibt bei seiner vom Bundesvorstand der AfD mehrheitlich beschlossenen Annullierung der Parteimitgliedschaft. Herrn Kalbitz stört das nicht sonderlich. Er wird den Vorsitz seiner Fraktion nicht niederlegen.

Das Vorgehen der Kämpfer Prof. Meuthen einerseits und Herr Kalbitz andererseits verwirrt. Die Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin hatte durch Entscheidung vom 19.6.20 mit unmissverständlicher Eindeutigkeit unter Hinweis auf § 10 Parteien G erklärt, dass nur ein Parteischiedsgericht und keinesfalls der Bundesvorstand der AfD in eine bestehende Parteimitgliedschaft des Herrn Kalbitz eingreifen kann. Und es spricht nichts dafür, dass das Landgericht seine Rechtsansicht in einem weiteren Hauptverfahren ändern wird. Es ist also derzeit völlig piepe, ob Herr Kalbitz eine Mitgliedschaft in einer rechtsextremistischen Organisation bei seinem Beitritt verschwiegen und sich so die Mitgliedschaft in der AfD erschlichen hat. Oder ob er im Sinne von § 10 Abs. 4 Part G der AfD durch erhebliche Verstöße einen schweren Schaden zugefügt hat. Dazu werden wir nichts erfahren, sollen es wohl angesichts einer sehr merkwürdigen Quellenlage auch gar nicht.

Das Management der Herren Meuthen und Kalbitz begrenzt die Auseinandersetzung auf Zuständigkeitsfragen. Fällt die Zuständigkeit des Bundesvorstandes, fällt die Annullierung der Mitgliedschaft des Herrn Kalbitz in der AfD.

Nochmal. Der Bundesvorstand der AfD war nicht berechtigt, die Mitgliedschaft von Herrn Kalbitz zu annullieren, das durfte nur ein Schiedsgericht der AfD.

Herr Prof. Meuthen hätte sich also für seinen Bundesvorstand an das Landesschiedsgericht der AfD in Brandenburg wenden müssen, wenn er wirklich ernsthaft gegen Herrn Kalbitz hätte vorgehen wollen. Das wissen natürlich alle Beteiligten. In der AfD wimmelt es geradezu von Juristen, die sich vor ihrer politischen Karriere ihr Brot als Justitiare, Staatsanwälte und Rechtsanwälte verdient haben. Es erstaunt mich nicht, mit welcher Ruhe und anscheinender Souveränität sich beide Seiten im Laufe der Verfahren äußern und verhalten, ein interessantes Sommertheater mitten hinein in die nach künstlerischen Ereignissen dürstende Zeit der Corona gestalten.

Ich behaupte, dass Herr Prof. Meuthen und Herr Kalbitz eine sogenannte Winwin-Strategie verfolgen. Der Professor will im Hinblick auf die Wahlen 2021 durch eine energische Haltung gegen Extreme – rechts Bündnispartner gewinnen. Wenn das Landgericht Berlin oder gar in letzter Instanz das Bundesverfassungsgericht den Bestrebungen für die Reinheit der Partei vom Rechtsextremismus ein juristisches und somit schwer verständliches Nein entgegensetzen, kann sich Herr Prof. Meuthen die Hände in Unschuld waschen – Win. Und Herr Kalbitz wird mit seiner Unerschütterlichkeit und bayerischen Konzilianz nicht nur gerne den Beifall seines Anhangs entgegennehmen. Der Familienvater erhält vielleicht sogar seine (politische) Unschuld zurück – Win-win. Dagegen erscheint die Gefahr einer Spaltung der Partei, weil einige die Sache ernst nehmen könnten, beherrschbar.

Haben die beiden Herren das wirklich so genau durchdekliniert? Ich traue es ihnen in jeder Hinsicht nicht zu. Aber sie haben das Szenarium in ihrer Pupille und sind optimistisch.

Ein bisschen bin ich beunruhigt. Ist das wirklich alles so bescheuert verlogen und gelten wir Ostdeutsche als etwas naiv, gutgläubig, naja auch sehr lieb, mit denen kann man es machen? Oder bin ich falsch? Das habe ich in einem anderen Zusammenhang, siehe in diesem Blog meinen Beitrag vom 21.3.20 “Demokratie, Coronaviren, Mundschutz – es könnte so einfach sein” schon einmal befürchtet.

Fazit: Herr Kalbitz bleibt Mitglied der AFD. Der Herr Professor schmunzelt. Und viele Mitglieder der AfD grübeln und sind verstimmt.

Reinhart Zarneckow

Birk Meinhardt: Wie ich meine Zeitung verlor

Unbedingt lesen! Birk Meinhardt, Wie ich meine Zeitung verlor, Ein Jahrebuch, Verlag: Das Neue Berlin, 143 S., 15,-€

143 Seiten, die es in sich haben! Ein Erlebnisbericht aus den Hinterzimmern des deutschen Qualitätsjournalismus – und was von diesem geblieben ist. Zugleich ist das Buch die autobiografische Erzählung eines Vollblut-Reporters, der als junger Mann nach der Einheit von Ostberlin nach München zur Süddeutschen Zeitung wechselte. Hier, an Bord eines der Flaggschiffe des demokratischen Meinungsstreits, da war sich Meinhardt sicher, würde er das Gesetz, wonach er angetreten, nie wieder brechen müssen: „Zur Wende wusste ich, was ich niemals mehr wollte, nämlich mich noch einmal in einen solchen Zwiespalt begeben;…ich habe mit mir abgemacht, ungesunde und mich ewig beschäftigende Kompromisse nicht mehr einzugehen, soll heißen, sollte jetzt noch einmal ein Text aus politischen Gründen aus der Zeitung fliegen oder sollte jetzt ein Text aus politischen Gründen auch nur zurechtgebogen werden, würde ich in der Zeitung, in der sowas geschieht, sicher nicht mehr arbeiten, jedenfalls nicht mehr als Journalist.“

Dass es eines Tages wieder zu vergleichbaren Zumutungen kommen könnte wie in DDR-Zeiten, erschien Meinhardt damals nur als eine abstrakte Möglichkeit ohne Anschaulichkeit. Er handelte also in seiner Tätigkeit als Journalist entsprechend der Maxime, dass es für viel wichtiger gehalten werden muss, zu sehen, was ist, als festzustellen, was sein soll – und er hatte damit einige Zeit lang beachtlichen Erfolg. 1999 und 2001 erhielt er den in seiner Zunft begehrten Kisch-Preis.

Ein erstes Déjà-vu-Erlebnis, dass es selbst im journalistischen SZ-Paradies verbotene Früchte gibt, hatte Meinhardt, als ihm der Leserbriefredakteur sagte, der Außenpolitikchef habe darauf gedrungen, Nato-kritische Briefe zum Kosovo nicht oder nur ganz vereinzelt zu bringen. Meinhardt wollte es nicht fassen. Es war dann ein schmerzhafter, sich hinziehender Prozess der Desillusionierung: die mehrmals wiederholte Erfahrung, dass es selbst in der Süddeutschen mit der Freiheit des Wortes, wenn es darauf ankam, nicht allzu weit her war. In den Tagen der friedlichen Revolution war die Freiheit im Kultur- und Geistesleben das Schibboleth aller gegen den vormundschaftlichen Staat rebellierenden Kräfte gewesen. Jetzt, knapp zwei Jahrzehnte später, musste Meinhardt sich eingestehen, dass seine einstige Hoffnung, „ohne Beschränkungen, ob fremde oder selbst auferlegte, endlich tabulos Zeitung“ zu machen, immer mehr ins Wanken geriet. Denn auch die SZ scheute sich nicht, wenn es den Verantwortlichen opportun erschien, an der Fabrikation der staatlicherseits gewünschten >öffentlichen Meinung< mitzuwirken, selbst um den Preis, dadurch zum direkten Widersacher der Meinungsfreiheit zu werden.

Wie es dabei in concreto zugegangen ist, schildert Meinhardt anhand redaktioneller Debatten, wobei der Streit um vier nicht veröffentliche Reportagen, die im Buch abgedruckt sind, im Mittelpunkt steht. Auf zwei dieser journalistischen Glanzstücke sei hier ausdrücklich hingewiesen: Mit einer geradezu prophetischen Erzählung über die desaströsen Konsequenzen des in New York und London ansässigen Investmentbankings der Deutschen Bank, Jahre vor der Finanzkrise geschrieben, akribisch recherchiert, beginnt die Entfremdung zwischen der Redaktion und Meinhardt. So wie er das „Nicht-Funktionieren des ganzen Gewerbes“ und den „Verlust jeglicher Moral“ beschreibt, das ging als profunde Systemkritik entschieden zu weit.

2010 dann der nächste Eklat. Meinhardt berichtet über einen brandenburgischen Rechten, der, verurteilt zu acht Jahren wegen eines angeblich versuchten Mordes und versuchter Brandstiftung, vier Jahre und vier Monate unschuldig gesessen hat. Das stellte jedenfalls das Landgericht Frankfurt / Oder in einem Wiederaufnahmeverfahren fest. Und er recherchiert über den bundesweit zu Schlagzeilen führenden Fall des Ermya Mulugeta in Potsdam. Man erinnere sich: Es war dies der ganz banale Fall einer Schlägerei an einer Straßenbahnhaltestelle, den der Generalbundesanwalt Kai Nehm trotz anderslautender Ermittlungsergebnisse der örtlichen Polizei im vorauseilendem Gehorsam an sich gezogen hat, um durch die fernsehwirksame Vorführung (Hubschrauber, Augenklappen, Ohrschutz) der vermeintlich rassistisch handelnden deutschstämmigen, weißen Täter in Karlsruhe höchste Gefährlichkeit und schnelles Durchgreifen des Staates zu demonstrieren. Es lag ja der Bundeskanzlerin „daran, dass dieser Fall schnell aufgeklärt wird und dass wir deutlich machen, dass wir Fremdenfeindlichkeit, Gewalt, rechtsradikale Gewalt aufs Äußerste verurteilen.“

Dem ehemaligen Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye, Vorsitzender des Vereins „Gesicht zeigen“, reichte der Wunsch Merkels, ein Exempel zu statuieren, nicht aus. Er legte Wert darauf, gleich das halbe Bundesland als rassistisch zu denunzieren. „Es gibt kleine und mittlere Städte in Brandenburg und anderswo, wo ich keinem raten würde, der eine andere Hautfarbe hat, hinzugehen. Er würde sie möglicherweise lebend nicht mehr verlassen“, gab Heye zu Protokoll. Brandenburg als Mördergrube. Daraus wurden dann die No-go-areas. Auch der Fall Ermyas Mulugeta endete mit Freispruch.

Was die Reportage Meinhardts, der mit fast allen Beteiligten im Justiz- und Polizeiapparat gesprochen hat, zu etwas Besonderem macht, ist, dass er den Fall nicht einfach unter der Rubrik „Justizirrtum“ abbucht. Justizirrtümer passieren. Mal ist die Beweislage undurchsichtig, Zeugen erinnern Ereignisse, die nie stattgefunden haben, Spuren werden fehlerhaft interpretiert usw. Wenn dazu aber noch „Beflissenheit, Beeinflussbarkeit, Zweifelsverdrängung“, kommen, wie Meinhardt schreibt, dann ist die Rechtsstaatlichkeit gefährdet. Nicht zu vergessen das unermüdliche Entrüstetsein im „Kampf gegen Rechts“, was zu ständiger Überbietung beim Anklagen und Beschuldigen anfeuert. Und, wie Nietzsche schon sagt: „Niemand lügt so sehr als der Entrüstete.“

Und was erlebt Meinhardt nun in der Redaktion der SZ? Die Rechten könnten seine Geschichte für ihre Zwecke nutzen, heißt es da auf einmal. Also dasselbe Argumentationsmuster, was er schon zur Genüge aus der DDR kannte. „Deine Kritik hier, hieß es, mag ja berechtigt sein, aber sie könnte dem Klassenfeind zupass kommen, also lassen wir das bleiben.“

Birk Meinhardt hat seine Zeitung verloren. Er hat gekündigt und sich der Schriftstellerei zugewandt (letzter Roman: Brüder und Schwestern, erschienen bei Hanser).

Rolf Henrich

Sommerregen

Nach einem warmen Sommertag,
wie ich ihn doch so gerne mag,
hängt nun der Himmel wolkenschwer,
nichts kündet von der Sonne mehr.
Doch soll ich jetzt schon heimwärts kehren,
nur weil sich Regentropfen mehren?
Will unbeschwert wie einst als Kind,
den Regen fühlen und den Wind.
Die Arme und die Seele weit,
durchnässt zu werden gern bereit!
Die Kleider feucht, auch Haut und Haar,
so frei zu sein ist wunderbar.
Ich geb mich hin dem Angenehmen,
die Sinne möcht ich niemals zähmen.
Wie soll die Seele sonst gedeihn -
würds mir mein Wesen je verzeihn?
Ein Sommerregen warm und weich kommt nicht so oft mehr vor.
Genieß ihn und den Duft der steigt - sein Name: Petrichor.
Juli 2020 Bettina Zarneckow

Wer Statuen zerstört, stoppt weder den Trumpismus noch den Rassismus!

Alfred Hitchcock drehte 1959 den Film “Der unsichtbare Dritte” mit Cary Grant und Eva Marie Saint in den Hauptrollen. Der Spionage- und Liebesfilm endet in einer wilden Verfolgungsjagd im Mount Rushmore National Memorial. Das 1941 fertiggestellte Denkmal besteht aus monumentalen Porträtköpfen der zumindest damals als am bedeutendsten geltenden US-Präsidenten. Jedes Porträt ist 18 Meter hoch. Von rechts nach links werden George Washington, Thomas Jefferson, Theodore Roosevelt und Abraham Lincoln dargestellt.

Das Nationaldenkmal wird in den USA als Heiligenschrein der Demokratie bezeichnet. Das Denkmal ist in seiner Existenz gefährdet. Nicht aus baulichen Gründen. Auch nicht deshalb, weil es in einen heiligen Berg der Lakota-Indianer gemeißelt wurde. Die Lakota haben noch keinen Laut in dieser Sache und derzeit von sich gegeben. Und wenn doch, nimmt das niemand zur Kenntnis.

Aber da ist noch die Sprecherin des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten Nancy Pelosi, geb. am 26.03.1940. Die praktizierende Katholikin und treibende Kraft vieler Initiativen Obamas gilt als eine kluge und überragende Politikerin. In der Presse war unlängst zu lesen, dass sie zum Juneteenth-Gedenktag (an diesem Tag wurde die Sklaverei abgeschafft) vier Bilder ihrer Amtsvorgänger, die allesamt aus den Südstaaten stammen, pressewirksam abhängen ließ. In den Räumen des Kongresses sei kein Platz für Männer, die den Rassismus des 19. Jahrhunderts verkörpern. Frau Pelosi hat überdies beim Kongress die Entfernung von insgesamt 11 Denkmälern beantragt, u.a. die Denkmäler des aus dem Film “Vom Winde verweht” sicherlich noch vielen in Erinnerung stehenden Konföderierten-Generals Robert E. Lee und des Präsidenten der Sezessionisten Jefferson Davis.

Frau Pelosi wird sich nicht lange fragen lassen, warum sie im Sinne einer politischen Balance und eines friedvollen Purismus der Betrachtung der amerikanischen Geschichte nicht auch die Entfernung von Thomas Jefferson, des 3. Präsidenten der Vereinigten Staaten, aus dem Mount Rushmore National Memorial auf den Weg gebracht hat. Geboren 1743 waren Hunderte seine Sklaven. Von seinem humanistischen Menschenbild her war er gegen die Sklaverei, dennoch lehnte er ihre Abschaffung ab. Bekannt wurde Jefferson als Hauptautor der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Schon zu seinen Lebzeiten wurde aber auch über seine Beziehung zu Sally Hemings gemunkelt. Sally Hemings wurde als Haussklavin von seiner Ehefrau in die Ehe eingebracht. Thomas Jefferson hatte mit ihr mehrere Kinder, die Beziehung entstand nach dem Tod seiner Ehefrau 1782. Sally Hemings und ihre Kinder waren die einzigen Sklaven, die Thomas Jefferson von seinen etwa 600 Sklaven in die Freiheit entließ. Die Geschichte wird noch verworrener, weil aufgrund von DNA-Tests nunmehr feststeht, dass die Ehefrau Jeffersons und Sally Hemings Halbgeschwister waren.

Was spricht dagegen, dass Frau Pelosi als Kennerin der amerikanischen Geschichte nicht die Entfernung der Skulptur Jeffersons aus dem Heiligenschrein der Demokratie vorhat und lediglich aus Gründen der Opportunität abwartet? Oder sollten wir nicht eher akzeptieren, dass sich bei jeder historischen Figur etwas finden lässt. Und zwar nicht nur zum Guten.

Ulrike Wendland hat vor kurzem in einem Gespräch mit Eckhard Roelcke im Deutschlandfunk auf die Variante Gegendenkmäler hingewiesen. Die Wittenberger Kirchengemeinde ist nicht der Forderung zur Entfernung eines mittelalterlichen Schundreliefs (“Judensau”) an der Stadtkirche gefolgt sondern hat schon 1988 ein künstlerisches Gegendenkmal in Gestalt einer Gedenktafel errichtet. Gegenwärtig wird über seine Erweiterung diskutiert. Frau Wendland fordert Gegendenkmäler statt Zerstörung. Wie soll eine kritische und unvoreingenommene Diskussion erfolgen, wenn angeblich fortschrittliche Aktivisten vorsorglich tabula rasa machen, wenn die Moral als Schutzmaske bei der Klärung historischer Tatsachen dabei zu sein hat. In dem Gespräch weist Frau Wendland auf ein Bild hin, dass den Sturz der Statue des Sklavenhalters Edvard Colston in Bristol im Rahmen einer Antirassismusdemonstration aus Anlass des Verbrechens an George Floyd in ein Hafenbecken zeigt. Auf dem Bild sind nur Weiße zu sehen, lediglich am Rande ein Schwarzer. Sie meint, dass das Bild nicht Wut sondern ein happening oder eine Inszenierung wiedergibt – und bei Inszenierung fallen mir sofort wieder die abgehängten Bilder der Abgeordneten und Sprecherin des Repräsentantenhauses Frau Pelosi ein.

Die USA leiden unter Covid 19 und einem der Lage nicht gewachsenen Präsidenten. Und Frau Pelosi hängt Bilder im Kongress ab und organisiert mit einem Wissen von heute die legale Entfernung von Statuen aus der amerikanischen Geschichte. Das hat nichts mit der Eindämmung, sondern der Rechtfertigung von Gewalt zu tun.

Hannah Arendt hat die amerikanische Revolution als die einzige gelungene dargestellt. In einer ersten gewaltsamen Stufe haben sich die englischen Kolonien von den Briten befreit. In einer zweiten Stufe haben die Gründerväter die “politischen Wissenschaften” wie sie es verstanden angewendet. Die Amerikanische Revolution habe dabei die Institution der Sklaverei übersehen, weil nach ihrer Überzeugung die Sklaven einer anderen Rasse angehörten. Deshalb hätten die Revolutionäre und Gründerväter auch ungeachtet ihrer liberalen Einstellung die Befreiung der Sklaven, “die durch die einfachsten Grundbedürfnisse gefesselt waren”, aus dem Blick verloren. Und wegen des “Übersehens” der „gefesselten“ Sklaven war in den USA der Aufbau einer neuen politischen Ordnung in einer zweiten Stufe „friedlich“ möglich, während Napoleon am 9.11.1799 in Frankreich nach einem Staatsstreich das Ende der Revolution proklamierte, die Macht übernahm und damit den Terror der auf die Straße gegangenen freien aber besitzlosen Bürger beendete.

Es ergibt sich eine seltsame Ambivalenz. Die Amerikanische Revolution verlief nach der Vertreibung der britischen Kolonialherren erfolgreich und friedlich. Ihr Ergebnis ist die immer noch stärkste älteste demokratische Republik. Nach heutigen (ungerechten) Maßstäben waren ihre Gründerväter Rassisten – selbst George Washington war Sklavenhalter. Trotz Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit scheiterte die viel besungene Französische Revolution am Terror und endete in einer Katastrophe. Ihre Führer waren sicherlich keine Rassisten, eher gescheiterte Menschenfreunde.

Hannah Arendt argumentiert nicht moralisch, sondern interpretiert Tatsachen. Sie ermöglicht den Amerikanern eine differenzierte und nicht von Einigen angestrebte blutige Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte. Und recht betrachtet, zeigt sie auch einen Weg auf. Wie wäre es mit der Durchführung einer Polizei- und Justizreform mit dem Prolog Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit, dazu:

Die Freiheit, frei zu sein, Hannah Arendt, dtv, S. 25, 27.

Also liebe Demokraten, ruhig Blut und Hannah Arendt lesen – bis dahin die Bilder wieder aufhängen. Und dem Republikaner Herrn Trump nicht die Chance geben, als Hüter von Recht und Ordnung wieder auf die Beine zu kommen, er ist gerade gut dabei.

Wer gegen die Bilderstürmerei und die Entfernung historischer Skulpturen eintritt, sollte das aber auch andernorts gelten lassen. In Russland wird über Stalin anders als in Deutschland diskutiert, siehe die letzte Putinrede zum 75. Jahrestage Kriegsende. Und es gibt sowohl in einigen großen Städten wie auch in der russischen Provinz Denkmale von Stalin, wenn auch nicht so viele wie für “Anrüchige” in den USA. Ich vermute, dass auch über Bismarck in Frankreich anders als in Deutschland gesprochen wird – liebe Leute, ich setze nichts gleich und Bismarck schon gar nicht, lest lieber seine “Gedanken und Erinnerungen”.

Betrachten wir die Skulpturen als Zeitzeugen einer lebendigen Geschichte. Ihre Zerstörung würde Geschichte auslöschen. Schon die alten Römer haben nichts besseres gewusst als die Köpfe bedeutender Skulpturen rollen zu lassen. Das hat Rom auch nicht gerettet.

Weisen wir die Anmaßung von Aktivisten, Richter der Vergangenheit zu sein, entschieden zurück. Gehen wir nicht in die Falle eines Gezänkes über die Vergangenheit, nehmen wir jede Gelegenheit zum fairen öffentlichen Diskurs mit unseren Vorgängern wahr.

Reinhart Zarneckow

Sehr zu empfehlen das Buch einer Amerikanerin: Von den Deutschen lernen – Wie Gesellschaften mit dem Bösen in ihrer Geschichte umgehen können, Susan Neiman, Hanser Verlag.

Soziale Zukunft: W i e kommst Du? – Brief 4* seit Verhängung der Pandemie

Diese „Katastrophenschutzübung“(so ein Freund am 14.3.d.J. in Leipzig) des staatlichen Anordnungsapparats, der Desinfektionsmittel- und OP-Masken-Hersteller dauert mir jetzt zu lange! Oder besser das Manöver, denn es kommt durchaus kriegerisch daher. Steht noch mehr dahinter, wie manche behaupten: Umschichtungen von Arm zu Reich, digitale Aufrüstung, Pharmageschäfte, Beschneidung der Bürgerrechte, Hebung der Impffreudigkeit? Egal! – Wir folgen fraglos den Einschränkungen der sich selbst ermächtigenden Staatsorgane.- In Bayern fiel mir dieser Tage die Konditionierung des Verhaltens im alltäglichen Lebens besonders auf. ‚Mir san Masken‘. Die Kellner führen einen maskiert an einen der deutlich reduzierten Tische, sichtlich froh, dass der Berieb unter Auflagen nach acht Wochen Lockdown wenigstens wieder beginnt. Dennoch bleibt das Gefühl, etwas Unerlaubtes zu tun, in meinem Lieblingsort in Nürnberg, dem Cafe im Literaturhaus. Überall Argus-Augen. Desinfektionsmittelschwaden von den Nebentischen über meinem leckeren Speisen. Ein Kellner, der spürt, dass ich nicht ganz konform gehe mit der Angst, wagt etwas galgenhumorig: „Mir wär’s ja auch lieber, alles wäre wie vorher. Uns Älteren kann nicht viel passieren, unser Immunsystem ist noch intakt, weil wir im Buddelkasten spielten und Sand gefressen haben.“ – Die Angst vor dem Killer-Virus hat uns in Geiselhaft genommen. Angst vor was?- Ich kenne verängstigte Menschen aus den Luftschutzbunkern im umkämpften Stettin des zweiten Weltkrieges. Der „Feind“ stand im Osten. Auch bei der Baader-Meinhof-Fahndung in der Folge der 68-er-Erhebung stand Panik im Raum, hinter jedem Busch könnte ein RAF Terrorist sich verstecken. Soviel schwer bewaffnete Polizei sah ich nie. Und 2001? Schon drei Tage nach dem Anschlag erklärte man den Verängstigten, dass der Feind im fernen Afghanistan sich verbirgt und zu bekämpfen sei von einer Allianz der Willigen. Tod und Teufel. Jetzt ist es ein todbringender Virus, gegen den wir in den Krieg ziehen sollen, koste es was es wolle.

Aber was diktiert jetzt die Todes-Ängste? Wie viele Mitmenschen sind zwischen Anfang Januar und Ende März diesen Jahres an einer durch den Virus übertragenen Krankheit Covid 19 weltweit gestorben? 21.297. – Im gleichen Zeitraum starben an saisonaler Grippe 113.034, an Maleria 228.095, durch Selbstmord 249.904, bei Verkehrsunfällen 313.903, durch HIV/AIDS 390.908, 581.599 durch Alkohol, 1.162.481 an Raucherkrankheiten, 1.909.802 durch Krebsleiden, 2.382.324 an Hunger und 9.913.702 durch Abtreibung (Quelle: www.worldometers.info, in: Europäer Jg. 24/Nr. 8./Juni 2020). Hat irgendeine Regierung gegen diese anderen Todesursachen und Bedrohungen einen derartigen Feldzug wie gegen das Corona-Virus in Gang gesetzt mit dessen vergleichsweise niedrigen Todesfolgen? Welche Gründe gibt es dafür, dass ausgerechnet Corona zum Menschheitsfeind Nr. 1 erklärt wird, sodaß in Selbstermächtigung Regierungen Notstand ausrufen, Wirtschaftsbetriebe schließen, Grundrechte ausser Kraft setzen, Ausgangssperren verhängen, Schulen, Hochschulen, Theater, Kultureinrichtungen nach Belieben ihrer Arbeit berauben können? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.- Erschreckender: Die Gedankenpolizei ist da. In herkömmlichen Kriegen mußten die Gegner die Hoheit zu Boden, in der Luft, auf dem Wasser, aber seit dem 2. Weltkrieg auch die über die öffentliche Meinung erlangen. Was gegenwärtig an Meinungsdiktat, an Ausgrenzung Andersdenkender, Diffamierung komplementärer Sichten, Zensur um sich greift hierzulande, hat eine neue Dimension.- Seien wir auf der Hut. Schauen wir genau. Vertrauen wir unserem eigenen Denken.

Manfred Kannenberg-Rentschler/ Nürnberg-Feucht-Berlin, Mitte Juni 2020_

*Brief 1: „Den Teufel spürt das Völkchen nie, und wenn er sie beim Kragen hätt“ (31. März 2020). Brief 2 (Zum 8. Mai 2020): Denkende Besonnenheit für unsere Stadt! .- Brief 3 : Wie man eine florierende Volkswirtschaft zugrunde richtet (Pfingsten 2020). – Als hilfreich bei der eigenen Urteilsbildung können sich erweisen: Die online-Publikationen ‚Rubikon – Magazin für die kritische Masse‘ und ‚Swiss Policy Research‘. https://www.rubikon.news/artikel/das-corona-regime