Lieb weiß, was Lieb war

Hinabsteigen will ich in die flimmernde See, 
den Hauch eines Schleiers auf meiner Haut. 
Ich spüre deinen Blick, wie er mir folgt, 
mich fesselnd erhebt und trägt. 

Sehnsucht umgibt mich, 
gleich Ranken des Weinstocks - Hoffnung und Elegie. 
Jedes Blatt dieser Reben ein zartes Wort, 
verzaubernder Klang unserer Liebe.

Schönste Gefühle, tiefes Verlangen 
hängen in vollen Trauben schwer und verheißend herab. 
Doch nichts, nichts als das Ahnen ihrer Süße ist's, 
was uns bleibt. 

Genießen - wie könnt ich das? 
Dem Tode nahe fühlt sich's an, ferne von dir zu sein. 
Nicht deine Zartheit, nicht deine Lippen - 
nicht warm deine Stimme zu fühlen. 

Nie mehr meine Sinne im Gleichklang mit deinen 
in unserer Welt zu bewegen. 
Doch was sich ähnlich ist, das fand sich 
und bleibt einander ewiglich.

Bettina Zarneckow

Sanfte Lethe

Schutzgott der Liebe, der in mir waltet, 
und deine Flanke dir offen ließ.
Ich kann ihn nicht verraten. 
Doch du hast's längst getan,
ihn schweigend begraben, das Schicksal gebogen. 
Gib mir vom Wasser der Lethe zu trinken.
Ich will vergessen - Kümmernis, doch Liebe auch.
Verbluten wird aller Schmerz 
und alles Sehnen wird ein Ende haben. 
Wie einst - als Fremde - will ich erneut dich finden 
und ahnen von dem was war.
Unsere Stimmen vernehmen ihren Klang, wie aus ferner Zeit. 
Wie die Seelen, ähnlich gefärbt, 
wird der Geist staunend sich selbst im anderen erkennen.

Verwehtes trägt vertrauten Glanz.

Bettina Zarneckow

Frühlingsgruß aus Lebus

Ein wenig mehr als 2 Jahre besteht nun unser Blog.

Wieder einmal ist es uns gelungen zusammenzukommen. Diesmal in Lebus. Gesprächsthema war natürlich der Krieg in der Ukraine. Wir waren einhellig der Meinung, dass es nur zu Waffenlieferungen kommen sollte, wenn gleichzeitig Gespräche zur Verständigung stattfinden. Die Beiträge dazu habe ich in der neuen Kategorie „Der Krieg in der Ukraine“ zusammengefasst. Auch das Beiseiteschieben der russischen Kultur und damit verbundene Entlassungen und Konzertabsagen lehnten wir ab.

Der Deutschlandfunk veröffentlichte Folgendes dazu:

Der Osteuropa-Historiker Wolfgang Eichwede spricht sich dafür aus, die kulturellen Verbindungen nach Russland nicht alle abzubrechen. Dass derzeit im Kulturaustausch mit Russland viel verloren gehe, liege nicht primär an der westlichen Seite, die Veranstaltungen absage. ‚Es ist zunächst mal eine Reaktion auf den schrecklichen, in keiner Weise zu verantwortenden Krieg‘, so Eichwede. ‚Die Verantwortung für diesen Krieg trägt das Putinsche Russland.‘ Allerdings sei in der westlichen Reaktion manche ‚Unbeholfenheit‘ enthalten, weil aus dem Entsetzen über den Krieg alles Russische damit verbunden werde. ‚Das sollten wir nicht machen‘, sagt der Historiker.“

Zum Mittagessen kehrten wir in das gut besuchte Lebuser Restaurant „Oderblick“ ein. Ein Ausflug in das Oderbruch im April wäre nicht vollkommen, wenn man nicht einen Spaziergang zu den Adonishängen z.B. in Mallnow machen würde. Leider hielten aufgrund der feucht-kühlen Witterung die Röschen ihre Blüten bis auf wenige Ausnahmen geschlossen. Aber zu wandern in historischem Gelände, wo 1945 deutsche Soldaten in Schützengräben lagen, auf die Russen warteten und nun Blumen blühen, die aus Tränen der Liebe entstanden sind, ist schon ein kleines Ereignis und macht nachdenklich und optimistisch zugleich.

Auf der Internetseite von Mallnow findet sich folgender Eintrag zum Adonisröschen:

Eifersüchtig beobachtete Göttervater Zeus das lustwandelnde Liebespaar der Antike Adonis und Aphrodite. Gar zu gerne wäre er selbst an Adonis Stelle. Doch Aphrodite schenkte ihm keine Beachtung. Verärgert und rachsüchtig sann er darüber nach, wie es ihm gelingen könnte, die Aufmerksamkeit und Zuneigung der schönen Aphrodite zu erlangen und seinen Gelüsten Geltung zu verschaffen. Deshalb verwandelte er sich eines Tages in die Gestalt eines Ebers und verletzte Adonis bei der Jagd so stark, dass dieser verstarb. Doch die Rechnung ging nicht auf. Statt sich dem werbenden Zeus zuzuwenden, lief Aphrodite fortan wehklagend und weinend umher und erregte somit das Mitleid des Göttervaters. Mit schlechtem Gewissen verhandelte dieser jetzt mit Hades, dem Gott der Unterwelt, um Aphrodites Kummer zu beenden. Adonis durfte wieder auf die Erde zurückkehren und zwar jedes Jahr im Frühling in Gestalt des Adonisröschens. Andere erzählen, dass aus jeder Träne der Aphrodite ein gelbes Adonisröschen (daher auch die Bezeichnung „Träne der Aphrodite“) und aus den Blutstropfen des verletzten Adonis ein rotes Adonisröschen entstanden sei. Übrigens wird das rote Adonisröschen auch „Teufelsauge“ genannt, weil das Teuflische des Zeus das Liebespaar auf ewig zu trennen vermochte.

Bis in den späten Abend saßen wir dann beschwingt zusammen. Namen aktueller Politiker und auch große Denker und Dichter wie Martin Heidegger, Hans-Georg Gadamer, Friedrich Hölderlin und Rainer Maria Rilke schwirrten beinahe lebendig durch unser Wohnzimmer. Bis hin zu Gottfried Benn, dessen Gedicht ‚Dennoch die Schwerter halten‘ uns Rolf frei vortrug. Zu später Stunde beschlossen wir beim Auseinandergehen schon ein nächstes Treffen.

Was für mich daraus folgte: Zufällig las ich im Spielplan des Kleist Forums Frankfurt für den 24.04.2022: Dominique Horwitz liest Novellen des russischen Schriftstellers Iwan Bunin. Eine konzertante Lesung begleitet vom Jourist Quartett. Würde die Veranstaltung angesichts andernorts schon praktizierter Pöbeleien stattfinden? Ja, sie fand vor einem aufmerksamen und wohlgestimmten Publikum statt. Reinhart und ich waren mitgerissen. Reinhart von der russischen Musik, dem leicht Melancholischen, aber dann doch zur Fröhlichkeit Ansteigendem darin. Ich von der Musik und dem Inhalt gleichermaßen unter der Überschrift: „Liebe und andere Unglücksfälle“

Bettina Zarneckow

Halt fest, was dich bewegt


Wie will man Sinnliches bewahren,
das Weltliche der Welt?
Den Schmerz, die Trauer, den Verdruss 
und manchen tränenreichen Kuss?
Die Liebe reich doch unerfüllt, 
die Sehnsucht stark und unverhüllt?
Das Glück, die Freude, Fröhlichkeit, 
die trunkene Glückseligkeit?
Erlebtes schwebt im Rauch dahin,
nur Asche ist's was bleibt. 
Verbrannt wird alle Weltlichkeit.
Ihr Zunder ist die Zeit. 
Die Kunst, aus diesem letzten Staub 
die Lohe neu zu zünden, 
kann mit der Fügung Wort an Wort
des Dichters Werk begründen. 
So wird entflammen, was verloren, 
zum Quell von Sinnlichkeit. 
Das Wort, es spricht in Welt und Zeit 
und mit ihm Unvergänglichkeit.

Bettina Zarneckow

Görlitz und die besondere Kraft von Sinnbildern

Bettina Zarneckow

Ein offener Brief

Lieber Christoph,

nach unserem Konzertbesuch in Görlitz und der unerwartet eindrücklichen Stadtführung am nächsten Tag durch Frau Kempgen, ja den drei wunderschönen Tagen mit Ingelore und Dir, möchte ich zurückblicken.

Als ich die letzten Schritte mit Frau Kempgen allein zum Auto ging, wollte ich ihr unbedingt sagen, was mich am meisten an diesem Tag beeindruckt, was sie uns so lebendig und anschaulich nahegebracht hat, dass es mir bis heute nachgeht. Es waren die Symbole, die uns so zahlreich begegneten. Nicht so sehr wegen der schönen Darstellung, nein gerade wegen ihrer tiefsinnigen, zu Herzen gehenden Bedeutung. Das Sinnliche und Unsinnliche offenbarte sich gleichzeitig.

Allen voran natürlich das Heilige Grab. Eine verkleinerte Kopie des Jerusalemer Originals, das in seiner Gesamtheit die Passionsgeschichte darstellt. Vom Garten Gethsemane, über die Grabkapelle bis zum Ölberg. Alles selbst Symbole und mit Symbolen versehen, deren Bedeutung wir durch den unfassbaren Wissensschatz von Frau Kempgen erfahren konnten. https://de.wikipedia.org/wiki/Heiliges_Grab_(G%C3%B6rlitz)

Grabkapelle – Heiliges Grab
Adamskapelle – Heiliges Grab
Nikolaifriedhof Görlitz

Symbole – fast jedes erdenkliche Objekt kann zu einem werden, insofern es über sich hinaus auf etwas anderes verweist. Kaum ein Lebensbereich, in dem Symbole keine Rolle spielen. Ein Kennen, Erkennen und Einordnen von Symbolen schärft den Blick für die Gegenwart und ist wichtig für das Verständnis vergangener Wirklichkeit.

Selbst der Straßenverkehr wird mit ihrer Hilfe geregelt, Hierarchien werden so geordnet, oder weltanschauliche Überzeugungen zum Ausdruck gebracht.

Einige Beispiele: Das Kreuz als Symbol der Christen,

Kneifelspitze Berchtesgadener Alpen

der Regenbogen mit seinen Farben als Symbol für den Bund Gottes mit den Menschen, der Paradiesapfel als Reiz des Verbotenen, das Herz als Zeichen der Liebe, zwei Ringe als Zeichen, dass zwei Menschen zusammengehören, eine weiße Taube als Friedenssymbol, die Krone vor allem als Symbol für Macht, der Union Jack des Vereinigten Königreichs Großbritannien, Bulle und Bär als Zeichen der Börse und ein rotes „A“ mit Arzneikelch und Schlange – Symbol der Apotheken.

Sicher kann jeder auf Anhieb ein für ihn wichtiges Symbol nennen. Ich denke an das heute überlebenswichtige Symbol für Wireless Local Area Network, kurz WLAN, das eine drahtlose Verbindung zum Internet herstellt.

Statuen sind Symbole unserer Geschichte, die wir nicht durch ihre Beseitigung verdrängen dürfen.

Und Worte? Worte können auch Symbole sein und machen einen lyrischen Text zu dem, was er ist, besser noch, was er für jemanden sein kann. Kleist formulierte einst an Goethe: „…auf den Knien meines Herzens…“ Hölderlins Hyperion ist durchzogen von hinreißender romantischer Symbolik: „Des Herzens Woge schäumte nicht so schön empor und würde Geist, wenn nicht der alte stumme Fels, das Schicksal ihr entgegenstände.“

Für Dich als Theologen ist es nicht wie für mich eine Entdeckung, dass der Begriff Symbol aus dem Griechischen kommt und von dem Wort „symbolon“ stammt, was übersetzt das Zusammengefügte oder das Sinnbild bedeutet. Im alten Griechenland galt in der ursprünglichen Bedeutung eine Erinnerungsscherbe als Symbol. Sie war ein Erkennungszeichen, der Pass der Antike. Verließ ein Gast das Haus, so wurde eine Scherbe zerbrochen und er bekam eine Hälfte mit. Die andere behielt der Gastgeber. Kam ein Nachkomme des Gastes Jahre später wieder, so wurden die beiden passenden Teile zur Wiedererkennung zu einem Ganzen zusammengefügt.

Die Verbindung zu Platons Gastmahl mit der Geschichte über die Kugelmenschen liegt nahe. Ich habe sie hier im Blog schon einmal erwähnt. Zeus hatte die Kugelmenschen wegen ihres Übermutes geteilt. Fortan suchten sie nach ihrer passenden Hälfte, strebten also wieder nach Vollständigkeit. In seinem Buch ‚Die Aktualität des Schönen‘ schreibt Hans-Georg Gadamer zum Gastmahl: „Das ist das Symbol – der Mensch, dass jeder Mensch gleichsam ein Bruchstück ist; und das ist die Liebe, dass sich die Erwartung, etwas sei das zum Heilen ergänzende Bruchstück, in der Begegnung erfüllt.“ Ist das nicht eine wunderbare Vorstellung und erklärt so begreiflich die Sehnsucht? Das Symbolische meint also, dass sich Einzelnes und Besonderes im Leben als Bruchstück des Seins darstellt. Dieses verheißt Ergänzung und Heilung zur Vollständigkeit eines ihm Entsprechenden. Gadamer: „Es ist das immer gesuchte Bruchstück zum Lebensfragment.“

Hans-Georg Gadamer (1900-2002) – Bildschirmfoto BR alpha

Gadamer spannt den Bogen des Symbolischen weiter zur Kunst und dem, was uns in ihr begegnet. „Nicht das Besondere begegnet uns, sondern der universelle Zusammenhang aller Dinge und wird zur Erfahrung. Die Stellung des Menschen in der Welt, seine Endlichkeit gegenüber der Transzendenz.“

Im Betrachten eines Kunstwerkes also, im Hören eines Musikstückes, beim Lesen eines Gedichtes, im Erkennen eines Symbols erfahren wir Bruchstücke, die helfen können, uns vollkommener zu fühlen? Hat das unser gemeinsamer Freund Augustin, den Du einmal so nanntest, vielleicht gemeint als er sagte: ‚Ein Kunstgenuss ordnet die Seele‘?

Augustin

Und in der Tat kann es einem so gehen. Wenn ich Musik in einem Konzert gehört, eine Bilderausstellung angesehen oder die künstlerischen Arbeiten und Skulpturen in einer Kirche betrachtet habe, in denen ich erkennen konnte, verspüre ich immer wieder ein besonderes Gefühl und beginne, mir so manche Frage zu stellen.

Albrecht Wuitz

Aber zurück zu unserem Besuch in Görlitz. In der Pfarrkirche St. Peter und Paul erklärte uns Frau Kempgen ein Symbol des Glaubens, das mich sehr angerührt hat. Es hat mich erst dazu gebracht, über Symbole im Allgemeinen nachzudenken. An der Umgrenzung eines Taufbeckens befindet sich eine Knospe, die kunstvoll aus Metall gearbeitet als Teil einer Rankepflanze wuchs. Am Altar sahen wir wieder die gleiche Ranke, die Knospe war zur Blüte aufgegangen: Vor dem Altar stehen Täuflinge nun zur Konfirmation.

Ich weiß nicht wie es Dir geht, aber ich mag sehr gern Dinge als Erinnerungsstücke. Ein Symbol, dessen Anschauung und Berührung mir ein inniges Gefühl vermitteln. Ein Erkennen und Vergegenwärtigen dessen, was mir in diesem Moment fehlt. Das erste Geschenk, das ich von Reinhart bekam, war ein Miniaturhase aus Ton, den ich oft bei mir trug. Von mir bekam er einen Briefbeschwerer in Form eines Herzens, der heute noch auf seinem Schreibtisch im Büro liegt. Einem Freund schnitzte ich einst eine Holzkugel, die in seine Hand passte. Ein Erinnerungsstück von mir als Halt in weniger schönen Stunden. Für mich strömen Symbole eine besondere Kraft aus und seit dem ich mich mit ihnen beschäftigt habe, weiß ich ein wenig mehr warum.

„Ein Symbol ist Bedeutung und Anschauung zugleich. Bedeutung erhält es durch seine Einsetzung oder Stiftung. Es vertritt etwas, was nicht anwesend ist und macht es gegenwärtig.“ H.- G. Gadamer

Bitte grüß Ingelore und sei auch Du herzlich gegrüßt von Bettina