Der Osten, sein besonderer Blick auf Adenauer, Merkel und den Krieg

Ein Foto der Frankfurter Allgemeinen vom 18.4.23 zeigt die Übergabe des Großkreuzes “mit besonderer Ausfertigung” durch Theodor Heuss an den damaligen Bundeskanzler Adenauer im Januar 1954. Eine elegante Einwendung der Zeitung gegen die Verleihung des gleichen Ordens an die (Alt-) Bundeskanzlerin Angela Merkel am Vortag im Schloss Charlottenburg durch ihren ehemaligen Adlatus Steinmeier? Elegant oder doch nur in süffisanter Geschichtsvergessenheit vorgetragen? Mir fällt bei beiden Politikern einiges ein.

Zum Zeitpunkt seiner Ordensverleihung konnte Adenauer auf eine von ihm zu verantwortende, weit gediehene Westintegration der Bundesrepublik Deutschland zurückschauen. Deutschland hatte den Vertrag über die Montanunion (18.4.51) sowie den Deutschlandvertrag über die Beziehungen der Bundesrepublik zu den drei Westmächten (26./27.5.1952) unterzeichnet. Auf die Note Josef Stalins (10.3.52) über die Wiedervereinigung und Neutralisierung Deutschlands hatte er in keiner Weise reagiert (weil die Westmächte die deutsche Außenpolitik “noch” bestimmten, so Adenauer, der deshalb auch keinen Außenminister in sein erstes Kabinett berufen hatte). Für die damalige Bundesrepublik winkte schon am Tag der Übergabe des Großkreuzes an Adenauer eine weitgehende Souveränität, die mit den Pariser Verträgen am 5. Mai 1955 durch die drei Westmächte auch anerkannt wurde. Die Bundesrepublik bekam ihren ersten Außenminister von Brentano.

Mit der Eingliederung der Westdeutschen in eine Gemeinschaft mit den USA und den westeuropäischen Staaten wurden die ostdeutschen Befürworter einer Wiedervereinigung in den Augen ihrer DDR-Oberen zu einem “verlorenen Haufen” des Westens degradiert. Die Gefängnisse füllten sich weiterhin, zu viele flüchteten in den Westen, die Mehrheit der Bürger der DDR blieb aber im Osten. Um sich nach 1990 von einigen wenigen, besonders aufrechten opportunistischen Schlaumeiern dann als Mitläufer apostrophieren lassen zu müssen. Was in einem anderen Sinn stimmte, weil die Bürger mit “ihrem” Staat im Guten wie im Bösen bis zu seinem Ende am 3.10.1990 zu tun hatten.

Dabei haben Millionen Deutsche in der DDR am 17.6.1953 nicht nur für die Senkung der Arbeitsnormen, sondern auch mutig für die Einheit Deutschlands und freie Wahlen demonstriert.

Alles umsonst, peinlich, die offenbar nur geheuchelte, lautstarke moralische Empörung westlicher Politiker, die ansonsten Ruhe hielten? Der Mauerbau am 13.August 1961 das von Adenauer in Kauf genommene Schicksal der Deutschen im Osten? “Ich bin ein Berliner” eine bombastische Rede des amerikanischen Präsidenten Kennedy, bei der die dummen Deutschen in Ost und West erleichtert in einen großen Jubel ausbrechen? Der alljährliche Feiertag des 17.Juni das Rudiment eines einst mächtigen Landes?

Nicht nur die Besserwisserei eines Rückblicks verbietet mir, die Fragen mit einem verletzenden und gehässigen Ausrufezeichen zu versehen. Ich habe vielmehr die bohrende Vermutung, dass sich die drei Westmächte während des Kalten Krieges in der Ablehnung der Wiedervereinigung einig waren. Warum sonst hat die Premierministerin Frau Thatcher den französischen Präsident Mitterrand noch Anfang 1990 gebeten, “die Wiedervereinigung zu stoppen oder zu verlangsamen”. Es gibt eine ganze Latte von Geschichten.

Obwohl Adenauer mit der Westintegration den Osten Deutschlands scheinbar seinem Schicksal überlassen hatte, widersprach er in all seinen Neujahrsreden der Teilung Deutschlands, machte den Ostdeutschen Hoffnungen. Augenwischerei oder eine Vision mit dem Ziel der Verhinderung einer Spaltung der Gesellschaft, wie wir sie heute gerade erleben? Traf Adenauer damals nicht Entscheidungen, die wir heute fairerweise entgegen einem sich ausdehnenden und somit anbietenden Opferkultus, genannt Vergangenheitsbewältigung, akzeptieren sollten? Entscheidungen, die im Sinne des blöden Ausdrucks der Naturwissenschaftlerin Merkel „alternativlos“ waren?

Es gibt Argumente für meine mit den Fragen konstruierte Geschichte.

Adenauer und seine Nachfolger erkannten die Teilung Deutschlands nicht de jure an. So verdorrte die zarte Pflanze Wiedervereinigung nicht. Reden von der Wiedervereinigung gehörten im Westen zum Ritual politischer Veranstaltungen. Oder ganz kurz: mehr war nicht drin. Oder mit der friedvollen realistischen Pragmatik des Deutschen aus dem Westen gegenüber dem im Osten: weniger war mehr.

Ich möchte das nicht allein um des gesellschaftlichen Friedens willen glauben. Hilf dir selbst, dann wird dir geholfen, das soll die Botschaft der Geschichte der Ostdeutschen sein.

Hat Adenauer am 31.1.1954 das Verdienstkreuz mit den Worten von Heuss “in Anerkennung der um die Bundesrepublik Deutschland erworbenen außerordentlichen Verdienste“ ausgehändigt erhalten, weil er die innere Einheit der Deutschen bewahrte? Mit der Westintegration hat er ja nur bei seinen Besatzern offene Türen eingerannt. Ich kann das glauben, obwohl es sicherlich nicht nur mir angesichts der tragischen Folgen der Teilung schwerfällt.

Um die Frage der Legitimität der Politik Adenauers und seiner Nachfolger kommen wir aber mit diesen Überlegungen nicht herum. Die unterschiedliche Perspektive der Deutschen aus Ost und West, die die Experten heuchlerisch beklagen, darf nicht in der Urne einer treuherzigen Vergangenheitsbewältigung beerdigt werden. Sie muss respektiert und besprochen werden, sonst erleben wir eine Spaltung der Deutschen, die alle Bundeskanzler bisher verhindern konnten.

Die Westpolitik Adenauers mit all ihren Folgen ist aus heutiger Sicht legitim, wenn sie “noch gerade so” für den Ostdeutschen zumutbar war. Ich finde dafür nicht nur in der Realpolitik der Bundesregierungen, sondern auch im Wollen und Handeln der Deutschen aus dem Osten zahlreiche, wenn auch unterschiedliche Spuren.

Nur in aller Kürze, weil die Experten den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen:

Die seit jeher heiß umstrittene Ostpolitik der alten Bundesrepublik fand ihre Bestätigung im Ertrag des mühevollen Aufbaus von Vertrauen zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion. Politiker wie Egon Bahr, Willy Brandt und Helmut Kohl standen für die Ostpolitik während des Kalten Krieges ein. Alle waren “besessen” von der Vorstellung, die schwierigen Verhältnisse der Menschen in Ost und West, gekennzeichnet durch den Eisernen Vorhang, zu entkrampfen. Vertrauen bei dem Politbüro der KPdSU mit dem Generalsekretär Gorbatschow an der Spitze ermöglichten den deutschen Herbst 1989 und die Wiedervereinigung. Genau so möchte ich es sehen.

Die Bundeskanzlerin Angela Merkel hätte diese Russlandpolitik beenden sollen? Nicht nur die heutigen Engpässe im Bereich Energiewirtschaft sagen uns, warum die damalige Bundeskanzlerin das nicht getan hat. Sie war auch um einen Ausgleich zwischen der Ukraine und Russland bemüht. Minsk 1 und 2 bewahrten Westeuropa einige Jahre vor der Beteiligung an dem europäischen Krieg, verhinderten im Jahre 2014 die totale Niederlage der Ukraine. Aber in der Ukraine darf sich Frau Merkel nicht mehr sehen lassen.

Das Verdienstkreuz mit besonderer Ausfertigung steht Angela Merkel nicht nur zu, weil sie 2014/2015 einen Krieg in Osteuropa verhindert hat. Sie hat auch 2008 den Plan des amerikanischen Präsidenten Bush zum Beitritt der Ukraine in die NATO zusammen mit dem französischen Präsidenten Sarkozy durchkreuzt. Sie handelte dabei in Übereinstimmung mit dem Willen der Ukrainer, die mehrheitlich einen Beitritt ablehnten. Der Nordatlantikvertrag sieht überdies die Aufnahme von Staaten, die sich in einem Konflikt mit einem anderen Staat befinden, nicht vor. Für Frau Merkel dürfte die Überlegung entscheidend gewesen sein, dass friedliche Lösungen von Konflikten von Militärs regelmäßig nicht zu erwarten sind. Durch die Ablehnung der Aufnahme der Ukraine schloss sie nach ihrem Verständnis von vornherein die Beteiligung Deutschlands an einem Krieg zwischen der Ukraine und Russland aus.

Um die Vergabe an die Ostdeutsche zu rechtfertigen, muss jedenfalls nicht so weit ausgeholt werden wie bei dem Rheinländer Konrad Adenauer mit seiner besonderen Vita.

Quelle: IMAGO/Political-Moments

Wie könnte es weitergehen?

Die Mehrheit der Ostdeutschen will keinen Krieg der NATO, ganz bestimmt aber keinen Krieg Deutschlands gegen Russland. Er stünde im Widerspruch zum Geist des am 12.4.1990 in Moskau abgeschlossenen 2 plus 4 Vertrags. Durch ihn hat Deutschland de jure die volle Souveränität erhalten. Das muss in Washington ankommen, nur darauf gründet eine dauerhafte Freundschaft .

Beginnen wir mit der Sprache. Wer Menschen, seien es auch “nur” Russen, als aus der Ukraine zu kehrenden Unrat bezeichnet, hätte keinen Friedenspreis des deutschen Buchhandels in der Paulskirche unter Standing Ovations der sogenannten deutschen Elite erhalten dürfen. Wer in einem Tweet als Stellvertretender Außenminister der Ukraine eine deutsche Bundestagsabgeordnete und ihren Ehemann als verbrecherische Komplizen Putins (ich sage schnell noch ”angeblich”, weil so unglaublich ) bezeichnet und ihnen eine baldige Bestrafung androht, degradiert Deutschland zu einer Bananenrepublik.

Wenn der ukrainische Präsident Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten sogar mit einer Selbstverpflichtung per Dekret weiterhin ablehnt, muss die Beendigung der Beteiligung der Deutschen am Krieg in der Ukraine eine Option deutscher Politik werden. Der Umstand, dass Russland völkerrechtswidrig die Ukraine überfallen hat, darf Deutschland nicht zu einer Geisel unter Verzicht auf eigene souveräne Entscheidungen werden lassen. Deutschland muss das baldige Ende seiner Beteiligung am Krieg in der Ukraine zwar nicht vorlaut, gegebenenfalls aber auf offener Bühne dem amerikanischen Präsidenten Biden souverän erläutern. So wie der deutsche Bundeskanzler Scholz von einer Strategie zum Ende von Nord Stream 1 und 2 auf einer Pressekonferenz in Washington erfuhr.

Reinhart Zarneckow

Zeit, die Verhandlungen wieder aufzunehmen

Zeitgeschehen im Fokus Forschen –

Nachdenken – Schlüsse ziehen Schweizer Zeitung für mehr soziale Verbundenheit, Frieden und direkte Demokratie/ Nr. 1, 18. Januar 2023

Ukrainekonflikt: «Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, die abgebrochenen Verhandlungen wieder aufzunehmen» «Waffenlieferungen bedeuten, dass der Krieg sinnlos verlängert wird» Interview mit General a.D. Harald Kujat*

General a.D. Harald Kujat
Bild: imago stock&people/Deutschlandfunk

Zeitgeschehen im Fokus – Welchen Wert geben Sie der Berichterstattung über die Ukraine in unseren Mainstream-Medien?

General a. D. Harald Kujat Der Ukrainekrieg ist nicht nur eine militärische Auseinandersetzung; er ist auch ein Wirtschafts- und ein Informationskrieg. In diesem Informationskrieg kann man zu einem Kriegsteilnehmer werden, wenn man sich Informationen und Argumente zu eigen macht, die man weder verifizieren noch aufgrund eigener Kompetenz beurteilen kann. Zum Teil spielen auch als moralisch verstandene oder ideologische Motive eine Rolle. Das ist in Deutschland besonders problematisch, weil in den Medien überwiegend «Experten» zu Wort kommen, die über keine sicherheitspolitischen und strategischen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen und deshalb Meinungen äußern, die sie aus Veröffentlichungen anderer «Experten» mit vergleichbarer Sachkenntnis beziehen. Offensichtlich wird damit auch politischer Druck auf die Bundesregierung aufgebaut. Die Debatte über die Lieferung bestimmter Waffensysteme zeigt überdeutlich die Absicht vieler Medien, selbst Politik zu machen. Es mag sein, dass mein Unbehagen über diese Entwicklung eine Folge meines langjährigen Dienstes in der Nato ist, unter anderem als Vorsitzender des Nato-Russland-Rats und der Nato-Ukraine-Kommission der Generalstabschefs. Besonders ärgerlich finde ich, dass die deutschen Sicherheitsinteressen und die Gefahren für unser Land durch eine Ausweitung und Eskalation des Krieges so wenig beachtet werden. Das zeugt von einem Mangel an Verantwortungsbewusstsein oder, um einen altmodischen Begriff zu verwenden, von einer höchst unpatriotischen Haltung. In den Vereinigten Staaten, einem der beiden Hauptakteure in diesem Konflikt, ist der Umgang mit dem Ukrainekrieg wesentlich differenzierter und kontroverser, gleichwohl aber immer von nationalen Interessen geleitet.

Sie haben sich Anfang 2022, als die Lage an der Grenze zur Ukraine immer zugespitzter wurde, zum damaligen Inspekteur der Marine, Vizegeneral Kai-Achim Schönbach, geäußert und sich im gewissen Sinne hinter ihn gestellt. Er warnte eindringlich vor einer Eskalation mit Russland und machte dem Westen den Vorwurf, er hätte Putin gedemütigt, und man müsse auf gleicher Augenhöhe mit ihm verhandeln.

Ich habe mich nicht in der Sache geäußert, sondern um ihn vor unqualifizierten Angriffen in Schutz zu nehmen. Ich war allerdings immer der Ansicht, dass man diesen Krieg verhindern muss und dass man ihn auch hätte verhindern können. Dazu habe ich mich im Dezember 2021 auch öffentlich geäußert. Und Anfang Januar 2022 habe ich Vorschläge veröffentlicht, wie in Verhandlungen ein für alle Seiten akzeptables Ergebnis erzielt werden könnte, mit dem ein Krieg doch noch vermieden wird. Leider ist es anders gekommen. Vielleicht wird einmal die Frage gestellt, wer diesen Krieg wollte, wer ihn nicht verhindern wollte und wer ihn nicht verhindern konnte.

Wie schätzen Sie die momentane Entwicklung in der Ukraine ein?

Je länger der Krieg dauert, desto schwieriger wird es, einen Verhandlungsfrieden zu erzielen. Die russische Annexion von vier ukrainischen Gebieten am 30.September 2022 ist ein Beispiel für eine Entwicklung, die nur schwer rückgängig gemacht werden kann. Deshalb fand ich es so bedauerlich, dass die Verhandlungen, die im März in Istanbul geführt wurden, nach großen Fortschritten und einem durchaus positiven Ergebnis für die Ukraine abgebrochen wurden. Russland hatte sich in den Istanbul-Verhandlungen offensichtlich dazu bereit erklärt, seine Streitkräfte auf den Stand vom 23.Februar zurückzuziehen, also vor Beginn des Angriffs auf die Ukraine. Jetzt wird immer wieder der vollständige Abzug als Voraussetzung für Verhandlungen gefordert.

Was hat denn die Ukraine als Gegenleistung angeboten?

Die Ukraine hatte sich verpflichtet, auf eine Nato-Mitgliedschaft zu verzichten und keine Stationierung ausländischer Truppen oder militärischer Einrichtungen zuzulassen. Dafür sollte sie Sicherheitsgarantien von Staaten ihrer Wahl erhalten. Die Zukunft der besetzten Gebiete sollte innerhalb von 15 Jahren diplomatisch, unter ausdrücklichem Verzicht auf militärische Gewalt gelöst werden.

Warum kam der Vertrag nicht zustande, der Zehntausenden das Leben gerettet und den Ukrainern die Zerstörung ihres Landes erspart hätte?

Nach zuverlässigen Informationen hat der damalige britische Premierminister Boris Johnson am 9. April in Kiew interveniert und eine Unterzeichnung verhindert. Seine Begründung war, der Westen sei für ein Kriegsende nicht bereit. Es ist ungeheuerlich, was da gespielt wird, von dem der gutgläubige Bürger keine Ahnung hat. Die Verhandlungen in Istanbul waren bekannt, auch dass man kurz vor einer Einigung stand, aber von einem Tag auf den anderen hat man nichts mehr gehört. Mitte März hatte beispielsweise die britische «Financial Times» über Fortschritte berichtet. Auch in einigen deutschen Zeitungen erschienen entsprechende Meldungen. Weshalb die Verhandlungen scheiterten, ist allerdings nicht berichtet worden. Als Putin am 21.September die Teilmobilmachung verkündete, erwähnte er zum ersten Mal öffentlich, dass die Ukraine in den Istanbul-Verhandlungen im März 2022 positiv auf russische Vorschläge reagiert habe. «Aber», sagte er wörtlich, «eine friedliche Lösung passte dem Westen nicht, deshalb hat er Kiew tatsächlich befohlen, alle Vereinbarungen zunichte zu machen.» Darüber schweigt tatsächlich unsere Presse. Anders als beispielsweise die amerikanischen Medien. «Foreign Affairs» und «Responsible Statecraft», zwei renommierte Zeitschriften, veröffentlichten dazu sehr informative Berichte. Der Artikel in «Foreign Affairs» war von Fiona Hill, einer ehemals hochrangigen Mitarbeiterin im nationalen Sicherheitsrat des Weissen Hauses. Sie ist sehr kompetent und absolut zuverlässig. Sehr detaillierte Informationen wurden bereits am 2. Mai auch in der regierungsnahen «Ukrainska Pravda» veröffentlicht.

Haben Sie noch weitere Angaben zu dieser Ungeheuerlichkeit?

Es ist bekannt, dass die wesentlichen Inhalte des Vertragsentwurfs auf einem Vorschlag der ukrainischen Regierung vom 29. März beruhen. Darüber berichten inzwischen auch viele US-amerikanische Medien. Ich habe jedoch erfahren müssen, dass deutsche Medien selbst dann nicht bereit sind, das Thema aufzugreifen, wenn sie Zugang zu den Quellen haben.

Sie äußern sich in einem Artikel folgendermaßen: «Der Mangel an sicherheitspolitischem Weitblick und strategischem Urteilsvermögen in unserem Lande ist beschämend.» Was meinen Sie damit konkret?

Nehmen wir als Beispiel den Zustand der Bundeswehr. 2011 wurde eine Bundeswehrreform durchgeführt, die sogenannte Neuausrichtung der Bundeswehr. Neuausrichtung bedeutete weg vom Verfassungsauftrag der Landes- und Bündnisverteidigung und hin zu Auslandseinsätzen. Zur Begründung hieß es, dass es kein Risiko eines konventionellen Angriffs auf Deutschland und die Nato-Verbündeten gebe. Personalumfang und Struktur der Streitkräfte, Ausrüstung, Bewaffnung und Ausbildung wurden auf Auslandseinsätze ausgerichtet. Streitkräfte, die über die Fähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung verfügen, können auch Stabilisierungseinsätze durchführen, zumal die Bundesregierung und das Parlament darüber im Einzelfall selbst entscheiden können. Umgekehrt ist das nicht der Fall, denn ob der Fall der Landes- und Bündnisverteidigung eintritt, entscheidet der Aggressor. Die damalige Lagebeurteilung war ohnehin falsch. Denn durch die einseitige Kündigung des ABM-Vertrages durch die USA war bereits 2002 ein strategischer Wendepunkt im Verhältnis zu Russland entstanden. Politischer Wendepunkt war der Nato-Gipfel in Bukarest 2008, als US Präsident George W. Bush versuchte, eine Einladung der Ukraine und Georgiens zum Nato-Beitritt durchzusetzen. Als er damit scheiterte, wurde, wie in solchen Fällen üblich, eine vage Beitrittsperspektive für diese Länder in das Communiqué aufgenommen.

Sehen Sie aufgrund dieser Entwicklung zwischen Russland und den USA einen Zusammenhang mit der aktuellen Krise?

Obwohl durch den Ukrainekrieg das Risiko einer Konfrontation Russlands und der Nato für jedermann offensichtlich ist, wird die Bundeswehr weiter entwaffnet, ja, geradezu kannibalisiert, um Waffen und militärisches Gerät für die Ukraine freizusetzen. Einige Politiker rechtfertigen dies sogar mit dem unsinnigen Argument, dass unsere Freiheit in der Ukraine verteidigt würde.

Warum ist das für Sie ein unsinniges Argument? Alle argumentieren so, selbst der Vorsteher des Schweizer Aussendepartements, Ignazio Cassis.

Die Ukraine kämpft um ihre Freiheit, um ihre Souveränität und um die territoriale Integrität des Landes. Aber die beiden Hauptakteure in diesem Krieg sind Russland und die USA. Die Ukraine kämpft auch für die geopolitischen Interessen der USA. Denn deren erklärtes Ziel ist es, Russland politisch, wirtschaftlich und militärisch so weit zu schwächen, dass sie sich dem geopolitischen Rivalen zuwenden können, der als einziger in der Lage ist, ihre Vormachtstellung als Weltmacht zu gefährden: China. Zudem wäre es doch höchst unmoralisch, die Ukraine in ihrem Kampf für unsere Freiheit allein zu lassen und lediglich Waffen zu liefern, die das Blutvergießen verlängern und die Zerstörung des Landes vergrößern. Nein, in diesem Krieg geht es nicht um unsere Freiheit. Die Kernprobleme, weshalb der Krieg entstanden ist und immer noch fortgesetzt wird, obwohl er längst beendet sein könnte, sind ganz andere.

Was ist Ihrer Meinung nach das Kernproblem?

Russland will verhindern, dass der geopolitische Rivale USA eine strategische Überlegenheit gewinnt, die Russlands Sicherheit gefährdet. Sei es durch Mitgliedschaft der Ukraine in der von den USA geführten Nato, sei es durch die Stationierung amerikanischer Truppen, die Verlagerung militärischer Infrastruktur oder gemeinsamer Nato-Manöver. Auch die Dislozierung amerikanischer Systeme des ballistischen Raketenabwehrsystems der Nato in Polen und Rumänien ist Russland ein Dorn im Auge, denn Russland ist überzeugt, dass die USA von diesen Abschussanlagen auch russische interkontinental-strategische Systeme ausschalten und damit das nuklearstrategische Gleichgewicht gefährden könnten. Eine wichtige Rolle spielt auch das Minsk II-Abkommen, in dem die Ukraine sich verpflichtet hat, der russischsprachigen Bevölkerung im Donbas bis Ende 2015 durch eine Verfassungsänderung mit einer größeren Autonomie der Region Minderheitenrechte zu gewähren, wie sie in der Europäischen Union Standard sind. Es gibt inzwischen Zweifel, ob die USA und die Nato bereit waren, vor dem russischen Angriff auf die Ukraine ernsthaft über diese Fragen zu verhandeln. Wilfried Scharnagl zeigt in seinem Buch «Am Abgrund» bereits 2015 ganz deutlich auf, dass die Politik des Westens eine unglaubliche Provokation ist, und wenn EU und Nato ihren Kurs nicht ändern, es zu einer Katastrophe kommen könnte. – Ja, damit muss man rechnen. Je länger der Krieg dauert, desto größer wird das Risiko einer Ausweitung oder Eskalation. Das haben wir bereits in der Kubakrise gehabt. Das war eine vergleichbare Situation.

Wie beurteilen Sie die beschlossene Lieferung von Marder-Panzern an die Ukraine?

Waffensysteme haben Stärken und Schwächen aufgrund technischer Merkmale und damit – abhängig vom Ausbildungsstand der Soldaten sowie den jeweiligen operativen Rahmenbedingungen – einen bestimmten Einsatzwert. Im Gefecht der verbundenen Waffen wirken verschiedene Waffensysteme in einem gemeinsamen Führungs- bzw. Informationssystem zusammen, wodurch die Schwächen des einen Systems durch die Stärken anderer Systeme ausgeglichen werden. Bei einem niedrigen Ausbildungsstand des Bedienungspersonals oder wenn ein Waffensystem nicht gemeinsam mit anderen Systemen in einem funktionalen Zusammenhang eingesetzt wird und möglicherweise die Einsatzbedingungen schwierig sind, ist der Einsatzwert gering. Damit besteht die Gefahr der frühzeitigen Ausschaltung oder sogar das Risiko, dass die Waffe in die Hand des Gegners fällt. Das ist die gegenwärtige Lage, in der moderne westliche Waffensysteme im Ukrainekrieg zum Einsatz kommen. Russland hat im Dezember ein umfangreiches Programm zur Auswertung der technischen und operativ-taktischen Parameter eroberter westlicher Waffen begonnen, was die Effektivität der eigenen Operationsführung und Waffenwirkung erhöhen soll. Darüber hinaus stellt sich grundsätzlich die Frage der Mittel-Zweck-Relation. Welchem Zweck sollen die westlichen Waffen dienen? Selenskij hat die strategischen Ziele der ukrainischen Kriegsführung immer wieder geändert. Gegenwärtig verfolgt die Ukraine das Ziel, alle von Russland besetzten Gebiete einschließlich der Krim zurückzuerobern. Der deutsche Bundeskanzler sagt, wir unterstützen die Ukraine, solange das nötig ist, also auch bei der Verfolgung dieses Ziels, obwohl die USA mittlerweile betonen, es ginge darum, lediglich «das Territorium zurückzuerobern, das seit dem 24. Februar 2022 von Russland eingenommen wurde.» Es gilt somit die Frage zu beantworten, ob das Mittel westlicher Waffenlieferungen geeignet ist, den von der Ukraine beabsichtigten Zweck zu erfüllen. Diese Frage hat eine qualitative und eine quantitative Dimension. Die USA liefern keine Waffen außer solche zur Selbstverteidigung, keine Waffen, die das Gefecht der verbundenen Waffen ermöglichen und vor allem keine, die eine nukleare Eskalation auslösen könnten. Das sind Präsident Bidens drei Neins.

Wie will die Ukraine ihre militärischen Ziele erreichen?

Der ukrainische Generalstabschef, General Saluschnij, sagte kürzlich: «Ich brauche 300 Kampfpanzer, 600 bis 700 Schützenpanzer und 500 Haubitzen, um die russischen Truppen auf die Positionen vor dem Angriff vom 24.Februar zurückzudrängen. Jedoch mit dem, was er erhalte, seien «größere Operationen nicht möglich». Ob die ukrainischen Streitkräfte angesichts der großen Verluste der letzten Monate überhaupt noch über eine ausreichende Zahl geeigneter Soldaten verfügen, um diese Waffensysteme einsetzen zu können, ist allerdings fraglich. Jedenfalls erklärt auch die Aussage General Saluschnijs, weshalb die westlichen Waffenlieferungen die Ukraine nicht in die Lage versetzen, ihre militärischen Ziele zu erreichen, sondern lediglich den Krieg verlängern. Hinzu kommt, dass Russland die westliche Eskalation jederzeit durch eine eigene übertreffen könnte. In der deutschen Diskussion werden diese Zusammenhänge nicht verstanden oder ignoriert. Dabei spielt auch die Art und Weise eine Rolle, wie einige Verbündete versuchen, die Bundesregierung öffentlich nun auch zur Lieferung von Leopard 2- Kampfpanzern zu drängen. Das hat es in der Nato bisher nicht gegeben. Es zeigt, wie sehr Deutschlands Ansehen im Bündnis durch die Schwächung der Bundeswehr gelitten hat und mit welchem Engagement einige Verbündete das Ziel verfolgen, Deutschland gegenüber Russland besonders zu exponieren.

Was nährt Selsenkijs Auffassung, man könne die Russen aus der Ukraine vertreiben?

Möglicherweise werden die ukrainischen Streitkräfte mit den Waffensystemen, die ihnen auf der nächsten Geberkonferenz am 20. Januar zugesagt werden, etwas effektiver in der Lage sein, sich gegen die in den nächsten Wochen stattfindenden russischen Offensiven zu verteidigen. Sie können dadurch aber nicht die besetzten Gebiete zurückerobern. Nach Ansicht des US-amerikanischen Generalstabschefs, General Mark Milley, hat die Ukraine das, was sie militärisch erreichen konnte, erreicht. Mehr ist nicht möglich. Deshalb sollten jetzt diplomatische Bemühungen aufgenommen werden, um einen Verhandlungsfrieden zu erreichen. Ich teile diese Auffassung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die russischen Streitkräfte offenbar die Absicht haben, das eroberte Gebiet zu verteidigen und den Rest des Donbas zu erobern, um die von ihnen annektierten Gebiete zu konsolidieren. Sie haben ihre Verteidigungsstellungen gut dem Gelände angepasst und stark befestigt. Angriffe auf diese Stellungen erfordern einen hohen Kräfteaufwand und die Bereitschaft, erhebliche Verluste hinzunehmen. Durch den Abzug aus der Region Cherson wurden ungefähr 22 000 kampfkräftige Truppen für Offensiven freigesetzt. Zudem werden weitere Kampfverbände als Verstärkung in die Region verlegt.

Aber was sollen dann die Waffenlieferungen, die das Erreichen von Selenskijs Ziel nicht ermöglichen?

Die derzeitigen Bemühungen der USA, die Europäer zu weiteren Waffenlieferungen zu veranlassen, haben möglicherweise mit dieser Lageentwicklung zu tun. Man muss zwischen den öffentlich geäußerten Gründen und den konkreten Entscheidungen der Bundesregierung unterscheiden. Es würde zu weit führen, auf das ganze Spektrum dieser Diskussion einzugehen. Ich würde mir allerdings wünschen, dass die Bundesregierung in dieser Frage wirklich kompetent beraten wird und – was vielleicht noch wichtiger ist – der Bedeutung dieser Frage entsprechend aufnahmebereit und urteilsfähig wäre. Die Bundesregierung ist mit der Unterstützung der Ukraine schon sehr weit gegangen. Zwar machen Waffenlieferungen Deutschland noch nicht zur Konfliktpartei. Aber in Verbindung mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten an diesen Waffen unterstützen wir die Ukraine dabei, ihre militärischen Ziele zu erreichen. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags hat deshalb in seinem Gutachten vom 16. März 2022 erklärt, dass damit der gesicherte Bereich der Nicht-Kriegsführung verlassen wird. Auch die USA werden ukrainische Soldaten in Deutschland ausbilden. Das Grundgesetz enthält in seiner Präambel ein striktes Friedensgebot für unser Land. Das Grundgesetz toleriert die Unterstützung einer Kriegspartei also nur dann, wenn diese geeignet ist, eine friedliche Lösung zu ermöglichen. Die Bundesregierung ist deshalb in der Pflicht, der deutschen Bevölkerung zu erklären, innerhalb welcher Grenzen und mit welchem Ziel die Unterstützung der Ukraine erfolgt. Schließlich müssten auch der ukrainischen Regierung die Grenzen der Unterstützung aufgezeigt werden. Selbst Präsident Biden hat vor einiger Zeit in einem Namensartikel erklärt, dass die USA die Ukraine zwar weiter militärisch unterstützen werden, aber eben auch ihre Bemühungen, in diesem Konflikt einen Verhandlungsfrieden zu erreichen.

Seit Wochen rennt die ukrainische Armee gegen die Russen an – ohne Erfolg. Dennoch spricht Selenskij von Rückeroberung. Ist das Propaganda oder besteht diese Möglichkeit tatsächlich?

Nein, dazu sind die ukrainischen Streitkräfte sowohl nach Einschätzung des amerikanischen wie des ukrainischen Generalstabschefs nicht in der Lage. Beide Kriegsparteien befinden sich gegenwärtig wieder in einer Pattsituation, die durch die Einschränkungen aufgrund der Jahreszeit verstärkt wird. Jetzt wäre also der richtige Zeitpunkt, die abgebrochenen Verhandlungen wieder aufzunehmen. Die Waffenlieferungen bedeuten das Gegenteil, nämlich dass der Krieg sinnlos verlängert wird, mit noch mehr Toten auf beiden Seiten und der Fortsetzung der Zerstörung des Landes. Aber auch mit der Folge, dass wir noch tiefer in diesen Krieg hineingezogen werden. Selbst der Nato-Generalsekretär hat kürzlich vor einer Ausweitung der Kämpfe zu einem Krieg zwischen der Nato und Russland gewarnt.

Sie sagen, wir haben wieder eine «Pattsituation». Was meinen Sie damit?

Eine positive Ausgangslage für eine Verhandlungslösung hatte sich beispielsweise Ende März vergangenen Jahres ergeben, als die Russen entschieden, vor Kiew abzudrehen und sich auf den Osten und den Donbas zu konzentrieren. Das hat die Verhandlungen in Istanbul ermöglicht. Eine ähnliche Lage entstand im September, bevor Russland die Teilmobilisierung durchführte. Die damals entstandenen Möglichkeiten sind nicht genutzt worden. Jetzt wäre es wieder Zeit zu verhandeln, und wir nutzen auch diese Gelegenheit nicht, sondern tun das Gegenteil: Wir schicken Waffen und eskalieren. Auch dies ist ein Aspekt, der den Mangel an sicherheitspolitischem Weitblick und strategischem Urteilsvermögen offenlegt.

Sie haben in Ihrem Text noch erwähnt, dass der russische Verteidigungsminister Schoigu Bereitschaft für Verhandlungen signalisiert hat …

…das hat auch Putin gemacht. Putin hat am 30.September, als er zwei weitere Regionen zu russischem Territorium erklärte, ausdrücklich wieder Verhandlungen angeboten. Er hat das zwischenzeitlich mehrfach getan. Jetzt ist es allerdings so, dass Schoigu das nicht an Bedingungen geknüpft hat, aber Putin hat sozusagen die Latte höher gelegt, indem er sagte, wir sind zu Verhandlungen bereit, aber es setzt natürlich voraus, dass die andere Seite die Gebiete, die wir annektiert haben, anerkennt. Daran sieht man, dass sich die Positionen beider Seiten immer mehr verhärten, je länger der Krieg dauert. Denn Selenskij sagte, er verhandle erst, wenn sich die Russen vollständig aus der Ukraine zurückgezogen hätten. Damit wird eine Lösung immer schwieriger, aber sie ist noch nicht ausgeschlossen.

Ich möchte noch auf ein Ereignis zu sprechen kommen. Frau Merkel hat in einem Interview …

…ja, was sie sagt, ist eindeutig. Sie hätte das Minsk II-Abkommen nur ausgehandelt, um der Ukraine Zeit zu verschaffen. Und die Ukraine habe diese auch genutzt, um militärisch aufzurüsten. Das hat der ehemalige französische Präsident Hollande bestätigt. Petro Poroschenko, der ehemalige ukrainische Staatspräsident, hat das ebenfalls gesagt. Russland bezeichnet das verständlicherweise als Betrug. Und Merkel bestätigt, dass Russland ganz bewusst getäuscht wurde. Das kann man bewerten, wie man will, aber es ist ein eklatanter Vertrauensbruch und eine Frage der politischen Berechenbarkeit. Nicht wegdiskutieren kann man allerdings, dass die Weigerung der ukrainischen Regierung – in Kenntnis dieser beabsichtigten Täuschung – das Abkommen umzusetzen, noch wenige Tage vor Kriegsbeginn, einer der Auslöser für den Krieg war. Die Bundesregierung hatte sich in der Uno-Resolution dazu verpflichtet, das «gesamte Paket» der vereinbarten Maßnahmen umzusetzen. Darüber hinaus hat die Bundeskanzlerin mit den anderen Teilnehmern des Normandie-Formats eine Erklärung zur Resolution unterschrieben, in der sie sich noch einmal ausdrücklich zur Implementierung der Minsk-Vereinbarungen verpflichtete.

Das ist doch auch ein Völkerrechtsbruch?

Ja, das ist ein Völkerrechtsbruch, das ist eindeutig. Der Schaden ist immens. Man muss sich die heutige Situation einmal vorstellen. Die Leute, die von Anfang an Krieg führen wollten und immer noch wollen, haben den Standpunkt vertreten, mit Putin kann man nicht verhandeln. Der hält die Vereinbarungen so oder so nicht ein. Jetzt stellt sich heraus, wir sind diejenigen, die internationale Vereinbarungen nicht einhalten. Nach meinen Kenntnissen halten die Russen ihre Verträge ein, sogar während des aktuellen Krieges hat Russland weiterhin Gas geliefert. Aber Frau Baerbock hat vollmundig verkündet: «Wir wollen kein russisches Gas mehr!» Daraufhin hat Russland die Menge gedrosselt. So war es doch? Ja, wir haben gesagt, wir wollen kein russisches Gas mehr. Alle Folgewirkungen, die Energiekrise, die wirtschaftliche Rezession etc. sind das Resultat der Entscheidung der Bundesregierung und nicht einer Entscheidung der russischen Regierung. Aber wenn Sie die Nachrichten hören oder sehen – auch bei uns in der Schweiz – dann gibt es die Energiekrise aufgrund von Putins Entscheid, Krieg gegen die Ukraine zu führen. In der Vergangenheit gab es zweimal Schwierigkeiten bei der Lieferung von Gas, die von der Ukraine verursacht wurden. Da sollte man ehrlich sein. Russland würde weiter liefern, aber wir wollen von dort nichts mehr, weil es die Ukraine angegriffen hat. Dann kommt noch die Frage auf: Wer hat eigentlich North-Stream II in die Luft gesprengt?

Haben Sie eine Einschätzung zur Sprengung?

Nein, das wäre reine Spekulation. Es gibt Indizien wie so häufig, aber keine Beweise. Jedenfalls keine, die öffentlich bekannt geworden sind. Aber Sie können ganz sicher sein: Die Sonne bringt es an den Tag.

Welche Erfahrungen haben Sie in Verhandlungen mit Russland gemacht?

Ich habe viele Verhandlungen mit Russland geführt, z.B. über den russischen Beitrag zum Kosovo-Einsatz der Nato. Die USA hatten uns darum gebeten, weil sie mit Russland zu keinem Ergebnis kamen. Russland war schließlich bereit, seine Truppen einem deutschen Nato-Befehlshaber zu unterstellen. In den 90er Jahren entstand eine enge politische Abstimmung und militärische Zusammenarbeit zwischen der Nato und Russland, seit 1997 durch den Nato-Russland-Grundlagenvertrag geregelt. Die Russen sind harte Verhandlungspartner, aber wenn man zu einem gemeinsamen Ergebnis kommt, dann steht das und gilt auch.

Wie sah das Ergebnis aus?

Die Russen wollten in den Verhandlungen um den Grundlagenvertrag eine Art Mitentscheidungsrecht erhalten. Das war nicht möglich. Wir haben aber einen Weg gefunden, gemeinsame Lösungen in Fällen zu finden, in denen die Sicherheitsinteressen der einen oder anderen Seite betroffen sind. Nach dem Georgienkrieg hat die Nato die Zusammenarbeit leider weitgehend suspendiert. Es hat sich auch im Vorfeld des Ukrainekrieges gezeigt, dass Regelungen, die in Zeiten eines guten Verhältnisses für die Beilegung von Krisen und Konflikten geschaffen werden, dann ihren Wert haben, wenn es zu Spannungen kommt. Leider hat man das nicht verstanden.

Herr General Kujat, ich danke für das Gespräch. Interview Thomas Kaiser

  • General a.D. Harald Kujat, geboren am 1. März 1942, war u. a. Generalinspekteur der Bundeswehr und als Vorsitzender des Nato-Militärausschusses höchster Militär der Nato. Zugleich amtete er als Vorsitzender des Nato-Russland-Rates sowie des Euro-Atlantischen-Partnerschaftsrates der Generalstabschefs. Für seine Verdienste wurde Harald Kujat mit einer großen Zahl von Auszeichnungen geehrt, darunter mit dem Kommandeurskreuz der Ehrenlegion der Republik Frankreich, dem Kommandeurskreuz des Verdienstordens Lettlands, Estlands und Polens, der Legion of Merit der Vereinigten Staaten, dem Großen Band des Leopoldordens des Königreichs Belgien, dem Großen Bundesverdienstkreuz, sowie mit weiteren hohen Auszeichnungen, u.a. aus Malta, Ungarn und der Nato. Rot gekennzeichnete Textzeilen nicht im Originalinterview Original im Internet https://zeitgeschehen-im-fokus.ch/de/newspaper-ausgabe/nr-1-vom-18-januar-2023.html
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Bettina Zarneckow

Dies ist die Fortsetzung des Artikels: „Audiatur et altera pars – man höre die andere Seite“

„Das wird schon gut ausgehen“ – so scheitert die deutsche Politik am Krieg in der Ukraine

Der Bundespräsident, Träger des Kissinger – Preises 2022, ist ein Meister darin, seine Enttäuschung über eine gescheiterte Ostpolitik Deutschlands darzustellen.

Mit dem Bekenntnis einer Mitschuld verhindert er jeden Ansatz eines Vorwurfs aus den eigenen Reihen, leider aber auch notwendige Diskussionen darüber, wie es weitergehen soll. Jeder Politiker, der etwas darstellen will, hat inzwischen seine Schuld an der Ostpolitik bekannt, zuletzt war es Herr Schäuble, der die Contenance verlor. Nur Frau Merkel verhält sich starrsinnig. Sie zählt offenbar für die Bestimmer bei Politik und Medien nicht mehr, weil ihre gesamte Politik als ein einziges Desaster (zu Unrecht) dargestellt wird.

Da die früher so beliebte und respektierte Bundeskanzlerin verschlossen wie eine Auster ist, lege ich ihr in den Mund: Nicht die Beziehungen zu Russland sind gescheitert, sondern Minsk 2. Der 2014 gestartete, durchaus im deutschen Interesse zusammen mit Frankreich aufgenommene, wichtige Versuch einer friedlichen Gestaltung der Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine blieb erfolglos. Und das hat Gründe, über die in Berlin genauso eisern geschwiegen wird wie zu denen der Sabotage der Pipelines Nord Stream.

Nicht hingenommen werden darf, dass die Beziehungen zu Russland – bildlich gesprochen genauso schwer wie die Pipelines Nord Stream 1 und 2 beschädigt -, nicht „repariert“ werden dürfen.

Wenn ich mich zu den Gründen für das Scheitern von Minsk 2, über die Ursachen des Angriffskrieges der Russen in der Ukraine oder die Sabotage bei den Pipelines Nord Stream 1 und 2 verhalten äußere, dann ergibt sich das auch aus meiner teleologischen Betrachtungsweise, Telos = Ziel : Ende des „Glaubenskrieges“ in den Medien zum Krieg in der Ukraine. Weil ich hoffe, dass es durch den Blickwinkel „was tun“ eher ein Ende des Krieges und eine „Reparatur“ der Beziehungen mit Russland geben wird.

Hervorheben will ich eine gewisse Naivität bei mir, warum der Krieg in der Ukraine überhaupt noch stattfindet.

Russland trägt als Nachfolgestaat der Sowjetunion, beginnend mit dem 17. Juni 1953 über die Interventionen in Ungarn 1956, Prag 1968, den Einmarsch nach Afghanistan und noch einiges mehr, eine erhebliche Verantwortung mit sich herum. In jedem dieser Fälle war das Handeln der USA – koste es was es wolle – mit vielen Ecken und Kanten darauf ausgerichtet, eine Ausweitung der Konflikte zu vermeiden. Was umgekehrt auch seitens der Sowjetunion geschah, denn die USA hat da auch einiges zu bieten. Beispielhaft erinnere ich mich an die Kubakrise 1962, aber auch an den Mauerbau am 13.8.61. Letzterem ging ein Gespräch im Juni zwischen Kennedy und Chruschtschow voraus. Der Ukrainer teilte sein Vorhaben mit. Er garantierte den unversehrten Status von West-Berlin im Sinne der USA. Kennedy nickte ab, am 13.8.61 wachten 18 Millionen als „endgültige“ DDR-Bürger hinter der Mauer auf. Bundeskanzler Adenauer bewegte alles in seinem Herzen, die Ostpolitik Brandts wurde zum Licht am Ende des Tunnels.

Bei dem völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine soll das nicht mehr gelten?

Weil die Politik von damals unter „Gleichgewicht des Schreckens “ firmierte? Verbreitet die Atommacht Russland keinen Schrecken mehr? Oder ein Schrecken nur noch bei einigen in Ostdeutschland, weil da noch nicht alles aufgearbeitet wurde?

Deutschland wird seine Probleme, ob es sich um die Bereiche Energie, Rohstoffe oder Migration oder seine Beteiligung am Krieg in der Ukraine handelt, lösen können. Es ist noch (!) eines der wirtschaftlich stärksten Länder der Welt.

Eine Chance, aus der Sache heil herauszukommen, hat es dann, wenn die Regierenden nicht losgelöst vom Volk handeln. Wie wäre es mit einem Forum, wo unterschiedliche Lösungen auf Augenhöhe und fern aller Ideologie besprochen werden? Auf die wankende Parteiendemokratie ist immer weniger Verlass, auch sie würde davon profitieren.

Unser modernes Forum sind Rundfunk, Fernsehen und Radio, die sozialen Medien, dort muss die öffentliche Diskussion auf Augenhöhe der Kontrahenten stattfinden. Einstimmige Chorgesänge sind nicht angebracht, wenn sie erklingen, befinden wir uns schon im Vorhof einer Mediokratie/Medienherrschaft.

Gegenwärtig kann die Chance eines gemeinsamen Handelns bei durchaus kontroversen Diskussionen kaum noch wahrgenommen werden. Wenn sich Menschen auf den Straßen ankleben, sollte das als ein Warnzeichen für eine gestörte Kommunikation in unserer Gesellschaft angesehen werden. Die Kontrahenten mit ihren Vorstellungen aller Art müssen für die Öffentlichkeit sichtbar sein, um nur einen Punkt zu nennen. Sichtbar heißt, nicht nur hin und wieder ein Auftritt. Keine Kriminalisierung extremer Positionen, bei denen der arme Amtsrichter entscheidet, was noch gesagt werden darf oder verurteilt werden muss. Es darf nicht als fein gelten, die moralische Empörung als Kampfmittel gegen den Kontrahenten einzusetzen.

Bei umstrittenen Fragen , ob die USA auf Verhandlungen der Ukraine mit Russland bestehen oder ob Deutschland Waffen an die Ukraine liefern soll, geht es zur Zeit in den Talkshows und anderswo zu wie zwischen Gläubigen und Ungläubigen. Schon die Absicht, mit „Ungläubigen“ zu verhandeln, gilt als eine Art Sünde. H.Kissinger, „Staatskunst“, 198, dort zur Verhandlung zwischen Feindstaaten.

Ähnlich klingt es beim Bundespräsidenten, „im Angesicht des Bösen reicht guter Willen nicht aus“. So entstehen Mythen von der Verderbtheit der Russen, und es droht die Wiederbelebung des Völkerhasses, dazu Eugen Ruge, FAZ vom 3.11.22,“ Gibt es einen nützlichen Völkerhass?“, dagegen Gerd Koenen „Verwirrung der Gefühle“7.11.22.

Dem Glaubenskrieg in den Medien zum Ukrainekrieg soll beispielhaft eine Analyse des amerikanischen Politologen, ehemaligen Sicherheitsberaters und Außenministers Henry Kissinger entgegengestellt werden, in „Staatskunst“,C.Bertelsmann 2022 – zum Lesen dringend empfohlen.

Henry Kissinger geht auf ein Dilemma Europas ein und bietet bei genauem Hinsehen Lösungswege an.

Er weist nüchtern auf die strategische Geographie der Ukraine : Bei Eintritt der Ukraine in die NATO würde die Sicherheitslinie, sprich die Ostgrenze der Ukraine zwischen Europa und Moskau, weniger als 500 km betragen. „Damit würde die historische Pufferzone beseitigt, die Russland in früheren Jahrhunderten geschützt hatte, als Frankreich und Deutschland versuchten, das Land zu besetzen“, „Staatskunst“, 540 ff. Umgekehrt stünden wiederum russische Truppen in Angriffsdistanz von 500 km zu Warschau und Budapest, wenn sich die Sicherheitslinie an der westlichen Grenze der Ukraine befände.

Der „ungeheuerliche völkerrechtswidrige Überfall Russlands“ sei der „Auswuchs eines gescheiterten strategischen oder nur halbherzig geführten Dialogs“, ebd.

Kissinger mahnt, angesichts der militärischen Konfrontation „zweier nuklear bewaffneter Militäreinheiten“, das Problem zu lösen und meint damit den Weg der Diplomatie.

Kissinger respektiert in seinen Überlegungen ungeachtet seiner geäußerten Empörung das seit Jahrhunderten in den Vorstellungen Russlands bestehende strategische Interesse der Russen auf Sicherheit durch eine „Pufferzone“. Das unterscheidet ihn von anderen Experten, die ihre Empörung zur Grundlage von öffentlichen Vorschlägen an die Politik machen.

Die Analyse Kissingers führt mich zu meinen Fragen:

Soll nur eine Regelung von Deutschland unterstützt werden, die beide Seiten akzeptieren? Muss Deutschland als Teilhaber am Krieg in Wahrnehmung seiner Interessen mitentscheiden , was der Ukraine an Verzicht zugemutet werden kann? Oder soll ein offensichtlich langer Weg des Krieges fortgesetzt werden, der Russland derart schwächt, dass eine russische Gefahr für die Ukraine auf alle Zeiten ausgeschlossen wird?

Deutschland kann da Erkenntnisse aus dem Versailler Vertrag vom 28.6.1919 einbringen. Durch ihn wurde der Zweite Weltkrieg nicht verhindert, er war offenbar nicht hinreichend rigoros, weil er Deutschland nicht ausreichend schwächte. Der totale Abbruch aller Wirtschaftsbeziehungen und noch mehr Waffen a la Baerbock werden die Atommacht Russland nicht wirklich schrecken, die Sanktionspakete schlagen nicht an, was könnte noch getan werden ? Schnüren weiterer Pakete durch von der Leyen? Deutschland und das übrige Westeuropa gehen solidarisch Pleite? Schafft es die Ukraine mit den USA alleine? Kann sein, muss es aber nicht. Meine Fragen ergeben meine Meinung dazu.

Die“ Pufferzone Ukraine“ im Sinne eines neutralen, durch Drittstaaten gesicherten Staates entspricht den Interessen von Deutschland und Westeuropa, die USA befinden sich sowieso einige 1000 km von der Westgrenze Russlands entfernt. Sie entspricht auch dem, was für die Mehrheit der Deutschen Grundlage der Unterstützung der Ukraine war. Und erscheint für die Ukraine auch hinnehmbar, weil ihre Aufnahme in die NATO angeblich nicht auf der Tagesordnung steht.

Die Präsidenten Selenskyj und Putin standen im Rahmen der Verhandlungen am 29. März 2022 in Istanbul vor einer Verständigung.

Der ehemalige Chefinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzender des NATO-Militärausschusses ( 2002 bis 2005) Kujat bestätigte das mehrmals, zuletzt Ende Oktober. Es habe Einigkeit über die Hauptforderung der Russen bestanden, dass die Ukraine nicht der NATO beitritt, sondern neutral bei entsprechenden Sicherheitsgarantien von Drittstaaten werden wird. Der „Westen“ habe eine Vereinbarung verhindert.

Die Lösung befand sich also greifbar auf dem Verhandlungstisch, zumal die Ukraine und die Russen auch hinsichtlich der Krim und des Donbass nicht weit auseinander lagen.

Die Ukraine beendete Anfang April die Verhandlungen, wenige Tage nach der Ankunft des damaligen Premierminister Johnson in Kiew. War das der Grund für die Reise und warum schweigt die Bundesregierung dazu?

Wie kommt es bei den afrikanischen Staaten an, wenn Russland am 27.10.22 in Moskau eine Feuerpause und Verhandlungen mit der Ukraine fordert und Präsident Selenskyj ein „Nein“ mit der Begründung ausspricht,dass Russland keine „Atempause“ erhalten darf? Quelle: NTV, 19.11.22. Oder zuvor der letzte russische Soldat die Ukraine( also auch die Krim) verlassen haben muss, so zuletzt Selenskyj-Berater Podolyak, Quelle: zdf heute vom 20.11. Oder per Dekret jegliche Verhandlungen mit Putin persönlich ausgeschlossen wurden, Quelle: zdf heute, 4.10.22.

Die Westeuropäer und die USA pumpen das Geld in Milliardenhöhe in die von den Russen zerstörte Ukraine. Geld, das den armen Ländern bei der Klimakonferenz in Ägypten nicht zugestanden werden kann, weil die Möglichkeiten von Ländern wie Deutschland begrenzt sind? Dann gibt es noch viele andere Schmerzpunkte: Düngemittel, Getreide, Verteuerung der Energie. Afrika soll das verstehen und die Russen verdammen? Weil die Russen das so geschickt mit ihren Verhandlungsangeboten eingefädelt haben?

Der russische Außenminister Lawrow hörte sich, offenbar zur Glaubhaftmachung der Bereitschaft Moskaus zur Aufnahme von Verhandlungen mit Kiew, die Videobotschaft von Präsident Selenskyj an die G20 im Plenum an. Er erwiderte sofort und flog erst dann nach Hause. Auch die Vertreter der teilnehmenden Staaten hörten sich beide Reden an, niemand verließ den Raum. Nach einer Isolierung der Russen sieht das alles ungeachtet der scharfen Kritik an Russland auf der letzten Vollversammlung der UNO nicht aus.

Objektiv könnte dagegen angesichts der leidenden Weltwirtschaft die Ukraine ungeachtet des völkerrechtswidrigen Angriffs von Russland isoliert dastehen, weil sie und nicht das raffinierte Russland die Beendigung des Krieges verhindert, egal ob die USA ihr Hintermann sind. Deutschland wie auch Westeuropa, nicht aber die Weltmacht USA, wären mit im Boot. „Könnte“ – ich sehe das genau so.

Es soll bei einer letzten Bemerkung bleiben, die ich genauso hätte voranstellen können, um mir dann alle weiteren Ausführungen zu ersparen.

Vor einigen Tagen, ganz zufällig während der G20 Konferenz auf Bali, wurde das polnische Dorf Przewodow an der Grenze zur Ukraine durch eine Flugabwehrrakete getroffen, zwei Polen wurden getötet. Präsident Selenskyj beschuldigte sofort Russland, ließ sich zunächst selbst nicht von Präsident Biden zurückhalten. Er und seine Experten waren sich offenbar nicht darüber im Klaren, dass die Amerikaner die Flugbewegungen der Raketen auf dem Schirm hatten. Es handelte sich um eine sowjetische Rakete aus der Ukraine, so die Recherchen der amerikanischen Militärs, kein Fall für die Art.4 und 5 des NATO-Vertrages.

Der Verdacht, dass die NATO und damit auch Deutschland als direkte Partei in den Waffenkrieg einbezogen werden sollten, ist schwer zu widerlegen, zustimmend FAZ 19.11.22. Warum soll das oder anderes von Herrn Selenskyj mit seinen ungestümen Beratern Kuleba (Außenminister) und Melnik (sein Stellvertreter) nicht immer wieder versucht werden? Ergibt sich das nicht sogar aus der ukrainischen Verfassung mit der Ergänzung aus dem Jahr 2018 zur Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO? Haben die Präsidenten Biden und Selenskyj alles im Griff? Müssen wir stark im Glauben sein, das wird schon gut gehen?

Der Krieg in der Ukraine entwickelt sich so zu einer existenziellen Gefahr für Deutschland. Die ukrainische Regierung ist leider nicht nur ein Anhängsel der USA, sondern verfolgt eigene Ziele. Sie wird in Washington Unterstützer finden, solange das Territorium der USA nicht direkt in Gefahr ist. Deutschland darf ebenfalls kein Anhängsel der USA sein, wenn es um seine Existenz geht. Deutschland muss seine Beteiligung am Krieg in der Ukraine spätestens nach dem Vorfall an der polnisch-ukrainischen Grenze zurückfahren, m. E. beenden. Das Ziel der Ukraine ist die Kapitulation Russlands zu den Bedingungen der Ukraine. Das Ziel Deutschlands kann niemals eine Kapitulation der Russen oder der Ukrainer sein. Für Westeuropa gilt nichts anderes.


Reinhart Zarneckow