Erneutes Nachdenken über Wirtschaftskriege

Nils Ole Oermann und Hans-Jürgen Wolff haben eine erweiterte und aktualisierte Neuausgabe ihrer Studie über Geschichte und Gegenwart von Wirtschaftskriegen veröffentlicht. Meine Erlebnisse bei der Lektüre der ersten Ausgabe aus dem Jahr 2019 habe ich hier im September 2021 geschildert. Nun will ich gerne auch Anteil geben an meinen Eindrücken beim Lesen des neuen Buches.

Die deutsche Fassung ist nach einer englischen vom Sommer 2022 offenbar zum Jahreswechsel 2022 / 2023 fertig gestellt und gewiss nicht zuletzt durch die aktuellen Ereignisse seit dem 24. Februar 2022 veranlasst worden. Das Buch hat über 100 Seiten dazu gewonnen, aus der Gliederung in 5 Kapitel sind jetzt 10 geworden. Die gute Lesbarkeit und die Zielstrebigkeit von Gedankenführung und Argumentation haben dadurch vielleicht ein wenig an Kraft verloren. An der Grundkonzeption haben die beiden Autoren jedoch nichts verändert. Meine frühere Würdigung wie auch meine Fragen behalten also ihre Gültigkeit, jedenfalls aus meiner Sicht.

Krieg, Handel und Piraterie, Dreieinig sind sie, nicht zu trennen.

Auch das schöne Zitat aus Goethes Faust wurde übernommen: „Krieg, Handel und Piraterie, Dreieinig sind sie, nicht zu trennen“ (S. 15). Allerdings muss ich ein wenig darüber grübeln, warum die sehr einleuchtende Anwendung dieses Leitmotivs aus der ersten Ausgabe nicht Eingang in die Überarbeitung gefunden hat: „Leider lässt sich tatsächlich ein großer Teil der Weltgeschichte als zeitlich und sachlich enger Zusammenhang von Krieg, Handel und Piraterie erzählen und erklären.“ (dort S. 10)

Vielleicht verbietet sich diese Sicht der Dinge für die Autoren, weil für sie seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine eine grundsätzlich veränderte Beurteilung der Wirklichkeit unumgänglich geworden ist: „Der unüberbrückbare Gegensatz zwischen Demokratien und Autokratien wird besser verstanden, die Zerbrechlichkeit vieler Produktions- und Lieferketten kommt zu Bewusstsein, und die Sensibilität für eigene Abhängigkeiten von nichtbefreundeten Mächten wächst. … Die westlichen Demokratien sehen ihre systemischen Rivalen und die Globalisierung mit anderen Augen. Ob sie aus dem so Erkannten auch die richtigen Schlüsse ziehen, bleibt abzuwarten.“ (S. 14) Ich will an dieser Stelle nicht verhehlen, dass nach meiner Überzeugung aus einem Welt- und Wirklichkeitsbild, das in „unüberbrückbaren“, also – wie es die zum Glück doch eigentlich überwundene Propagandasprache der marxistisch-leninistische Geschichtspolitik genannt hätte – „antagonistischen“ Gegensätzen denkt, selten die richtigen Schlüsse gezogen werden können. Immer gibt es neben Schwarz und Weiß die vielen Nuancen des Grau.

Meine Lektüre der Neuausgabe des Buches war geleitet von der Frage, ob es zu neuen Erkenntnissen helfen würde, die für eine Urteilsbildung über den Ukraine-Konflikt von Belang sein könnten. An verschiedenen Stellen wird der Werdegang des Konfliktes referiert, etwa im Abschnitt „Der Wirtschaftskrieg des Westens mit Russland“ (S. 56 ff.) Ich will das hier gar nicht kommentieren. Eine differenziertere Schilderung, die auch die russische Sicht und Wahrnehmung der Entwicklungen seit 2001 einbezieht, wäre aus meiner Sicht wünschenswert. Sie wird aber sicher erst mit größerem zeitlichem Abstand möglich sein. Einige Überlegungen dazu sind in meiner früheren Besprechung des Buches zu lesen.

Gegenwärtig stellt sich für die beiden Autoren vorrangig die Frage, ob die nach dem offensichtlichen Bruch des Völkerrechts durch den russischen Angriffskrieg seit dem 24.2.22 vom Westen eingeleiten Sanktionsmaßnahmen gerechtfertigt sind und Erfolg versprechen. Dazu lesen wir die eindeutige Antwort: „Die ergriffenen Wirtschaftssanktionen richten in Russland massiven Schaden an, sie sind für die Erreichung der westlichen Wirtschaftskriegsziele wirksam und steigern die Aussicht darauf, dass Moskau von seiner Aggression ablässt, und sie waren und sind trotz erheblicher Kosten die beste verfügbare Option.“ (S. 164)

Allerdings wird auch nicht verschwiegen: „Die westliche Koalition hat die Ziele ihres Wirtschaftskrieges gegen Russland nicht abschließend definiert. … Die ukrainischen Bedingungen könnten zum Beispiel der Rückzug der russischen Truppen weit hinter die eigene Staatsgrenze, Sicherheitsgarantien, Schadenersatz, Reparationen und die Bestrafung russischer Kriegsverbrecher einschließen. Bis zum Erreichen dieser Ziele könnten also westliche Wirtschaftskriegsmaßnahmen ganz oder teilweise fortgesetzt werden. Außerdem erscheint auf unabsehbare Zeit, die sich vermutlich eher nach Jahrzehnten bemisst, die strukturelle wirtschaftliche und technologische Schwächung Russlands geboten, solange sich dort kein durchgreifender Wandel vollzieht.“ (S. 154 f.)

Im abschließenden Teil des Buches unter der Frage „Was tun?“ wird dieser Gedanke aufgenommen und als eigene Empfehlung der beiden Autoren konkretisiert: „Russland muss nun zunächst und möglichst für immer beigebracht werden, dass es seine Lage durch militärische Gewaltanwendung nur verschlimmern kann. Danach mag es wieder zum Handelspartner und Rohstofflieferanten des Westens werden. Allerdings wird sich das geschwächte Russland in Zukunft wirtschaftlich wohl vor allem nach Asien orientieren, und man wird es dort vermutlich entsprechend einhegen, um den internationalen Frieden zu schützen. Es läge allerdings nicht im westlichen Interesse, sollte China in Russlands Fernem Osten unternehmerisch vordringen und darüber hinaus die gesamtrussische Infrastruktur instand halten und managen, denn das brächte Peking noch näher vor EU-Europas Tür. Russland soll sich China gegenüber behaupten können. Auch darum wird nach dem Ende des Ukrainekrieges ein gewisses Maß an westlicher Zusammenarbeit mit Russland nötig sein.“ (S. 281)

In diesen Sätzen wird ein dreifaches Problem deutlich. Zum einen verlassen die Autoren das Genus einer differenzierten wissenschaftlichen Analyse mit den Werkzeugen des Historikers und des Wirtschaftsethikers und öffnen sich einer politischen Programmatik. Wahrscheinlich ist dieser Wechsel in der bedrängenden aktuellen Situation unumgänglich. Wäre darauf verzichtet worden, hätte dies ebenso zu kritischen Nachfragen geführt. Aber klug beraten sind wir, wenn wir uns nüchtern den Vorbehalt vor Augen führen, dass für viele Überlegungen die Zeit noch nicht reif ist.

Zum anderen wird hier aber auch ein westliches Denken deutlich, das nun selbst nicht unwesentlich zum Konflikt beigetragen hat. Als ich die zitierten Sätze las, dachte ich: Um Himmels willen, hoffentlich liest das keiner in Moskau. Denn es ist auf russischer Seite ja genau dieses propagandistisch ausgenutzte, aber eben wie man sieht nicht völlig unbegründete Gefühl, das mit zu dem gegenwärtigen Desaster geführt hat: Der Westen will uns zähmen und schwächen und uns allenfalls gönnerhaft und widerwillig als Rohstofflieferanten akzeptieren. Und leider ist dieses Denken ja keineswegs erst seit dem 24.2.22 bestimmend.

Dafür gibt es viele, an anderen Stellen genügend aufgeführte Beispiele, ich komme später auf zwei von ihnen darauf zurück. Hier will ich nur noch einmal an die gelinde gesagt halbherzigen Bemühungen des Westens erinnern, zur Umsetzung der Minsker Friedensabkommen beizutragen, die ja keineswegs nur an Moskau gescheitert ist. Wohl eher im Gegenteil. Nebenbei: auch Minsk I und II waren geltendes Völkerrecht, das gebrochen worden ist. Und es hat in der ganzen Zeit bis zum Kriegsausbruch auch in Kiew andere politische Kräfte und Bewegungen gegeben, die einen Interessenausgleich mit dem russischen Nachbarn eher näher gerückt hätten als die Politik der Regierung, die von vornherein immer nur auf die Zusage der militärischen Unterstützung der NATO vertraut hat und auf die sich selbst erfüllenden Prophezeiungen der amerikanischen und britischen Geheimdienste. Mich hat immer irritiert, dass diese anderen Stimmen aus Kiew in unseren Medien nie zu hören waren.

Und drittens: Nachdenklich im Blick auf die Positionierung des Westens stimmt mich in der zitierten Passage die Sorge, entgegen dem westlichen Interesse käme am Ende eine ungewollte Stärkung Chinas heraus. Es wäre ja tatsächlich nicht das erste Mal, dass das Fehlen einer von wirklicher Staatskunst und von historischer Bildung getragenen Politik zu Ergebnissen führt, die schlimmer sind als der ursprünglich bekämpfte Zustand – genügend Beispiele dafür stehen uns beklemmend und ernüchternd vor Augen. Und – wieder nebenbei zu den Risiken und Nebenwirkungen: Ob Polen wirklich auf Dauer glücklich bei der Vorstellung ist, dass nach einer nachhaltigen Schwächung Russlands nun ausgerechnet die Ukraine die neue Supermacht im östlichen Mitteleuropa wird, erscheint mir doch eher fraglich. Oder gibt es womöglich ein Interesse daran, ähnlich wie in Versailles 1919 eine Nachkriegsordnung zu errichten, die den Keim neuer Kriege schon in sich trägt?

Aber noch einmal zurück zu unserem Buch. Mit geschärftem Blick und – ich will es gleich vorweg nehmen – mit dem größten Erkenntnisgewinn habe ich jetzt noch einmal den Abschnitt über „Die Zusammenhänge von Wirtschaftsbeziehungen und Kriegsursachen“ gelesen, der im wesentlichen, nur unter einer neuen Überschrift aus der ersten Ausgabe übernommen wurde. Geschärft war mein Blick durch die Frage, ob der russische Angriff auf die Ukraine auch durch eine verfehlte Handels- und Wirtschaftspolitik des Westens begünstigt worden ist, mit anderen Worten, ob das Programm „Wandel durch Handel“ gescheitert oder am Ende von vornherein verfehlt gewesen ist. Viele Anklagen und Schuldbekenntnisse vor allem deutscher Politiker weisen in diese Richtung, ich konnte sie bisher immer nur mit Schulterzucken zur Kenntnis nehmen. Aber wie steht es nun wirklich um Wirtschaftsbeziehungen und Kriegsursachen?

Ich will zur Antwort auf diese Frage einen längeren Abschnitt aus dem Buch zitieren, in dem die Autoren eine Studie über Großmachtkonflikte von Dale Copeland aus dem Jahr 2015 referieren, „die dem Zusammenhang von wirtschaftlicher Interdependenz und militärischen Auseinandersetzungen nachgeht“ (S. 165). Wiedergegeben werden die Ergebnisse der Untersuchungen von Copeland über Kriegsursachen in der Vergangenheit. Wir können beim Lesen aber immer wieder an Russland, die Ukraine und den Westen in der Gegenwart denken:

„Ausschlaggebend für den Entschluss zum Konflikt sei nicht der Einfluss wirtschaftlicher Interessengruppen gewesen, sondern die Sorge der politischen Führer um die nationale Sicherheit. Für das Verständnis dieser Sorge kommt es entscheidend darauf an zu verstehen, dass wirtschaftliche Interdependenz eben immer auch Dependenz bedeute, das heißt die Abhängigkeit von weiterhin günstigen Handels- und Investitionsbedingungen und dem Zugang zu Rohstoffen. … Der Friede bleibe solange erhalten, wie die jeweils schwächere Macht die Hoffnung darauf behalte, dass sich das Handels- und Investitionsklima verbessern werde. Bei diesbezüglichem Optimismus stünden die Opportunitätskosten eines Krieges im Vordergrund, die durch Friedfertigkeit vermieden werden können; bei Pessimismus hingegen setzten sich die Sorgen über die Anpassungskosten der verschlechterten Wirtschaftsbeziehungen durch und trieben zum Krieg. Auf das aktuelle Niveau des Handelsaustauschs komme es nicht entscheidend an. Zusätzlich gebe es ein Handel-Sicherheits-Dilemma. Es beruhe im Kern auf unvollständiger Information und der daraus folgenden Ungewissheit über den Charakter, die Verlässlichkeit und die Absichten anderer Staaten, vor allem anderer Großmächte. Demokratien seien imstande, sich genauso aggressiv zu verhalten wie autoritäre Staaten… Und wenn ein Konkurrent allzu aggressiv seinen Handelserfolg auch militärisch schütze und sichere, dann drohe sich rasch eine Abwärtsspirale zu entwickeln: Es werde ihm friedliche Eindämmung entgegengesetzt, die ihrerseits oft militärisch flankiert werde, was wiederum den Adressaten der Eindämmung in seiner Aggressivität bestätige und bestärke („Sie wollen uns niederhalten“), und die Prognosen wie auch die Lage würden immer düsterer. Darum seien militärische und wirtschaftliche Großmächte gut beraten, als eigene Charaktereigenschaften Vernünftigkeit und Mäßigkeit zu kommunizieren, und darum seien Institutionen nützlich, die positive Erwartungen zu stabilisieren helfen. Zu alledem komme schließlich die Gefahr hinzu, dass exogene Faktoren wie etwa die Kapriolen kleinerer Mächte oder ein allzu rasches Wachstum des Schwächeren ein durch das Handels-Sicherheits-Dilemma angespanntes Großmachtverhältnis destabilisieren können.“ (S. 156 f.)

Soweit die Wiedergabe der Copeland-Studie durch die beiden Autoren unseres Buches. Ich habe sie hier so ausführlich zitiert, weil sie aus meiner Sicht eine vorzügliche Beschreibung unserer aktuellen Lage bietet, ihrer Ursachen und möglichen Auswege. Sicher, die Parallelen zur Gegenwart müssen eine wechselnde Rollenverteilung zwischen Stärkeren und Schwächeren berücksichtigen. Im Verhältnis zu den Nachbarn ist Russland der Stärkere, im Verhältnis zum Westen ist es oder fühlt sich zumindest als der Schwächere.

Vor allem aber lernen wir: es gibt keinen Grund dafür, das Bemühen um eine enge wirtschaftliche Verflechtung des Westens mit Russland zu verdächtigen. Die Ursache für das Scheitern dieser Politik ist vielmehr das tatenlose Zusehen – wenn nicht die bewusste Forcierung – einer sich beschleunigenden Abwärtspirale durch eine Eindämmungsstrategie des Westens gegenüber Russland und deren zunehmende militärische Flankierung. Wir erinnern uns an den Aufbau eines Abwehrschirms in Polen zur Abwehr iranischer Raketen (!), dessen Planung frühzeitig begann. Alle Warnungen besonnener Politiker sind leider in den Wind geschlagen worden. Und auch die traurige Geschichte um die Pipeline Nord Stream 2 ist ein Beispiel dafür. Man muss sich ja nur ein wenig vor Augen führen, wie das Hin und Her auf der russischen Seite angekommen ist, von vielen Vorgeschichten schon bei Nord Stream 1 und den Dauerkonflikten um den Gas- und Öltransit aus Russland nach Westeuropa, vom ökonomischen und geopolitischen Interesse der USA und von manchen „Kapriolen kleinerer Mächte“ gar nicht zu reden. Copelands Beschreibungen finden hier eine treffende Illustration.

Umso dringlicher wird der Rat an alle Beteiligten und eben auch an den Westen, Vernünftigkeit und Mäßigkeit zur bestimmenden Maxime politischer Entscheidungen werden zu lassen, auch und gerade jetzt wenn es darum geht, wie wir aus dem Desaster herausfinden! Denn, so schließen Oermann und Wolff ihre Wiedergabe der Copeland-Studie: „Angesichts dieses Befundes drängt sich die Frage auf: Was haben wir zu erwarten? Wirtschaftskriege auch mit anderen Staaten als Russland, oder noch Schlimmeres?“ (S. 167)

Je länger ich beim Lesen des Buches über den Krieg des Westens gegen Russland nachdenke, um so mehr festigt sich auch für mich die Überzeugung, dass der Ukrainekrieg nur Verlierer haben wird und weder militärisch noch durch eine exzessive Sanktionspolitik zu gewinnen ist. Sehr zu Recht wird wohl aus diesem Grund von deutscher Seite das Kriegsziel nur negativ beschrieben: Russland darf nicht gewinnen, die Ukraine darf nicht verlieren. Positiv formulierte Aussagen verbieten sich offenbar.

Dem Bruch des Völkerrechts muss widerstanden werden wo immer (!) er geschieht, gewiss auch militärisch und mit Sanktionen – gewiss aber nicht mit einer Ausmerzung der ganzen russischen Kultur aus der europäischen Landschaft und einer dauerhaften Herabstufung dieses reichen Landes als gehorsamen Rohstofflieferanten. Alle Energie und alle Staatskunst müssen vielmehr stets auch und vor allem darauf gerichtet sein, die wirklichen Kriegsursachen differenziert, nüchtern und selbstkritisch zu analysieren. Im Ergebnis kann endlich ein verlässliches gesamteuropäisches Sicherheitsmodell entstehen und mit Leben erfüllt werden – Gorbatschows Gemeinsames Haus Europa! -, in dem wieder Wandel durch Handel stattfinden kann, in dem in gleicher Weise imperialistische Verirrungen wie auch nationalistische „Kapriolen“ eingedämmt werden durch „Vernünftigkeit und Mäßigkeit“ (alle drei Stichworte gefallen mir immer besser!), in dem außereuropäische Mächte und Interessen zum gegenseitigen Vorteil einbezogen werden unter der Bedingung ihres Verzichts auf alle hegemonialen Ambitionen oder durch deren beherzte Abwehr. Mit einem Wort ein Zustand, in dem der uns in West und Ost anvertraute ökonomische und kulturelle Reichtum aus der Geschichte und der Gegenwart unseres Kontinents auch seine Zukunft prägen kann.

Zum Schluss aber: ein herzlicher Dank an Nils Oermann und Hans-Jürgen Wolff für ihr lehr- und hilfreiches, an vielen Stellen klärendes Buch! Ich hoffe, dass ich hier Lust auf eine eigene Lektüre machen konnte.

Christoph Ehricht

Deutschland ist noch lange nicht am Ar***

Ein Beitrag zum Tag der deutschen Einheit

Am 26.9.22 wurden von den Dänen und Schweden drei und am 29.9. dann noch ein weiteres Leck an den Pipelines NordStream 1 und 2 aufgrund planmäßiger Zerstörung festgestellt.

Was geschah noch? Am 21.9. hatte der russische Präsident die Teilmobilmachung für 300.000 Reservisten angeordnet. Am 22./23.9. begannen in Teilen der von Russland besetzten Ostukraine Abstimmungen, die am 30.9. zu ihrer Inbesitznahme durch Russland führten.

Aus der Reihenfolge der Ereignisse (21.9.,22.9.,26.9.,29.9.,30.9.) werden Experten aus Ost und West Geschichten spinnen. Und wenn in 500 Jahren Archäologen nur diese Zahlen zur Verfügung haben, werden sie einen Zusammenhang konstruieren.

Wobei der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes Dr. August Hanning schon jetzt der Überzeugung ist, dass die Hintermänner des Angriffes auf die Pipelines herauskommen werden.

Deshalb begnüge ich mich mit der Wiedergabe der Äußerung eines Experten und überlasse es meinem Leser, selbst seine Schlüsse zu ziehen.

Russland wisse, dass es keine Energie mehr über die Pipelines liefern wird, weil sie von Westeuropa nicht abgenommen wird. Deshalb sei ihre Zerstörung als eine Drohung der Russen zu betrachten. Die in der Ostsee und anderswo ruhenden Pipelines wie Baltic Pipe und Kabel könnten jederzeit zerstört werden, so der Russlandexperte Nico Lange, ehemals CDU-Mitarbeiter. Ich verzichte auf die Zitierung weiterer Erklärungen, auch solche mit einem Hin und Her des angeblichen Abwägens der Argumente. Immer und ohne jede Ausnahme aber wird durch unsere Experten in den öffentlichen Medien Russland im Ausschlussverfahren als ein anzunehmender Saboteur dargestellt.

Die immer unruhiger werdenden Massen mit ihren Demonstrationen in Deutschland und Tschechien kommen in den Argumentationsketten nicht vor. Ich übernehme die Rolle des advokatus diaboli.

Mich interessiert, wie Deutschland reagieren wird.

Nicht nur Russland als Exporteur, sondern auch Deutschlands Energieversorgung wurde angegriffen. Deutschland wird als Industriestandort zugrunde gehen, wenn Gas und Strom nicht mehr bezahlbar sind.

Andere Staaten mit billigerer Energie werden aufblühen. Warum eigentlich nicht? Gibt es jemanden, der in Deutschland mit seiner irrenden und wirrenden Außenministerin so denkt?

Denken Teile der Bundesregierung so?

Ich wage mutig ein dickes Nein.

Der Niedergang Deutschlands und damit dann wohl auch von Westeuropa, wie wir es kennen und lieben, muss nicht sein.

Die erste Reaktion der Bundesregierung, ungerührt von dem Angriff auf die Pipelines, die Verteidigungsministerin Lamprecht nach Odessa zu schicken, durch Schützengräben kriechen zu lassen und als Mitbringsel dem ukrainischen Verteidigungsminister das Luftabwehrsystem Iris-TSLM zu versprechen, widerspricht nicht nur dem Recht der Deutschen auf Verteidigung durch die Bundeswehr.

Es geht nicht nur darum, dass die Bundeswehr dann das Luftabwehrsystem im Gegensatz zur Ukraine nicht besitzt. Ein Abwehrsystem, das in der Lage ist, eine Großstadt über eine Weite von 40 km komplett gegen Raketenangriffe der angeblich immer aggressiver werdenden Russen zu verteidigen. Vielmehr muss die Botschaft an den (noch) unbekannten Saboteur, der wem auch immer helfen will, eindeutig sein. Absage des Besuches der Verteidigungsministerin und das Verbleiben des Luftabwehrsystems in Deutschland wäre ein erster Schritt gewesen.

Die Botschaft an alle Staaten, die als Saboteure in Frage kommen, darf darüber hinaus nur sein:

Wer Deutschlands sensible Infrastruktur, die Option der Lieferung von Energie aus Russland, gefährdet, muss mit Reaktionen der Deutschen rechnen. Die Deutschen werden erstmal alles herunterfahren oder gar stoppen, um Zeit zur Prüfung und Besinnung zu gewinnen. Und sie werden es in Kauf nehmen, dass sich daraus für Russland ein Vorteil ergeben könnte. Übrigens hätte Präsident Selenskij dann einen wahren Grund zur Klage.

Und damit würde Deutschland etwas beginnen, was schon längst hätte geschehen müssen.

In dem von Boykotts und Sanktionen der EU-Staaten begleiteten Waffenkrieg kann es nicht richtig sein, dass Einige mit ihrer Wirtschaft Riesengewinne (Habeck) erzielen und ihre Verbündeten am langen Arm verhungern lassen. Voller Heuchelei – und „das Verhungern“ so verteidigend – klagen zudem einige EU-Staaten und die Ukraine die Ostpolitik der Deutschen an. Sie habe wesentlich zum Ausbruch des Krieges beigetragen.

Eine Politik also, die nicht nur das deutsche Wirtschaftswunder durch den Handel mit der Sowjetunion/Russland, sondern auch die Wiedervereinigung ermöglichte, wird beklagt.

Überforderte und angeschlagene deutsche Spitzenpolitiker beantworten die vielfältigen Angriffe, nicht zuletzt die Ausladung ihres Präsidenten, mit Entschuldigungen – deutsche Appeasementpolitik. Meine Tochter empfahl die Verwendung der Formulierung „sich in den Arsch treten zu lassen“.

Hat Deutschland aus seiner Geschichte nichts gelernt, Herr Präsident? Und ist vielleicht die Sabotage der Pipelines eine Folge davon?

Die weitere Reaktion auf den Angriff auf die Pipelines kann nur sein, dass Deutschland fordert, was Deutschland sowieso zusteht: Zwischen den verbündeten Teilnehmern eines Wirtschaftskrieges ist ein Ausgleich des Schadens vorzunehmen. Bei Sanktionen entsteht regelmäßig für beide Seiten und nicht nur für den Gegner ein Schaden. So auch Daniela Sarau in „Die aktuellen Wirtschaftskriege der EU“, Januar 2015.

Deutschland zahlt gegenwärtig für seine Energie 40,8 %, für Lebensmittel 11,8 % mehr als 2021. Problem: die USA zahlen bei der Energie wesentlich weniger. Bei einer derzeitigen Inflationsrate von 10,9 % bedeutet dies alles nicht nur die Verlagerung von Betrieben nach Übersee (zur billigen Energie) oder ihre keinesfalls vorübergehende Schließung (Habeck) in Deutschland, sondern auch die von Frau Baerbock visionär schon vor einigen Monaten angekündigten Unruhen.

Wenn es nicht gelingt, die Gewinner unter den Verbündeten wie den USA zu einem Ausgleich zu veranlassen – z.B. zu akzeptablen Energiepreisen – sollte Deutschland seine Beteiligung am Wirtschaftskrieg massiv reduzieren und dann beenden.

Quelle: zdf.de

Ein stellvertretender Ministerpräsident namens Alexander Nowak von Russland hat schon erklärt, dass die Pipelines wieder funktionsfähig gemacht werden könnten. NordStream 1 und 2 sind zu reparieren, selbst wenn die USA die Reparaturschiffe dann sanktionieren werden – eine schöne Nagelprobe. Die USA können es sich nicht leisten, dass Deutschland und damit die EU schlapp machen. Nach der Annexion von 15% der Ukraine durch Russland – „keine Verhandlungen“ hieß es immer wieder in den letzten Monaten nicht nur durch die Ukraine – ist eine baldige Beendigung des Krieges oder wenigstens sein Einfrieren nicht abzusehen.

Und Deutschland kann und darf sich nicht zum verlorenen Haufen (enfants perdus) durch Mächte verändern lassen, die Deutschland nach dem von unseren Experten so gerne zitierten Völkerrecht nichts zu sagen haben.

Reinhart Zarneckow unter Mitwirkung von A. Zarneckow

RUSSLAND SANKTIONIEREN UND SO DIE WELTWIRTSCHAFT KAPUTT KRIEGEN – DIE NEUE BUNDESDEUTSCHE MISSION ?

Manfred Kannenberg-Rentschler

Seit 27. Februar 2022, drei Tage nach Russlands militärischer Invasion in die Ukraine, befindet sich die vor 33 Jahren um die DDR erweiterte BRD im Krieg gegen die UdSSR, im Krieg der Worte, Krieg der Boykotte und Sanktionen gegen die eine Kriegspartei, Aufrüstung und Waffenlieferungen in das Krisengebiet für die Andere in dem regionalen Konflikt.

– An diesem Tag rief der Kanzler eine neue „Zeitenwende“ aus.

„Rote Linien“ gäbe es für die Politik seiner Regierung nicht, eines seiner Lieblingsworte, das er schon im Krieg gegen das Virus Sars Cov 2 bevorzugt verwendet hat. Seither wird die Bevölkerung auf Kriegsbegeisterung, Feindseligkeit gegen das russische Nachbarvolk und angesichts der schon jetzt dramatischen Bumerangeffekte der Embargos und Sanktionen auf die eigene Wirtschaft auf bevorstehende Knappheit und Entbehrung eingeschworen – mit willfähriger Akklamation durch die propagandistisch vereinnahmte Medienlandschaft.

Die deutsche Außenministerin, höchste Diplomatin im Lande, will Russland „ruinieren“ und sorgt sich um die beginnende „Kriegsmüdigkeit“ im Lande und der Wirtschaftsminister will in Wild West Manier bei den Sanktionen gegen Russland gerne nochmal „nachladen“.

Das Wahlversprechen der Grünen – Wahlplakat Bundestagswahl

Ein gespenstisches Szenario der einseitigen moralischen Verurteilung, verstockten Verweigerung jeglicher Diplomatie und Verhandlungsbereitschaft mit einem der größten Handelspartner der BRD. Der Betrieb der in jahrelanger Arbeit erstellten Erdgaspipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee von Russland nach Rostock, die von den USA-Machthabern von Anfang an politisch torpediert, ist nun und auf deren Geheiß von der deutschen Regierung nicht genehmigt.

Menetekel an der Wand: Ihre Entscheidung kommt wie aus einer verhüllten Gefangenschaft. Wer sind die Fallensteller? Ist das willentliche oder unbedachte Zerstörung der eigenen energieabhängigen Wirtschaft? NATO, EU- Bürokratie, USA und Waffenlobby geben den Takt vor für diese beispiellose politische, kulturelle und wirtschaftliche Selbstaufgabe Bundesdeutschlands.

Und wir – die Bevölkerung, der Souverän – schauen gebannt zu und halten wie gelähmt still: Mitverursacher und Zeugen einer Art Selbstentleibung. „Der Leib, der sich aus den Weltwirtschaftsinteressen gebildet hat, bedarf der Pflege seiner Seele. Man sollte nicht warten, bis die Seele von selbst erscheint. Sie ist da; denn jeder hat eine Seele. Aber sie will mit ihrer Wesenheit auch in die Deutungsart der Menschen übergehen, um wirksam zu werden“, schrieb ein Sozialforscher 1921 am Vorabend einer großen Weltwirtschaftskrise in einer schweizerischen Wochenschrift 1.)

Der Weltwirtschaftsorganismus ist in zwei Jahrhunderten durch Tatsachen und Instinkt Wirklichkeit geworden: Alle arbeiten arbeitsteilig über die gesamte Erde hin füreinander. Faktischer Altruismus ist das, aber das Bewußtsein und die Moralität hierfür sowie die daraus resultierenden bewusst gewollten Kooperationen und assoziativ verbrieften Organe als Lebensbedingung für das Ganze hinken hinterher. Eine florierende, wertschöpfende Weltwirtschaft ist die Lebens- und Kulturgrundlage der Völkergemeinschaft und gedeiht, wenn ihr struktureller, arbeitsteiliger Altruismus bewusst gewollt und gepflegt wird. Sie ist ein hohes Gut der Menschheit. Deutschlands Politik gehört derzeit nicht zu den Vorreitern dieses geistigen Wachstums der Menschheit.- Dies wird stattdessen nun in Großmannssuchtgebärden, anachronistischen Nationalismen, ideologischen Verhärtungen torpediert.

Aus Deutschland als großem Nutznießer und Förderer des Weltwirtschaftsorganismus ist über Nacht eine zerstörerische Gefahr für ihn geworden durch einen politischen Sanktions- und Boykottfanatismus und ein erkranktes, manipuliertes öffentliches Geistesleben. Die Zerstörungswut der derzeitigen deutschen Regierung im Sog der EU-Bürokratie und USA/NATO-Weisungen sucht ihresgleichen und raubt einem den Atem. Aber das Wahrheitsgefühl in der Bevölkerung für die eigentliche Aufgabe wächst. Der Goldgrund des Geistes der Gegenseitigkeit und des Vertrauens in die Arbeit Aller füreinander macht sich behutsam und nun immer stärker im Bewusstsein der Zeitgenossenschaft geltend, je brutaler und rücksichtsloser von politisch Verantwortlichen an der Sanktions- und Eskalationsspirale gedreht wird.

Dieses Wahrheitsgefühl wird sich Bahn brechen und den Zynismus der Kriegsparteien und ihrer Anheizer ablösen. Der Kalte Krieg zwischen Ost und West wurde siebzig Jahre geschürt und brach dann zusammen.

Als vor dreiunddreißig Jahren die innerdeutsche Grenze geöffnet und die Berliner Mauer weggeräumt wurde, waren das Früchte schmerzlicher Entbehrungen und Bewusstseinswerdungen und lichter Geistestaten. Selbstbefreiung aus einer unerträglichen Bevormundung des Staates. Manifestiert hat sich das in solch friedlichen Kundgebungen wie „Schwerter zu Pflugscharen“ „Wir sind das Volk“, „Besonnenheit für unser Land“ und „Keine Gewalt“.

Bild: https://www.tagesschau.de/inland/berlindemo102.html
Foto: https://www.rbb-online.de/unternehmen/presse/
presseinformationen
/programm/2020/08/2020083-letzter-sommer-ddr.html

– Das Bewusstsein für das eigene Menschentum durch die weltweite Arbeit und Verbundenheit füreinander könnte nun durch eine genügend große Zahl von Menschen den Bann brechen und die Gespenster verjagen.- Werden also im kommenden Herbst in diesem mitteleuropäischen Land nochmals solche klaren Einsichten, Worte und Taten das öffentliche Geschehen verändern und wenden wie: „Wir sind die Weltwirtschaft“, „Wir arbeiten füreinander“, „ Faire und richtige Preise sind unser Fundament“,„Wir haben Nordstream2 geschaffen und wollen es geöffnet sehen“?

– 1) R. Steiner: „Amerika und Deutschland“ in Goetheanum v. 4. Sept. 1921 https://globalbridge.ch/wann-endlich-erwacht-europa/

Bild: https://debeste.de/268162/Ab-in-den-Urlaub-An-alles-gedacht

Der sächsische Ministerpräsident Kretschmer verdient unser aller Aufmerksamkeit – der Ukrainekrieg muss „eingefroren“ werden

Oder – warum die Grünen Bellizisten geworden sein könnten

Die Präsidentin von der Leyen hatte in der Sendung Anne Will vom 20.2.22 vor dem völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine angekündigt, dass sie seit Wochen Pakete mit Sanktionen gegen Russland vorbereitet. Die Sanktionen würden gewaltig in ihrer Wirkung sein, selbst die Mitgliedsstaaten der EU würden unter ihnen leiden, siehe dazu im Blog 21.2.2022.

Dabei muss der sich selbstbewusst gerierenden Präsidentin zugestanden werden, dass das Embargo für Öl (in Höhe von ca. 90 %) von der Präsidentin und ihrer Bürokratie zusammen mit den EU-Staaten erst zum 31.05. 2022 in das Paket Nr. 6 eingetütet wurde. Es soll im kommenden Jahr wirksam werden, sofern Russland nicht schon vorher die Gas- und Ölhähne für Deutschland zudreht – worauf einige grüne Politiker gerne hinweisen, wofür aber wenig spricht.

Warum soll Herr Putin nach dem „Schwarzen Peter“ gieren, wenn das grüne Deutschland demnächst sowieso das Embargo bei Öl unter dem Beifall der frierenden und um ihre Arbeitsplätze bangenden Bevölkerung vollziehen und so die Einigkeit und Stärke der EU für alle fühlbar manifestieren wird? Oder anders, warum soll Russland die zuverlässigen Kunden aus Deutschland vergrämen?

Putin hat begriffen, dass die Grünen in der Bundesregierung Frau Baerbock und Herr Habeck nicht Gas und ÖL für die deutsche Wirtschaft, sondern die Energiewende ohne Öl und Gas mit seiner Beihilfe anstreben. Er hat wohl auch deshalb gestern und für Herrn Habeck vermutlich etwas bedrohlich angekündigt, die Lieferung von Öl und Gas auszuweiten. Wenn denn endlich von Siemens (aus Kanada) die für den Betrieb von Nord Stream 1 erforderliche Turbine angekommen ist. Im übrigen sei ja auch Nord Stream 2 bereit. Gas in Hülle und Fülle also, sofern die Grünen und nicht nur die mitmachen.

Es gibt einige Wenige – unsere deutschen Extremisten von links und rechts – , die im Hinblick auf die sich schon jetzt in steigenden Preisen bei Benzin, Gas und Strom zeigende Energie-und Wirtschaftskrise Sorgen haben. Ihr Lösungsvorschlag : das Embargo beu Öl wird von Deutschland abgesagt.

Die Extremisten, die sich auch für einen Waffenstillstand im Ukrainekrieg einsetzen, verkennen die Komplexität der Lage. Und unterscheiden sich, wenn auch mit anderer und naiverer Begründung, nicht von Frau von der Leyen. Einer aufgebrachten und nur im Sinne des ukrainischen Präsidenten Selenskyj einfühlsamen Strategin des Wirtschaftskrieges gegen Russland.

Von der Leyen hat bei ihrer Strategie übersehen, dass ein Embargo bei Öl Russland nur bremst, wenn weltweit die thermische Nutzung dieser Energieformen wirksam untersagt werden kann. Können Gas und Öl nicht genutzt werden, führt das zur Wertlosigkeit der Vorräte bei Öl und Gas, weil kein Markt für sie besteht, siehe dazu FAZ 11.7.22, „die andere Energiewende“. Eine Katastrophe für alle Ölländer.

Umgekehrt führt die Verknappung bei Öl und Gas durch ein Embargo oder Sanktionen beliebiger Art auf den dann gleichsam süchtigen Markt zu einer Erhöhung der Energiepreise.

Nicht zuletzt: Russland erreicht im ersten Halbjahr des Jahres 2022 bei Öl und Gas Spitzengewinne, das ist inzwischen Allgemeinwissen.

Saudi Arabien erhält von Russland erhebliche Mengen Öl etwa 30 Dollar unter dem Preis auf dem Weltmarkt, erzeugt damit seinen Strom und liefert so eingespartes Öl an europäische Staaten. Ähnlich verhält es sich bei Indien. Das sind durch die Sanktionen geschaffene, völkerrechtlich legale Win-win Geschichten, bisher haben die USA noch nicht reingegrätscht.

Deutsche Firmen kaufen zu überhöhten Preisen russisches Uralöl bei Saudi Arabien und Indien ein – je teuerer desto besser für die Preise bei erneuerbarer Energie.

Gewinner soll nach gemeinsamer Überzeugung der Bestimmer unter den Grünen die erneuerbare Energie sein, deshalb die ganze Übung. Was nicht rentabel für Unternehmer war, ist es aufgrund der hohen Preise für Gas und Öl geworden. Die Stunde der erneuerbaren Energie ist durch den Ukrainekrieg angebrochen.

Diese Chance darf der Philosoph und grüne Wirtschaftsminister Habeck nicht verspielen, selbst wenn der treuherzige Politiker dies alles weder vorausgesehen noch angestrebt hat. Manche nennen derartiges die Kraft des Bezüglichen. Ich bin misstrauisch. Wie ist es zu verstehen, dass die Grünen wider besseren Wissens die Lieferung von Gas und Öl durch Russland immer wieder infrage stellen? Um mit Frackingöl und Wiederinbetriebnahme von Kohlebergwerken „vorsorgen“ zu können, so tatsächlich die Verteuerung der Energie verstetigen? Warum beschimpft die Außenministerin Baerbock bei jeder sich bietenden Gelegenheit öffentlich ihren russischen Kollegen Lawrow und den Präsidenten Putin – um Verhandlungen vorzubereiten? Oder ist sie einfach naiv und ahnungslos? Russen lieben die Beschimpfung ihrer Politiker durch die deutschen Kollegen? Schön wäre es, wenn auch solche anzüglichen Fragen von Kleingeistern in den selbstbewussten Medien wie Fernsehen und Zeitungen wenigsten en passant beantwortet werden würden.

Wenn es nicht das kleine Wort „aber“ geben würde. Was geschieht, wenn das Embargo bei Öl und über dies auch bei Gas (vorerst nur von Litauen gefordert) zum 1.1.2023 von Deutschland durchgezogen wird? Öl wird es für die deutsche Wirtschaft dann nur noch und wenn überhaupt zu überhöhten Weltmarktpreisen und nicht zu den vor Jahren mit Gazprom langfristig ausgehandelten niedrigeren Preisen geben. Im Juni kostete das Gas in den USA 6,50 Dollar, in Europa aber 39 Dollar je Million britischer Wärmeeinheiten (Maßeinheit), FAZ 13.7.22. Weil Deutschland „sein“ preisgünstiges Gas und Öl bei Gasprom reduziert und dafür teureres auf dem Weltmarkt bei Ölstaaten wie Saudi Arabien geordert hatte.

Deutschland droht im kommenden Jahr noch mehr Ungemach. Dies in einem Umfang, wie es sich vielleicht nur ehemalige DDR-Bürger vorstellen können – die Herrschaft einer nunmehr grünen Bürokratie, die vieles plant, der aber wenig gelingt. Schon weil sich nicht nur die Energie verteuern, sondern auch das Geld verknappen wird. Im übrigen ist die Bürokratie ahnungslos, was eine staatliche Planwirtschaft unter marktwirtschaftlichen Bedingungen betrifft – bei den Chinesen werden die Grünen wohl zumindest nicht öffentlich um Amtshilfe bitten.

Nicht alle Löcher können in kommenden Jahren gestopft werden und dann welche. Das Geschrei der Leute, die den Krieg in der Ukraine aus Gerechtigkeitsgründen nicht vor einer Kapitulation Russlands beendet sehen wollen und sich in ihrem wieder aufgeflammten Russenhass derzeit nicht mehr einkriegen, wird ungeheuer sein.

Die Beschwörungen des sächsischen Ministerpräsidenten Kretschmer an die Bundesregierung, Frankreich und die USA, den Ukrainekrieg „einzufrieren“, verdienen keinesfalls die ihr in der gleichen Zeitung erwiesene süffisante Kommentierung sondern unser aller Aufmerksamkeit. Und keine säuerliche Belehrung nach dem Motto: Deutschland habe doch kaum etwas für die Ukraine getan, warum das Geschrei aus dem Osten?, FAZ vom 20. Juli 2022.

Deutschland wird diese Krise überwinden.

Die Politik der Grünen hat nicht die Unterstützung der Ukraine im Auge. Deshalb hat die ehemalige Friedenspartei auch keine Fragen danach, ob die deutsche Unterstützung den Ukrainern in ihrer Not hilft und wie der Verteidigungskrieg umgehend beendet werden kann. Mit dem Bellizisten Hofreiter an der Spitze wollen die Grünen eine forcierte Unterstützung der Ukraine mit Sanktionen, Geld und Waffen.

Sie nutzen den früher von ihr so verpönten altdeutschen Opfermut und Gerechtigkeitssinn der Deutschen für die grüne Ideologie einer Energiewende – ein solches strategische Vorgehen, genannt Kuppelungsgeschäft, hat Deutschland in seiner Geschichte nicht nur einmal erlebt.

Und richtig, wir müssen uns und vieles verändern, in erneuerbare Energien investieren, in unseren Ansprüchen kürzer treten, den Menschen in Afrika und Asien, wenn sie es denn wollen, helfen. Um den vielen Herausforderungen – Hunger, Dürre, Klima sind meine Stichpunkte – zu entsprechen.

Übernehmen wir doch die so deutsche Strategie der Grünen. Kuppeln wir die Antwort auf die vielen Herausforderungen mit der Forderung des Ostdeutschen Kretzschmer an die angeblich so Mächtigen in Berlin, Paris und Washington. Sie sollen den Krieg in der Ukraine einfrieren. Und wenn sie das bisschen nicht wollen oder können, dann sollen sie abtreten.

Für Deutschland heißt das Zauberwort: Neuwahlen – am Frauentag 2023 –

Reinhart Zarneckow

An die USA-Freunde – bizarre Gedanken

Die Politik der USA, der EU und der NATO führen Deutschland wie auch Westeuropa ohne Not in einen nicht nur wirtschaftlichen Niedergang. Die Sanktionspolitik hilft auf längere Sicht nicht den bedrängten Menschen in der Ukraine.

Ich möchte meine Behauptung zunächst anhand von Überlegungen zum Sanktionsfall Nordkorea erläutern.

Nordkorea unterläuft systematisch Sanktionen, auch solche bei Gas und Öl. Dasselbe Rezept wendet Russland an, heißt es – detailliert beschrieben – bei Anna Schiller in der FAZ.vom 6.5.22. Nordkorea sei wirtschaftlich ein Zwerg, eine Kontrolle gegen Russland würde erheblich schwieriger werden.

Christoph Hein und Katharina Wagner beschäftigen sich in dergleichen Ausgabe mit den Möglichkeiten des Vertriebes russischen Erdöls in Asien im Falle eines Öl-und Gas- Embargos durch die EU.

Ein Ölpreis von 45 Dollar „gilt als ausreichend, um den russischen Staatshaushalt im Gleichgewicht zu halten“, FAZ ebd., S.15. Der Weltmarktpreis beträgt gegenwärtig mehr als 100 Dollar/Barrel, wobei Russland bei Abnehmern wie Indien und China mit Nachlässen von 40 Dollarn rechnen müsse. Der Ölpreis wird auf lange Sicht nicht sinken. Die OPEC, der Russland angehört, hat vor einigen Tagen beschlossen, die Produktion von Erdöl nicht zu steigern, ebd.

Wenn das reiche Westeuropa dem Unternehmen Gazprom das russische Ural-Öl nicht abnimmt und China, Indien oder den ganz armen Ländern zu überhöhten Preisen „deren“ Erdöl vor der Nase dann regelrecht wegnimmt, bedienen diese sich dann bei Russland/Gazprom? Öltanker der seriösen Unternehmen werden an die reichen Käufer aus Deutschland und anderswo umgelenkt? Nein, diese Länder werden so geradezu dazu gezwungen, das preiswerte Ural-Öl bei Gazprom einzukaufen und werden auch seinen Transport per Pipeline oder Schiff durchsetzen. Ich glaube nicht einmal an die prognostizierten hohen Abschläge von 40 Dollar/Barrel, win win lautet die Strategie beim Aushebeln der Sanktionen.

Die angebliche Hilfe für die Ukraine durch ein Embargo bei Öl und Gas aus Russland steht in keinem angemessenen Verhältnis zum möglichen wirtschaftlichen Abschwung für Deutschland. Warum soll nicht wenigsten ein Unternehmen wie das PCK Schwedt genauso wie Ungarn und die Slowakei mittels der „Druschba“ über einige weitere Jahre mit Uralöl beliefert werden? Es ist ansonsten ein todkranker Patient in der Nachfolge vieler ostdeutscher Betriebe – das Halbleiterwerk in Frankfurt/Oder ist mit seinen mehr als 5000 Mitarbeitern nach mehrjährigem Kampf trotz großer Zuschüsse des Landes Brandenburg Geschichte. Und nun also das PCK in Schwedt oder Arcelor Mittal in Eisenhüttenstadt? Warum nehmen wir in Erfüllung der bestehenden Verträge russisches Erdöl statt des dreckigen amerikanischen Fracking Öl nicht einfach weiterhin in Anspruch?

Die Existenz der Ukraine ist von einer militärischen Niederlage nicht mehr wirklich bedroht. Sie denkt vielleicht schon über einen Diktatfrieden a la USA nach. Erhebliche finanzielle Einbußen für Russland durch ein Embargo bei Öl und Gas auf Dauer sind unwahrscheinlich, das Embargo schadet  vor allem Deutschland.

Gazprom hat dagegen eine gute Chance, bei einem Embargo nach einer Übergangszeit auf dem Weltmarkt mehr und nicht weniger Einnahmen aus dem Verkauf von Gas und Öl zu erzielen. Reduziert sich der Blick auf die zugunsten von der Ukraine veränderte militärische Lage darauf, dass Deutschland noch mehr Waffen und Geld liefert? Daneben werden in Brüssel immer neue Sanktionspakete ohne eine für die breite deutsche Öffentlichkeit verständliche Abwägung der Folgen gepackt? In der Verantwortung von Frau von der Leyen, die Verantwortung als ehemalige Verteidigungsministerin dafür hat, dass die Bundeswehr „blank“ ist?

Ende April besuchte der Verteidigungsminister der USA Kiew. Beim Abschied erläuterte er in Gegenwart des amerikanischen Außenministers seine Überzeugung vom militärischen Sieg der Ukraine. Er sagte an, dass Russland auf Dauer geschwächt werden müsse. Und zwar derart, dass eine Wiederholung des russischen Überfalls ausgeschlossen werden müsse.

Also ein Diktatfrieden gegen Russland nach dem Muster Versailles? Die Bundesregierung peilt einen Verständigungsfrieden zwischen Russland und der Ukraine an.

Haben die beiden Minister den Verstand verloren, Deutschland zu übergehen und die Ukraine gleichsam zum totalen Krieg gegen die Atommacht Russland mit den Ressourcen der Westeuropäer und der USA zu veranlassen?

Die USA schließen die Reihen gegen China, das ist der Sinn des Manövers, sage ich mir mit meinem hoffentlich gesunden Menschenverstand etwas verzweifelt. Nur das ergibt einen Sinn. Es geht nicht um die Ukraine. Das Große und Ganze heißt China einerseits und die USA andererseits, Russland ist nicht dabei.

Es geht den Amerikanern um ein militärisch erstarktes Westeuropa. Der derzeitige Präsident der USA Biden hat seinen verrufenen Vorgänger Trump scheinbar um Längen übertroffen. Selbst das friedensselige Deutschland will nunmehr seine jährlichen Militärausgaben auf 2% seines Bruttosozialproduktes plus einmalige 100 Milliarden Euro anheben.

Bei einem Embargo bei Öl und Gas besteht überdies fast schon eine Gewissheit, dass dann Arbeitsplätze in Größenordnung aus Deutschland dorthin verlagert werden, wo Energie billig zu haben ist. Das Exportland Deutschland droht wegen der zu hohen Energiekosten auf dem Weltmarkt einzubrechen.

Militärisch sollen Deutschland wie auch Westeuropa erstarken und mit den USA die Reihen schließen, liebe Amerika – Freunde, wirtschaftlich werden beide ein bisschen einbrechen.

Der gerne belächelte Biden hat die USA und das militärisch stärker werdende Westeuropa mit der allgemein begrüßten Unterstützung der Ukraine zu einem Block geschmiedet. Durch dick und dünn soll die Reise gehen. Ihr Ziel lautet China.

Die Russland – Freunde können etwas weniger besorgt sein. Russland wird in Verbund mit anderen Staaten wie China oder Indien die Sanktionen aus Brüssel und Washington bei guter Gesundheit überleben. Den USA macht das wenig zu schaffen, einen militärischen Angriff Russlands haben sie zu keinem Zeitpunkt zu befürchten. Wirtschaftlich ist Russland den USA sowieso nicht ebenbürtig.

Die Ukraine wird sich mit Russland verständigen müssen, nur dabei sollte die NATO durch Waffenlieferungen und Geld helfen. Wer mehr will, wird sich überheben – Deutschland sollte dann auf Abstand gehen.

Der kaum zu überschätzende Erfolg für den amerikanischen Präsidenten besteht in der allseitig besungenen Einigkeit der NATO-Staaten, die durch die Politik des amerikanischen Präsidenten hinter den USA versammelt scheinen – Einer für alle, alle für Einen.  Mit so gewonnener Stärke meint Biden, es getrost mit China aufnehmen und bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus im kommenden November glänzen zu können.

Wenn der amerikanische Präsident aber irrt? Russland begibt sich zwar ein wenig in die Arme von China. Es bleibt aber dennoch als Atommacht eine Weltmacht, an deren Zerfall Deutschland kein Interesse haben kann. Indien und viele andere Staaten, was werden sie wohl machen? Sind das alles USA-Freunde, dazu kommen ja nicht nur der Irak, Iran, Brasilien, Kuba, die anderen mittelamerikanischen Staaten, sondern noch weitere Staaten, kurz die halbe Welt.

Und wer oder was entwickelt sich in Westeuropa, wenn der von den USA und der EU geführte Wirtschaftskrieg gegen Russland nicht nur zu einer hohen chronischen Arbeitslosigkeit sondern einem allgemeinen, nicht nur wirtschaftlichen Niedergang geführt hat?

Alles bleibt nur eine Prognose, die sich auf viel zu wenig Daten stützt. Oder ist das eine bizarre politische Betrachtung eines Russland-Freundes? Motto, es geht auch anders: Forcierung von Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine unter Teilnahme des Bundeskanzlers und des französischen Präsidenten, eine schnelle Beendigung des Wirtschafts-Krieges, Russland gehört wieder zu Europa.

Nur so und nicht anders geht es gut aus. Die USA bleiben in der Ferne und müssen mit China keinen Wirtschaftskrieg mit Hilfe der EU führen, sondern sich verständigen.

Wir unterstützen die USA nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit im Rahmen der NATO. Sofern Deutschland als Freund auf Augenhöhe respektiert wird.

Was sagte jüngst Papst Franziskus in einem ebenfalls bizarren Gespräch mit der Zeitung "Corriere della sera"?: "Die Wut" in Moskau sei möglicherweise durch "das Gebell der Nato an den Toren Russlands" ausgelöst worden. Dies könnte den Kreml dazu gebracht haben, "falsch zu reagieren und den Konflikt zu entfesseln", FAZ 7.5.22, S.10.

Ich liebe doch alle, alle Menschen, sagte ein schon vergessener Chef des DDR-Geheimdienstes vor der Volkskammer der DDR. Unterlassen wir solche Lippenbekenntnisse. Klären wir dafür alle Angelegenheiten mit etwas mehr Empathie und im gegenseitigen Respekt.

Reinhart Zarneckow

P.S. Die Angelegenheit Klimakonflikt ruht erst einmal.

Deutschland im Blindflug und ohne Kapitän, Herr Selenskyj ist nicht verfügbar

Es kommt wohl die Zeit, dass meine Freunde und Bekannten die Kurve kratzen, wenn sie mich sehen. Voller Wut und Entsetzen verstehe ich die Welt nicht mehr. Ich rede und rede über die Ukraine und Russland, die Ursachen des Krieges und das Leid für die Menschen in der Ukraine und auch Russland. Ich sehe die  Wand immer näher kommen. Die da heißt, endlich muss Schluss sein, einfach reinhauen, nicht nur Waffen sondern auch starke bewaffnete Truppen in die Ukraine schicken oder ganz anders einfach full stop und back to the roots.

Wer will sich das alles noch anhören. Die Ereignisse beginnen mich zu erdrücken. Aber wir sollten dennoch mutig und hellwach  nach vorne schauen. Nach 40 Jahren DDR und über 30 Jahren ertragener Vergangenheitsbewältigung will ich mich auch ein wenig absichern. Ihr solltet das auch tun, Deutsche mit der  DDR – Vergangenheit, die  mit back to the roots nicht gemeint sein soll.

In der letzten Sendung bei Illner wurde durch den ehemaligen militärischen Berater von Frau Merkel, Ex General Vad, einiges bemerkt, was in der FAZ vom 18.3. kolportiert wird. Wichtig erscheint mir, was die Zeitung dabei unterschlägt.

Nicht verschwiegen wird seine Bestätigung der Befürchtung des Grünen Robert Habeck, der eine atomare Eskalation als realistische Bedrohung dem hoffentlich hellhörig werdenden deutschen Publikum nahe brachte. Für die russische Militärdoktrin gelte im Unterschied zur amerikanischen auch die Taktik  begrenzter  Atomschläge. Nicht erörtert wurde, was  die USA oder die NATO für diesen Fall vorgesehen haben.

Unterschlagen wurde Vads  zaghafter Hinweis, dass für die Ukraine und Russland ein guter Zeitpunkt besteht, sich zu verständigen. Russland habe bestimmte Kriegsziele in Form von Geländegewinnen erreicht, die Ukraine verteidige sich weit über die Erwartungen der Russen. Also würde keiner das Gesicht verlieren. Eisiges Schweigen und Unverständnis in der Runde.

Die Frage nach den Vorstellungen der Ukraine für eine Beendigung des Krieges wurde durch den anwesenden ukrainischen Botschafter nicht beantwortet. Die Ukraine sei bereit, „alle möglichen Kompromisse“ einzugehen. Konkret werden könne die Ukraine erst in den direkten Verhandlungen der beiden Präsidenten.

Lauter Beifall von der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses des Bundestages Strack-Zimmermann. Das sei allein eine Angelegenheit der Ukraine. Deshalb muss es heißen Blindflug der Bundesregierung, notiere ich.

Überhört wird auch der Hinweis des Generals, dass das gegeneinander Aufrüsten keine gute Idee sei. Die Pläne der Grünen für eine neue Sicherheitsdoktrin Deutschlands erwähnte er nicht. Wurde der General im Hinblick auf die amerikanische Ankündigung einer Zahlung weiterer 800 Millionen Dollar für Rüstungsgüter  an die Ukraine von Frau Merkel gar gebeten, in der Sendung auf die Bremse im Sinne einer Entspannung der demoralisierten und schuldbewussten deutschen Politiker zu treten? Habeck stand kurz vor den Tränen. Ich möchte Frau Merkel wieder haben, meine Stimme hätte sie.

Wir kennen in etwa die Vorstellungen Putins, die offenbar immer noch von vielen Russen geteilt werden, von 71 % ist nach einer wohl seriösen Umfrage die Rede. Eine wirklich neutrale Ukraine außerhalb der NATO, Russland soll behalten, was es mit der Krim, Luhansk und Donezk schon hat.

Die Frage ist nicht, ob das der Atommacht Russland zusteht. Das Völkerrecht sagt dazu ein klares Nein, genauso wie schon früher beim Irakkrieg, Kosovokrieg etc. Da offenbar im Konfliktfall bei starken Mächten das Völkerrecht oft mit angeblichen höchst moralischen Gründen ausgesetzt wird, müssen Lösungswege ohne es gefunden werden. Das ist die Stunde von Politikern wie Talleyrand, Bismarck, Willy Brandt und Egon Bahr.  Wir dürfen  nicht den  Krieg sich selbst überlassen, weil eine Seite im Unrecht ist und das partout nicht einsehen will. Und überhaupt, wo wollen wir da  beginnen? Chirurgen wie Sauerbruch quatschen nicht, sie konsultieren sich aber und beginnen dann sofort mit der Operation.

Ein Krieg muss sofort beendet werden, er darf keine Chance zur Ausbreitung erhalten. Die Vergangenheitsbewältigung kommt später, viel später, wenn sie nachhaltig sein soll. Macron und Scholz, hört auf zu  telefonieren, um so en passent die nächsten Wahlen zu gewinnen. Bleibt sauber, es wird alles durchschaut. Verhandelt auf Augenhöhe mit beiden Seiten des Krieges und sorgt dafür, dass die USA und weitere Mitglieder der NATO mitmachen. Und wir sollten aufhören, uns moralisch zu erregen, sondern von den Entscheidern Leistungen für den Frieden fordern. Wir sind nicht  die Opfer und wollen es auch nicht infolge der Unfähigkeit der Bosse werden.

Biden hat mit seiner Erklärung, dass die NATO für die Ukraine nicht kämpfen würde, einiges auf den Weg gebracht. Die Frage ist, ob Putin es bei dem von der EU, den USA und der NATO ersatzweise geführten Wirtschaftskrieg belässt. Den Russland nicht gewinnen kann, ganz im Gegenteil, die Wirtschaft Russlands wird vernichtet werden, meinen einige fröhlich und optimistisch. 

Ich sehe dennoch sehr gute Chancen für eine Zurückhaltung des sich verrechnet habenden Putins,  meine aber, dass der Wirtschaftskrieg Deutschland und der ganzen Welt schadet und  ein  Ende des Krieges verzögert.

Deutschland schießt sich selbst ins Knie, wenn es nicht aufpasst. Das aber ist gar nicht das Schlimmste. Ich sage es mit den beschönigenden Worten des ukrainischen Botschafters Melnik, der das Restrisiko einer atomaren Auseinandersetzung in Europa klein redet  Das „bisschen“ Restrisiko ist schlimm und gefährlich für Deutschland, sogar mehr als die gerne besungenen  Rechts- oder Linksradikalen  oder gar die AFD im Inneren.

Deshalb erwarte ich von der Bundesregierung, dass sie den sicheren Weg geht. Das Interesse der Deutschen kann nicht die blinde Zustimmung zur Aufrüstung der Ukraine mitten in diesem Krieg sein. Es darf nicht einmal in einer strategischen Überlegung  konzediert werden, dass Putin wegen der Waffenlieferungen plus Wirtschaftskrieg  „den Waffengang“ nach Westen ausdehnen könnte.

Doch ist das Kind nicht schon in den Brunnen gefallen? Deutschland ist durch die Waffenlieferungen und Sanktionen zumindest mittelbar Beteiligter an diesem Krieg, alles andere ist Augenwischerei. Deutschland befindet sich in einem mit allen Mitteln geführten Wirtschaftskrieg. Dies ist nur dann gerechtfertigt, wenn Deutschland sich an den Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland mit starker Stimme beteiligt. Das lehnen die Herren aber ab, niemand kann es logisch begründen.

Beginnen wir mit dem Kleinen, mit  Anstand und etwas mehr Selbstbewusstsein. Es wird nicht geklatscht, wenn fremde Staatsoberhäupter deutsche Politiker beschimpfen,  nicht im Bundestag oder auch nur in einer Talkshow, es wird gebuht oder eisig geschwiegen.   Ziel kann nur die Beendigung des Krieges, die Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat und die Eindämmung der Sanktionen sein, bei gleichzeitigem Aufbau einer Sicherheitsstruktur für ganz Europa. Zug um Zug, Abbau von Sanktionen gegen Aufbau von Sicherheit für die Westeuropäer,  alle Russen, Ukrainer und die vielen nationalen Minderheiten. Das ist die Hauptaufgabe.

Und die NATO mit Deutschland an der Spitze wiederholen demgegenüber das, was ihnen Putin seit Jahren vorwirft. Ohne den Weg der Verhandlung mit Russland zu beginnen, Vertrauen zu schaffen, wird einseitig unter Bruch von Vereinbarungen die Ostflanke der NATO gestärkt – was die baltischen Staaten schon seit Jahren gefordert hatten. Worüber hat sich der französische Präsident über sechs Stunden mit Herrn Putin unterhalten, darüber und darauf verschließt sich die Auster Putin? 

Eine neue nationale Sicherheitsstruktur  a la Baerbock mit Tarnbombern und Beteiligung an der atomaren Aufrüstung Deutschlands insgesamt, noch mehr Einfluss auf die NATO,  erschreckt auf längere Sicht nur die Nachbarn. Oder bleiben die Tarnbomber bei dem nächsten Konflikt auf dem Boden? Nütze den Krieg in der Ukraine, um die lahme Bundeswehr aufzurüsten, wieder mal gegen die Gefahr aus dem Osten, ist das die neue Losung?  Ich kann gar nicht so schnell denken, wie sich die Grünen militarisieren. Was ist mit ihrer Vergangenheitsbewältigung Nr.1?

Solange die Ukraine auf ein inhaltsleeres  „zu allen Kompromissen bereit“ beharrt, Verhandlungen der beiden Präsidenten  nicht zügig vorbereiten lässt, nicht wie die Russen  ihre Ziele  darstellt,  darf Deutschland die Ukraine nur bei der Linderung der Not der Menschen unterstützen. Das ist eine Lehre aus dem Scheitern von  Minsk 2, das Deutschland nicht zu verantworten hat.  Kein Euro und keine Patrone, wenn …

Fazit: Es wird eine Hungersnot in Afrika mit Millionen von Hungertoten und Flüchtlingen nach Europa ab dem Jahr 2023 prognostiziert, wenn Russland und die Ukraine ihren Weizen nicht anbauen und liefern können. Es besteht die Gefahr, dass wir die Klimawende nicht meistern. Es geht um die Not der Welt und nicht darum, ob wir Deutschen in der kalten Jahreszeit etwas mehr anziehen oder ob die Energiepreise in Deutschland steigen. Um letzteres geht es aber auch. Und solange die Bundesregierung nichts schafft, sollte niemand frei Haus auf etwas verzichten. Um der Verschwendung für militaria ein wenig Einhalt zu gebieten oder den toll Gewordenen etwas zu signalisieren.

Übrigens glaube ich auch nicht daran, dass eine Landmacht ohne atomare Unterstützung durch einen Dritten einer Atommacht widerstehen kann, ohne dass es zu einem Kollateralschaden größeren Ausmaßes kommt.

Reinhart Zarneckow

Amerikaner und alle Europäer an einen Tisch

Klaus von Dohnanyi hat zu recht darauf hingewiesen, dass nicht die uns alle entsetzt stimmende Ukrainekrise sondern der Klimawandel unsere größte Herausforderung bleibt. Schon deshalb Verhandlungen mit Russland, damit unser Geld nicht für die Aufrüstung sinnlos ausgegeben wird, lautet seine Forderung.

Ich füge hinzu, sinnlos im doppelten Sinne, denn mit einem Verteidigungshaushalt von mehr als 50 Milliarden Euro im Jahr hätte es Deutschland seit langem durchaus möglich sein müssen, eine schlagkräftige Truppe aufzubauen. Warum also mit einem Fond zusätzlich 100 Milliarden Euro über 5 Jahre verschleudern, wo es so dringende Ausgabeposten im Bereich Weltklima gibt?

Prüfen wir also deshalb in einem „Sandkastenspiel“, was ohne weiteres mit gutem Willen, etwas Empathie und ein wenig mehr an Grips bei den Staatenlenkern zur Lösung der Ukrainekrise möglich erscheint.

Und auch das gilt, das Schimpfen, Anklagen und Moralisieren fällte heute mal aus. Nur ein Petitum gilt, der Krieg in der Ukraine muss beendet werden, jetzt und sofort.

Der Präsident der Ukraine Selenskyj ist auf Forderungen Russlands in wesentlichen Punkten eingegangen. Ich folge Angaben des ZDF vom 9.3.22 über sein Interview beim US-Fernsehsender ABC. Die Unabhängigkeit der Teilrepubliken Donezk und Luhansk wird völkerrechtlich zwar nicht anerkannt, für sie wie auch für die Krim ist offenbar unter Wahrung der vollzogenen Separation – gleichsam Kraft des Faktischen – ein besonderer Status auszuhandeln. Und die Ukraine wird nicht Mitglied der NATO. Die Unabhängigkeit einer neutralen Ukraine soll durch die USA, Nachbarstaaten und die Türkei aber auch Russland garantiert werden.

Wenn Herr Putin noch mehr in einer Agenda mit dem Motto, der Appetit kommt beim Essen, im Sinne hat, sollte er das Motto und das Mehr schleunigst streichen. Tatsächlich gibt es aber auch Hinweise, dass der russische Präsident bereit ist, über das Angebot aus Kiew ernsthaft zu verhandeln.. Jedenfalls stellt er weder die Präsidentschaft von Selenskyj noch die Existenz des ukrainischen Staates in Frage, ungeachtet seines bescheuerten Geredes von Russlands antinazistischem und antimilitaristischem Kampf, das nur seiner Glaubwürdigkeit schadet.

Die Vorschläge von Selenskyj tragen wohl dem Umstand Rechnung, dass im Donezbecken und auf der Krim Menschen leben, die in ihrer Mehrheit bei Russland bleiben wollen. Die Rechte der ukrainisch eingestellten Minderheiten sollen bei den Verhandlungen berücksichtigt werden. Die Vorschläge sind deshalb klug, weil die Ukraine etwas aufgeben würde, was sonst mit der Hypothek ständiger Auseinandersetzungen nach innen und außen belastet sein würde. Deshalb vermag ich auch nicht die Gefahr eines Gesichtsverlustes für den erstarkten und populären ukrainischen Präsidenten zu erkennen.

Warum aber weiterhin Stagnation, inhaltsleere Gespräche der Außenminister und von Unterhändlern? Hakt es vielleicht daran, dass die Freunde der Ukraine nicht in die Puschen kommen? Es der EU und den USA, ebenso Deutschland einfacher erscheint, Waffen in die Ukraine zu liefern. Durch wohltönende Kommentare ehemaliger hochrangiger Militärs der NATO, ein Fünkchen Hoffnung für einen erfolgreichen Waffengang der tapferen und langsam tatsächlich ausblutenden Ukrainer zu erwecken? Und im übrigen auf die Hilfsbereitschaft der vielen Helfer aus allen Mitgliedsstaaten der EU für die immer größer werdende Zahl der Flüchtlinge zu bauen.

Um dann mit großen Augen, wenn wirklich alles zerstört ist, laut zu jammern oder sich gar selbst ob der eigenen Unfähigkeit zu geißeln, vielleicht den Rücktritt zu erklären, um einer Abwahl zuvorzukommen. Wird der Präsident mit seinen Vorschlägen im Regen stehen gelassen, obwohl er von seinen Kollegen lautstarke Unterstützung benötigt? Und Putin darauf gerade zu lauert?

Wo ist der laute Beifall des amerikanischen Präsidenten Biden zur Forderung von Selenskyj nach einer gemeinsamen Sicherheitsgarantie und zu seinen weiteren Vorschlägen? Im Augenblick nicht gut drauf oder nicht bei der Sache oder nicht im amerikanischen Interesse? Vorsorglich bei den Sanktionen noch draufsatteln? Noch mehr Waffen in die Ukraine, egal wo sie dann landen?

Gleiches gilt aber auch für die Stimmen der politischen Akteure in Frankreich, Polen und Deutschland, um nur einige Länder zu nennen. Die Forderung eines Stopps des Waffenganges des Bundeskanzlers und von Macron hilft den schwer geprüften Ukrainern gar nicht. Sie grenzt an eine Verhöhnung der Ukrainer. Derartige Forderungen bringen nur Sinn, wenn die Bereitschaft besteht, sie militärisch durchzusetzen. Das ist – zum Glück für ganz Europa – nicht der Fall, umso wichtiger dann aber die Bereitschaft, sich an den Verhandlungen der Ukraine mit Russland direkt zu beteiligen.

Warum könnte der Ukraine durch eine Garantie der USA und einiger EU-Staaten eine hinreichende Sicherheit gewährt werden, an der ganz Europa gelegen ist? Weil Russland auf längere Sicht der große Verlierer eines Wirtschaftskrieges werden würde. Weil Russland besser dasteht, wenn es zwischen dem Westen und China „pendeln“ kann. Weil Russland weiß, dass auch Staaten wie Deutschland ein Wirtschaftskrieg nicht bekommt. Und weil es viele Argumente, wenn auch nicht die einzig todsichere Lösung gibt. Weil sich alle Beteiligten ein vernünftiges Handeln zutrauen müssen, sie anders aus der verfahrenen Kiste, nichts falsch machen zu wollen, nicht heil herauskommen

Was sollte weiterhin in einer ersten Etappe verhandelt werden? Die Sanktionen scheinen uns allen schon normal, sind es aber nicht. Die beiderseitigen Sanktionen sollten sukzessive abgebaut werden. Auf anderes kann sich Putin angesichts der Bazooka mit ihren bedrohlichen Einschränkungen gar nicht einlassen.

Das letzte Wort über Nord Stream 2 darf beispielsweise nicht gesprochen worden sein und muss Gegenstand von Verhandlungen mit Russland werden. Die Wirtschaft Deutschlands befindet sich gegenwärtig gleichsam auf einem Pulverfass, genau das beweisen die Ereignisse in der Ukraine. Wir haben es nicht mehr in der Hand. Wenn irgend ein Überzeugungstäter meint, die über das Territorium der Ukraine führenden Pipelines zerstören zu müssen, verdoppelt sich der Benzinpreis und noch einiges mehr. Vielleicht reicht da eine Vormerkung für eine spätere Verhandlung.

Vor allem müsste Russland als Partner respektiert und in die wirtschaftliche Entwicklung Europas Schritt für Schritt mit Ansage eingebunden werden. Wirtschaftliche Zusammenarbeit der europäischen Staaten hat den ersten Weltkrieg zwar nicht verhindert, die Gefahr von Kriegen wird aber zumindest reduziert.

Wenn seitens des Bundeskanzlers von einer Zeitenwende und bei Prof. Münkler von einem Verfall der Welt in zwei Bereiche – wir die Guten und dort die Bösen mit Russland und China an der Spitze – posaunt wird, löst das weder die Ukrainekrise noch fördert es die notwendige Zusammenarbeit der Staaten angesichts des Klimawandels. Es handelt sich um „Schwafelei“, einen Rückgriff in das Vokabular des kalten Krieges.

Europa hat leider ereilt, was im Nahen Osten der Gang der Welten genannt werden kann. Ich schweige laut, wir dürfen heute ja nicht anklagen.

Zeitenwende – da denke ich eher an die Reformation. Wenn das gemeint war, dann bin ich vielleicht dabei.

Aufgabe der Politik ist es, Konflikte zu lösen. Je schwieriger sie sind, desto mehr werden kluge und geschickte Politiker gebraucht. Die bereit und fähig sind, mit dem politischen Gegner oder Feind, so schrecklich er sich auch darstellt, ernsthaft zu verhandeln. Mir scheint da bei unseren Leuten noch einiges ein bisschen verbesserungswürdig.

Reinhart Zarneckow