Die Leserin unseres Blogs, Gisela Uhl, übermittelte mir folgenden Text zur Veröffentlichung mit Genehmigung von Frau Sehmsdorf:
Die im letzten Jahr geplante Ausstellung „Wesen“ erweist sich merkwürdig kommentierend auf das, was wir zu diesen Zeiten erleben. Wir sind auf eine bisher unbekannte Weise auf uns zurück geworfen. Wir erfahren unser Wesen als etwas kreatürliches, so wie alle Wesen, die diese Erde bewohnen. Das Wesen unserer Existenz, die Wesen, die unsere Träume und Ängste bevölkern, jenes innere Wesen, welches sich aus jedem von uns merklich herauskristallisiert… das Leben für und an sich steht als großes Rätsel und als große Frage vor uns. Das Verständnis für das Wesen des Eremiten und seines Gegenpols, des Bonvivant, bekommt plötzlich Tiefenschärfe. Irgendwo dazwischen finden wir uns selbst als soziale Wesen, die Sehnsucht nach Berührung und Distanz, nach Gesehenwerden und Tarnung, nach Gespräch und Schweigen, nach Rückzug und Verströmen haben.
Friederike Sehmsdorf, Inhaberin der Galerie Kunst-Kontor in Potsdam zur neuen Ausstellung „Wesen“ (ab 17.05.2020)
Wie wirkt der Text auf Sie, auf Euch? Gedanken und Kommentare können unten ins Kommentarfeld eingegeben werden.
Meine Gedanken dazu sind folgende: Auf mich zurückgeworfen zu sein beängstigt mich nicht. Im Gegenteil. Die Selbstbesinnung empfinde ich als wohltuend. Das ist aber die Ansicht einer Mutter, deren Kinder groß genug sind und für sich selbst Verantwortung tragen. Enkelkinder habe ich noch keine, daher leide ich auch nicht unter deren Entzug. Es ist Frühling, die Natur treibt wohltuende Blüten. Der Verkehr aller Verkehrsmittel ist angenehm beruhigt. In Geschäften muss man sich nicht drängeln. Das Fehlen mal dieser und mal jener Ware stört mich nicht im geringsten, sondern erinnert mich mit einem innerlichen Lächeln an vergangene Zeiten. Die moderne Technik hält so viel an Information und Unterhaltung bereit und man findet ausreichend Zeit zum Lesen. Natürlich fehlt mir auch das zwanglose Treffen mit Freunden, der Sport in meiner Sportgruppe, der spontane Besuch eines Restaurants. Ich sehe die Coronakrise aber als eine Zwangspause die vorübergeht, aus der man vielleicht auch gestärkt, mit Ideen und neuem Elan hervorgehen kann.
Ganz am Anfang ist Adam der einzige Mensch im Paradies. Adam ist einsam – auch das gehört zum Menschsein dazu, weiß die Bibel. Aber sie sagt auch: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. (1.Mose 2)
Ich wünsche allen Gleichmut, Inspiration für den Moment und für die kommende Zeit
Bettina Zarneckow
Vieles denke und empfinde ich ähnlich. Selbtbestimmung und Selbständigkeit können wichtig und wohltuend sein, aber jemanden an der Seite zu haben,dem man vertraut ,der einen bestätigt,oder auch mit Gegenargumenten überzeugt,ist sehr hilfreich und tröstend, jedenfalls für mich. Das ist die Meinung einer Mutter und Großmutter
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In meinem Aufsatz „Gnothi seauton – erkenne dich selbst“ fragte ich einmal, wie man sich erklären könne, dass man auf unterschiedliche Personen unterschiedlich reagiert: „Anscheinend gibt es mehrere Selbst in jedem Menschen. Das fröhliche, das traurige, das draufgängerische, das ängstliche, das resignierende, das mutige, das überschwängliche und noch einige mehr. Sie wechseln sich offenbar in ihrer Präsenz ab. Wirken sie ausgleichend auf eine Situation? Möchte man durch den Einsatz der verschiedenen Selbst Begegnungen harmonisch gestalten? Also könnte man es auch als einen Schutzmechanismus der Seele betrachten? Das eigene Sein – stellt sich das nicht erst in Bezug zu anderen dar?
Wer Interesse an meinem Aufsatz hat, ich sende ihn gern. (zarneckow@aol.com)
Wie ist es in der jetzigen Situation? Diese Pandemie, sie kam unerwartet. Man konnte sein Inneres nicht darauf vorbereiten, weil die Ausmaße und die von der Regierung getroffenen Maßnahmen bzw. Einschränkungen nicht vorhersehbar waren. Auch hier gibt es unterschiedliche Reaktionen der Menschen, je nach Betroffenheit. Sie reichen von Verzweiflung durch Einsamkeit und Überarbeitung, über Existenzangst bis zur Zufriedenheit durch weniger Stress, Ruhe und Entspannung. Manch einer erkennt in einer extremen Situation wie dieser auch seine Bestimmung. Manch einer stellt sich neue Fragen, durch das Zurückgeworfensein auf sich selbst. Der Mensch ist anpassungsfähig. Diese Anpassungsfähigkeit sollte durch geschickte und gewissenhafte Moderation der Situation von den Verantwortlichen aber nicht überanstrengt werden.
Im Hinblick auf das bevorstehende Pfingstfest möchte ich aus dem Essay von Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm zitieren (FAZ 25.05.2020):
„Der Pfingstgeist Gottes ist mitten unter uns, denn er kämpft mit uns und durch uns auch gegen das Virus: Den einen schenkt er Tapferkeit und Zuversicht, den anderen gute Ideen in der wissenschaftlichen Forschung. Gottes guter Geist wirkt in uns, indem er die einen tröstet und die anderen motiviert durchzuhalten. Dem einen schenkt er Kraft in der Krankheit, dem anderen Gelassenheit mitten im Sturm des Alltags. Gottes Geist kämpft für seine Menschen, und das mit allen Engeln und guten Geistern – nicht wissenschaftlich messbar, aber im Herzen spürbar. Es gibt unendlich viele hilfreiche Spuren, die er in der Welt hinterlassen hat, durch Menschen, die ihm vertrauten und aus deren Zeugnissen wir heute noch Kraft und Inspiration schöpfen. Zuerst natürlich aus der Bibel und ihren Verheißungen. Hier kann jeder in der Sprache der Psalmen oder der Gleichnisse Jesu Worte des Lebens finden….“
Dieses Essay ist auf der Facebookseite von Heinrich Bedford-Strohm als Podcast zu finden. Es lohnt sich!
Wesen, wie die Ausstellung von Frau Sehmsdorf heißt, und ihre Gedanken dazu – man könnte auch Geschöpf sagen und an die Geschöpflichkeit, an Gottes Schöpfung erinnern und daran, dass es Grenzen menschlicher Machbarkeit gibt und geben sollte. Die Frage nach dem Sinn des Lebens sollte neu gestellt werden.
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