
Ende Januar bin ich für eine Woche nach St. Petersburg gereist, die Stadt, in der ich um die Jahrtausendwende einige Jahre gelebt und gearbeitet habe und die ich seit Oktober 2019 nicht mehr besuchen konnte. Ich war aufgeregt und gespannt, was mich erwarten würde. Eine Freundin, der ich meinen Besuch angekündigt hatte, schrieb mir: Schön, dass Du kommst. Aber hast Du keine Angst, dass die Stadt Dir mit Attacken begegnen wird? Nein, die Angst hatte ich nicht oder wenn, dann war sie überlagert von der Gewissheit, dass Besuche und Zeichen der Verbundenheit nie so wichtig waren wie gegenwärtig. In dieser Gewissheit, um dies gleich vorweg zu sagen, bin ich mehr als bestätigt worden. Es hat außerdem keine einzige bedrohliche oder unangenehme Situation während meiner Reise gegeben.
Die Anreise ist kompliziert geworden. Was früher in zwei Stunden Flug von Berlin oder Hamburg zu schaffen war, braucht heute mindestens einen Tag. Ein Hamburger Reisebüro regelt alles schnell und unkompliziert, die Visabeschaffung und die Buchung des Fluges nach Helsinki und von dort die siebenstündige Busfahrt an die Newa. Die Grenzkontrolle war etwas umständlich und nicht immer nachvollziehbar, aber freundlich und locker. Da hatte ich schon anderes erlebt. Um bei den aktuellen Komplikationen zu bleiben: Man ist gut beraten, genügend Bargeld mitzunehmen, denn die westlichen Karten funktionieren nicht mehr. Wechselstuben sind aber geöffnet und tauschen Rubel etwa zu dem Kurs ein, der vor Kriegsbeginn üblich war.
Auf dem Petersburger Busbahnhof gegen 22 Uhr angekommen bin ich mit einem Taxi ins Hotel gefahren. Mein Versuch, mit dem Fahrer ins Gespräch zu kommen, war etwas holprig. Auf meine Frage, wie denn sein Leben jetzt wäre, antwortete er unwirsch: Was soll die Frage, alles ist normal. Ob dahinter seine Gefühlslage stand: Diese scheinheiligen Westler, brocken uns die Misere ein und fragen dann, wie es uns geht. Aber vielleicht liege ich mit dieser Deutung ganz falsch, ich weiß es nicht. Das krampfhafte Bemühen um Normalität im Alltag in Verbindung mit einer deutlichen Reserviertheit habe ich allerdings in der ganzen Woche immer mal wieder wahrgenommen.
Am ersten Tag meines Aufenthaltes in Petersburg war Gedenktag an das Ende der Blockade im Januar 1944. Putin war aus diesem Anlass in die Stadt gekommen. Im Fernsehen wurde die offizielle Gedenkveranstaltung übertragen, sie war wie früher auch geprägt von tiefer Trauer, die Reden, soweit ich sie verfolgen konnte, nicht scharfmacherisch oder kriegerisch. Stärker als früher dominierte allenfalls das Motiv „Bolshe nikogda“, nie wieder. Wenn damit die Sorge zum Ausdruck gebracht werden soll, einer Einschnürungsstrategie des Westens ausgesetzt zu sein, dann kann die derzeitige politische Elite Russlands einer großen Zustimmung in der Bevölkerung gewiss sein. Die Meinungen gehen allerdings weit auseinander in der Frage, wie damit umzugehen ist und vor allem, ob dadurch der Angriff auf die Ukraine gerechtfertigt werden kann. Putin nutzte übrigens das Datum des 27. Januar zu einem Besuch in der Großen Synagoge und zu einer Begegnung mit dem Vorstand der jüdischen Gemeinde. Auch darüber und über den Holocaustgedenktag berichtete das Fernsehen ausführlich, sicher mit der unausgesprochenen Botschaft: Vergesst nie, was geschehen kann, wenn man sich nicht rechtzeitig wehrt.
Das Stadtbild hat sich in den drei Jahren seit meinem letzten Besuch verändert, weil die vielen Werbebanner, die quer über die breiten Prospekte gespannt waren, erheblich dezimiert worden sind. Das ist ein deutlicher Gewinn für den Betrachter der schönen Stadtlandschaft, auch wenn die Ursache möglicherweise das Fehlen von Auftritten internationaler Showgrößen ist, für die früher so aufdringlich geworben wurde. Im Marinski-Theater dirigiert Valeri Gergiew jeden Abend – meine Petersburger Freunde sind mit einer Art von Galgenhumor dankbar für diese Folge deutscher Kulturpolitik. Überhaupt kein Verständnis haben sie dafür, dass in Nachbarländern die russische Kultur insgesamt ausgemerzt werden soll. Ich nebenbei gesagt auch nicht.
Das Angebot in Geschäften und Supermärkten ist unverändert, soweit ich das sehen konnte, auch die Preise für Lebensmittel sind nach wie vor moderat, wenn auch teurer als früher. Kostenexplosionen hat es wohl auf anderen Gebieten gegeben. Die Deshurnaja in meinem Hotel erzählte mir, dass sie mit der Renovierung ihrer Wohnung begonnen hatte, sie aber wegen der Teuerung nicht vollenden konnte – mit dem Ergebnis, dass sie ihre Wohnung verkaufen und in einen Vorort ziehen musste. Sicher kein Einzelschicksal. Sie stammt übrigens aus Kiew. Als ich vor vielen Jahren das erste Mal mit ihr zusammentraf fragte ich sie, ob sie lieber ukrainisch oder russisch spräche. Völlig egal, das ist doch alles eins – so antwortete sie damals. Ob sie das heute auch noch sagen würde?
Viele meiner Freunde arbeiten seit Corona im Home-Office. Insgesamt, so mein Eindruck, ist die Digitalisierung des Alltags weiter voran geschritten als bei uns. Als ich mit einer Freundin in ihre neue Wohnung gegangen bin, sah ich in der Nachbarschaft einen Supermarkt. „Das ist ja praktisch, hier kannst du gleich einkaufen“ – sie sah mich erstaunt an: Geht ihr in Deutschland noch einkaufen? Ich bestelle alles, was ich brauche und es wird umgehend geliefert. Als am Abend die Zeit heran war, bat ich sie, mir ein Taxi zu bestellen. Sie tippte etwas in ihr Handy und sagte: Unten wird in fünf Minuten ein weißer Mazda stehen mit der Wagennummer 5699. Normalität des Alltags. In vielem sicher eher typisch für die Weltstadt, und nicht für Mütterchen Russland. Aber immerhin.
In fast allen Gesprächen kamen wir über kurz oder lang doch immer wieder auf die Ukraine zu sprechen. Standpunkte und Positionen wurden mehr oder weniger offen geäußert, ich will dies hier im einzelnen gar nicht wiedergeben. Letztlich habe ich wenig Überraschendes gehört, vielleicht mit einer Ausnahme. Über die muss ich aber nachdenken, sicher weil sie mir so sympathisch war und ist.

Es war in einem Gespräch in einer Stolowaja mit Zufallsbekannten, offenbar einer Gruppe von Studenten. Nach anfänglicher kaum verhohlener Wut mir gegenüber sagte einer, ein Geschichtsstudent, wie sich später herausstellte, wie enttäuscht auch er wäre, dass Deutschland Waffen und nun auch noch Panzer an die Ukraine liefere. Hättet ihr nicht eure Erfahrungen beim Überwinden von Feindschaften, bei Vertrauensbildung zwischen ehemaligen Gegnern, bei Versöhnung und Friedensstiftung in die Wagschale werfen können, die gerade ihr Deutschen gewonnen habt? Statt dessen habt ihr einseitig nur die unterstützt, die von vornherein ausschließlich auf die Waffenversprechungen des Westens vertraut und ihre Politik danach ausgerichtet haben. Es hat doch auch in Kiew durchaus andere Stimmen gegeben, die möglicherweise eine friedliche Beilegung der vielen Konflikte eröffnet hätten. Wenn man die unterstützt hätte, wäre den Kriegstreibern auf beiden Seiten vielleicht ein wenig Boden unter den Füssen entzogen worden. Vielleicht ist es ja noch nicht zu spät.
Ich denke oft an diesen jungen Mann, an seine Enttäuschung, die Ratlosigkeit und die tiefe Trauer, die aus seinen Worten sprach und an die leise Hoffnung. Diese komplexe Gemengelage im Lebensgefühl hat meine Wahrnehmung der Realität in Petersburg bestimmt, sie beherrscht mich bis heute.
Als Reiselektüre vor allem für die vielen Stunden im Bus hatte ich mitgenommen eine pdf-Datei der erweiterten und aktualisierten Neuausgabe des Buches „Wirtschaftskriege“ von Nils Ole Oermann und Hans-Jürgen Wolff sowie den 2. Band von Heinrich August Winklers Geschichte Deutschlands unter dem Titel „Der lange Weg nach Westen“. Zum Lesen bin ich aber nicht wirklich gekommen. Zu neugierig war ich auf der Hinfahrt auf Gespräche mit Mitreisenden, auf der Rückfahrt hielten mich Erinnerungen und die Verarbeitung von Eindrücken vom Lesen ab. Über das Wirtschaftskrieg – Buch werde ich an anderer Stelle in diesem Blog berichten, in Ergänzung zu meiner früheren Rezension. Bei Winklers Buch regt mich vor allem der Titel immer wieder zum Nachdenken an. Ein langer Weg nach Westen, ohne Frage. Zum Segen für die deutsche Geschichte? War der Preis am Ende doch zu hoch? Hätten die europäische Mittellage Deutschlands und eine gebildetere Verantwortung vor unserer Geschichte doch andere Perspektiven eröffnen können? Mehr Bescheidenheit, weniger verlogene Selbstgerechtigkeit? Eine Außenpolitik, die ihre wahren Interessen oder Abhängigkeiten offen benennt und nicht hinter einer vermeintlichen Werteorientierung verschleiert? Mehr Bismarck, weniger Baerbock?
Während ich diese letzten Sätze schrieb, machte mich ein Freund auf Antje Vollmers Gedanken zum Jahrestag des Kriegsausbruchs aufmerksam (siehe Link am Ende). Denen kann ich eigentlich nichts hinzufügen. Allenfalls noch meine Bitterkeit darüber, dass ich meine Reise als Reise in ein Feindesland bezeichnen muss, wo ich doch eine ganz andere Wirklichkeit erlebt habe. Die bekümmerte Traurigkeit der schon erwähnten Deshurnaja ging und geht mir nahe, als sie mich beim Abschied fragte: Wird nun nur negativ über uns berichtet in euern Medien? Ja, musste ich wohl oder übel antworten.
Christoph Ehricht
Beim Lesen des interessanten Berichtes ist mir der Gedanken gekommen, wie absolut sinnlos das Eindreschen auf die Menschen in Russland ist, die sicherlich den Krieg in der Ukraine genauso wenig eindimensional sehen oder sehen wollen wie wir in Deutschland . Unsere Experten geben leider ihr bestes, um Kontakte der Russen mit den Deutschen zu minimieren. Ich denke nur an Bemühungen der hochmoralischen Innenministerin Faeser, die Teilnahme von Russen an der Olympiade zu verhindern.
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Die Worte des Geschichtsstudenten sind sehr eindrücklich. Leider sehe ich niemanden in der deutschen Regierung, der etwas in die Waagschale zu werfen hätte, was derartige Erfahrung betrifft. Diese gefährliche, unüberlegte und dümmliche Kriegsrhetorik in Deutschland, ist unerträglich. Besondere Verantwortung in dieser Hinsicht trägt Frau Baerbock, die zwar den Titel Außenministerin trägt (leider), aber dieses Amt in keiner Weise, politisch nicht, intellektuell nicht, menschlich und fachlich nicht, in der Lage ist, auszuüben! Jawohl, Herr Ehricht, mehr Bismarck, weniger Baerbock, am liebsten gar nicht!!!
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In der „Judenfrage“ sprach Bismarck sich klar gegen eine politische Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung aus.
Zitat aus meinem autobiografischen Roman „Henriette Brey, die Dichterin der Seele“ :
Nicht nur die Landbevölkerung zollte den damaligen autoritären Normen fast enthusiastisch Beifall. Sich fügen fiel ihnen leichter als Protest. Bismarcks Worte: „Haut doch die Polen, dass sie am Leben verzagen!“ oder ähnliche diskriminierende Äußerungen, hatten sich tief in den Volksgeist eingegraben.
Alle waren dazu bereit, durch Ausbreitung des deutschen Geistes auf der Erde, am wirksamsten den Bau der Welt-Gesittung zu fördern. Die deutsche Kultur bedeutete das Ideal menschlichen Denkens und jeder Schritt, der für das Deutschtum errungen wurde, gehörte der Menschheit und der Zukunft unseres Geschlechts.
Man redete mit einem Male über Führerrassen, und, dass das Hereinbrechen einer hochgesinnten Edelrasse nicht der Vernichtung, sondern der Höherentwicklung der Besiegten dienlich sei. Das Militär glich den Kreuzrittern, die angeblich dem Herrn der Heerscharen dienten und ihr Tun als Erlöserwerk ansahen.
Die Träume der „Alldeutschen“ wurden nun mit entsetzlicher Steigerung in den Weltmachtplänen Hitlers weitergesponnen. Zitat Ende.
Einen wie Bismarck wünscht man sich, als Ersatz für Annalena Baerbock?! Armes Deutschland!
Die ewig Gestrigen sind anscheinend immer noch unter uns.
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Wer wird nicht alles in seinem Wirken auf die „Judenfrage“ reduziert.
Luthers Verdienste verschwinden hinter seinem „Judenhass“. Bismarcks Verdienste ebenso?
Bismarck war ein Vollblutpolitiker, ein Mensch der Macht, wie alle Politiker, auch heute.
Er war ein Politiker, der auf Ausgleich bedacht war, im Interesse seines Landes.
Zu Frau Baerbock kann ich nur sagen: Ich möchte nicht, dass einer „Abiturientin, die nach einigen Wartesemestern ein Medizinstudium“ ergattert hat, ein Skalpell überlassen wird und sie eine Operation am offenen Herzen Deutschlands durchführen darf. Diese unerfahrene, ideologiebesessene Frau ist mit dieser Aufgabe völlig überfordert und stürzt mit ihrer Unbedarftheit unser Land ins Verderben. Es ist fahrlässig, sie ungezügelt wirken zu lassen!
Manchmal sind die ewig Gestrigen, wie Sie sie bezeichnen, die eigentlich Progressiven. Warten wir’s ab!
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Quelle Wikipedia:
Baerbock studierte von 2000 bis 2004 im Diplomstudiengang Politikwissenschaft an der Universität Hamburg und legte dort das Vordiplom ab. Im Nebenfach belegte sie Öffentliches Recht/Europarecht. Anschließend wechselte sie an die London School of Economics and Political Science und schloss dort 2005 einen einjährigen Postgraduierten-Studiengang mit einem Master in „Public International Law“ (LLM) mit „besonderer Auszeichnung“ (Distinction) ab.
Während ihres Studiums arbeitete sie von 2000 bis 2003 als freie Mitarbeiterin der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und absolvierte ein Praktikum bei der Europaabgeordneten Elisabeth Schroedter. Nach dem Studium betreute sie von 2005 bis 2006 deren Website, leitete im Jahr 2007 für mehrere Monate deren Büros in Berlin und Potsdam und war danach Ansprechpartnerin im Parlamentsbüro in Brüssel bzw. Straßburg.
Auch hier nachzulesen: https://annalena-baerbock.de/lebenslauf/
Ich weiß nicht, woher Sie Ihre ‚Weisheiten‘ haben. Rumpelstilzchen hätte gemeint: „Das hat ihr der Teufel gesagt!“
Luthers Verdienste? Es gibt einige Kirchenlieder, die ich gut finde, und ich muss seine Bibelübersetzung anerkennen. Sein Verhalten dem Papst gegenüber ist einerseits gut zu heißen, andererseits hatten bereits andere diese Ansichten mit dem Tod bezahlt, wie z. B. Jan Huss, der 1415 verbrannt wurde. John Wyclif gilt als mutiger Vorreiter und verurteilte Papst und dessen Taten noch Jahre davor.
Da möchte ich Luthers Frauenhass nicht unerwähnt lassen… und die Bauernkriege. Luthers Verdienste? Politiker und Kirchenfürsten, die Frauen und Menschen anderer Konfession hassen, würde ich niemals wählen wollen.
Ihrer Ansicht nach war Bismarck ein Vollblutpolitiker, der die Macht liebte. Macht haben bedeutete zu seiner Amtszeit, Menschen so zu manipulieren, dass diese sich seinen Wünschen unterordneten und sein Handeln guthießen. Wer sich weigerte, wurde liquidiert. Ja, sicher handelte Bismarck mit Interesse auf sein Land. Schließlich war er einer der militärisch gedrillten Wegbereiter A. H.
Politiker heutzutage in Deutschland haben eine legitime Macht, denn sie wurden demokratisch gewählt. Im Wandel der Zeit gelang es, die Macht des Wissens voranzutreiben.
Immer ‚feste druff‘ auf Frau Baerbock. Auf Fehler ihrerseits haben einige hier im Land gewartet. Wer waren nochmal die Vorgänger dieses Amtes? Ach ja, Heiko Maas, der sich meist klitzeklein machte, damit man ihn nicht bemerkte oder Guido Westerwelle, der mit Englisch für ‚runaways‘ die Welt belustigte. Da stürzt man sich lieber auf die erste Frau in der ehrenwerten Runde.
Aber Sie verehren ja Luther. Wie könnte es anders sein?!
Ich sehe Baerbock als nächste Kanzlerin. Warten wir’s ab!
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Vielleicht habe ich mich etwas missverständlich ausgedrückt. Ich würde einer Bürokauffrau kein vollbesetztes Passagierflugzeug übergeben. Das ist eine Metapher. Frau Baerbock sollte weder den Posten einer Außenministerin bekleiden, noch sollte sie Kanzlerin werden. Die Grünen haben ganz Deutschland getäuscht mit ihrem aufgekommenen Militarismus. Sämtliche Politiker dieser Partei neigen zur Selbstüberschätzung.
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Putin hat ganz Deutschland getäuscht. Besonders Menschen im Osten Deutschlands und die Russen selbst scheinen das nicht verstehen zu wollen. Sie schreiben von einer ungebildeten Politikerin und als Ausrede für Ihren Fehler benutzen Sie das Wort Metapher!? Bürger eines Landes verlangen von ihren Politikern immer das Bequemste. Unbequeme Wahrheiten halten sie für Selbstüberschätzung. Hier haben sich schon einige Politiker an der ‚Weisheit‘ der Wähler die Zähne ausgebissen. Ich wünsche allen eine gute Brille.
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Herr Ehricht, ich verstehe gut, wie es sich anfühlen muss, unter diesen Umständen in das Land zu fahren, das eine Zeit lang Heimat war. Dort Freunde von damals zu treffen. Aber was ist der Verdruss einer Frau, dass sie die Wohnung wechseln muss, weil sie sich die Renovierung nicht leisten kann, gegen die Schicksale in der Ukraine, wo Menschen ihre Häuser, ihre Städte, und schlimmer, ihre Lieben unter Bomben verlieren? Für Putin und dank fehlender Meinungsfreiheit unter seiner Diktatur für sein verblendetes Volk, ist es der „böse Westen“, der sein Land bedroht. Um sich vor einem befürchteten Angriff „des Westens“ zu verteidigen, macht man mal gleich mal den ersten Schritt und überfällt ein Nachbarland? Vorsorglicher Angriff ist besser als Verteidigung? Ein Krieg, den ich anzettele, ist besser als sich gegen einen erwarteten Angriff zu wappnen (eine Möglichkeit, die ihm ja keiner abspricht)? Ach nein, es war und ist ja kein Krieg, es ist eine Militäroperation. Ich möchte Sie, die Sie jetzt in dem wunderschönen Sankt Petersburg waren, fragen: Was ist eigentlich aus den Demonstranten geworden, die vor einem Jahr, in den ersten Tagen der „Militäroperation“, mutig auf die Straße gegangen sind, mit Transparenten „Нет война“? Sprach von denen und ihrem Schicksal niemand? Stecken sie noch im Gefängnis, oder schlimmeres? Ich erzähle auch etwas: Meine Kollegin, in Moskau geboren, die noch Verwandte in Russland hat, antwortete uns in den ersten Tagen des Krieges, als wir sie ungläubig fragten: „Aber was sagen denn die Menschen dazu?“ „Nichts. Sie haben Angst, weggesperrt zu werden.“ Oder nein, sie sagte, sie haben Angst, umgebracht zu werden.
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Trotz jahrelanger Diktatur der SED gab es in der DDR viele Menschen, die dieses Regime unterstützt haben. So gibt es Gegner und Befürworter von Putin im eigenen Land.
Es gibt sicher schlimme Schicksale auf beiden Seiten. Wie begegnen wir beispielsweise russisch stämmigen Menschen, denen im Donbas und auf der Krim das Sprechen ihrer Muttersprache verboten wurde. Oder die jahrelangen Drangsalierungen durch die Ukraine ausgesetzt waren, denen die Wasserversorgung gekappt wurde, deren Städte bombardiert wurden. Wo erhalten sie ihre Stimme? Teilen wir Deutsche in Gut und Böse ein? Können wir diese komplexe Lage überblicken und genau einschätzen? Wir sollten für humanitäre Hilfe sorgen und all unsere Möglichkeiten konsequent einsetzen, um eine friedliche Lösung herbeizuführen. Mehr kommt Deutschland einfach nicht zu! Moderate Behandlung beider Länder. Nur das kann im Sinne aller Menschen sein, auch im Sinne der Menschen, die im eigenen Land unter ihren Machthabern leiden.
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Drei Reaktionen will ich auf die Kommentare versuchen. Sie stehen unter der Überschrift, dass wir natürlich immer und jetzt erst recht lernen müssen, verschiedene Positionen und Beurteilungen auszuhalten. Das gilt z. B. sicher für Bismarck. Ich habe auf seine Außenpolitik hingewiesen, weil er um eine Balance zwischen Ost und West bemüht war. Darin würde ich auch jetzt unsere Verantwortung sehen. Und: Wer ist nicht entsetzt über den russischen Angriffskrieg und seine Gräuel. Dennoch bin ich sicher, dass wir die Vorgeschichte des Krieges im Blick behalten müssen, wenn eine Lösung gefunden werden soll, Mit militärischen Mitteln wird sie nicht zu erreichen sein. Dazu kann ich nur noch einmal auf Antje Vollmers Artikel hinweisen und auf den Beitrag von Michael Hammermeister in diesem Blog. Mit einer „Verblendung“ der Russen ist eben nicht alles zu erklären! Und schließlich: Aus wie ich meine verständlichen Gründen habe ich an dieser Stelle nur eine Auswahl bei der Schilderung von Begegnungen vornehmen können.
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