Die Hermeneutik eines verschwundenen Staates

Oder wie war das damals?

von Bettina Zarneckow

In ihrem Blog Tutto paletti brachte mir Anke mit ihrem Artikel „Klischees vor der Linse“ einen Film in Erinnerung, den ich mir längst ansehen wollte. „In einem Land, das es nicht mehr gibt“.
Filme, deren Handlung in dem Land spielt, in dem ich meine Kindheit und Jugend verbrachte, üben auf mich eine besondere Anziehungskraft aus. Die Frage ist immer: Kann ich das Geschehen „absegnen“? Oder werden nur Klischees bedient, die den einseitigen Blick auf die DDR untermauern, den Verdacht bestätigen, DDR Bürger müssten „auf die Couch“, leiden unter dem Stockholm-Syndrom, wünschten sich die Mauer zurück, hatten ja „nüscht“, lebten in einem allzu grauen Alltag?

Ich finde den Film gut gelungen. Wenn er auch nur eine der vielen Nischen der DDR beleuchtet.

Ein wenig konnte ich das Künstlerleben in der DDR beobachten:
Meine Mutter arbeitete im Frankfurter Kleisttheater in der Produktionsleitung. Meine Schwester und ich gingen dort ein und aus, kannten die Werkstätten und erlebten die Künstler auf und hinter der Bühne: Die Sängerin, die ihre Stimme im Turmzimmmer trainierte. Die Pianistin mit ihren Fingerübungen auf einem meist verstimmten Klavier. Den Requisiteuer, der voller Einfallsreichtum Einrichtungsgegenstände bis hin zu Waffenattrappen besorgte. Den Bühnenbildner, der visionär Bilder entwarf und bauen ließ. Die Maskenbildnerin, die Perücken knüpfte. Die Schneiderin, die unglaubliche Kostüme schneiderte und unseren Klavierlehrer, Mitglied im hauseigenen Orchester, Virtuose auf der Klarinette. Es war ein ganz eigenes Milieu. Beeindruckend mit Anziehungskraft. Vergleichbar mit Szenen im Film.

Unglücklich inszeniert im Film ist die Handlung der nacktbadenden Gruppe am Strand.
Galt doch die DDR als fortschrittlich in dieser Hinsicht. Ein Stück Freiheit, was sie ihren Bürgern mit der Freikörperkultur zugestand als Ventil für ihre Unfreiheit?
Sicherlich patrouillierte Grenzpolizei an der Ostseeküste. Aber diese Hatz mit zähnefletschenden Hunden? Nein.

Die Häuser waren grau, aber so heruntergekommen? Doch, leider. Ich habe mir eben Bilder aus meiner Lehrzeit angesehen. Ihr sanierungsbedürftiger Zustand war den viel zu niedrigen Mieten, dem Mangel an Baumaterial und Handwerkern geschuldet, das weiß ich auch.


Die Werkhalle weckt Erinnerungen. Ich habe Fotoreportagen in Betrieben gemacht. Auch in der Wäscherei des Dienstleistungskombinates, wozu unsere Fotoabteilung gehörte. Werkhallen hatten für mich einen gewissen Charme. Die Großwäscherei empfand ich als schrecklich.

Sehr amüsiert habe ich mich über die ältere Dame am Anfang und am Ende des Films, die zuerst mit zwei Autorreifen die Straße überquerte und schließlich mit Karosserieteilen unterm Arm. Eine Parodie auf die berühmte Ersatzteilbeschaffung in der Mangelwirtschaft der sozialistischen Republik? Ersatzteillager in so manchem Keller waren keine Seltenheit und Gold wert.

Ohne Frage ist den Bildern des Films die Farbintensität genommen worden.
Ein Gestaltungsmittel, was Erinnerungen an die damalige Qualität von Farbfotos weckt. Meistens wurden Urlaubsbilder auf Schwarzweißmaterial fotografiert. Selten entschied man sich für einen Farbfilm. Erstens dauerte die Entwicklung der Bilder bis zu einem Vierteljahr. Zweitens waren sie viel zu teuer und sahen dann genauso aus, wie die Bilder dieses Filmes. Für mich hat der Film dadurch etwas Nostalgisches. Wenn auch diese Form der Betrachtung inzwischen ganz schön in Verruf geraten ist. Weil wir „Ewiggestrigen“ das Land, das es nicht mehr gibt, losgelöst von der Regierung und politischen Verhältnissen, unerhörterweise als unsere Heimat betrachten. Man vermisst Vertrautes und Vertrautheiten, die sich gerade wegen der sozialistischen Diktatur entwickelt hatten, kurz gesagt Nischen, eine davon wird im Film dargestellt.

Über mein Leben in der DDR habe ich schon einmal in meinem Blogbeitrag Eine Mitläuferin berichtet.
Aufgrund des Films möchte ich folgende Ergänzungen bringen:

Das Land, in das ich 1968 hineingeboren wurde, gibt es so nicht mehr. Es gibt die Erinnerungen. Erinnerungen an eine friedliche, für mich unbeschwerte Kindheit und Jugend. Persönliche Erlebnisse, die diese Erinnerungen grundlegend trüben, fallen mir nicht (mehr) ein. Wie im Leben eines jeden Menschen lief auch bei mir nicht alles glatt, weder im Kindergarten, noch in der Schule. Aber ich hatte Familie, meine Eltern und meine große Schwester, die immer schon ein Jahr vorher an Ort und Stelle war, wo mich mein Weg noch hinführte. Bis sie nach der 8. Klasse zur erweiterten Oberschule ging, um ihr Abitur zu machen. Dorthin folgte ich dann nicht mehr. Als Zweitbeste der Klasse hatte ich zwar meinen Platz sicher, aber meine ständigen Ängste und meine Scheu standen mir im Weg. Ich gab meinen Platz für meine Mitschülerin Kerstin frei, die ihr Glück kaum fassen konnte. Die drei besten jeder Klasse wurden an die EOS aufgenommen, in die sogenannten Sprachklassen.

Der vormundschaftliche Staat DDR hatte seine Staatsbürger „eingesperrt“. Gegebenheiten standen fest, es gab Regeln, die man mehr oder weniger befolgte. Man kannte die Mitmenschen, die von der Sache des Sozialismus überzeugt waren und achtete ihnen gegenüber auf seine Worte. So zum Beispiel bei unserer Staatsbürgerkundelehrerin.
Sie ließ kein gutes Haar an der BRD, unserem Klassenfeind. Einmal entdeckte sie Fotos von westdeutschen Autos bei mir. Mit den Jungs meiner Klasse kaupelte ich „feindliche“ Fussball- und Autobilder. Ich interessierte mich für beides, ging oft durch Frankfurts Straßen und fotografierte die Autos der Westverwandtschaft, die zu Besuch in der „Zone“ war. Voller Unverständnis erklärte sie mir, dass Trabants und Wartburgs genauso interessant wären. Aus heutiger Sicht muss ich ihr recht geben, eine Rarität. Das ahnte aber damals noch niemand.


Meine Ausbildung zur Fotografin begann ich 1985 in Potsdam. Es war für diesen Beruf die einzige Schule in der DDR und so kamen Lehrlinge aus der ganzen Republik zusammen. Da waren schon einige „Paradiesvögel“ dabei. Während ich mich darauf beschränkte, das Handwerk zu lernen und Fotos nach Aufgabenstellung ablieferte, gab es Mitschüler, die mit ihren Bildern rebellierten.

Die Eheleute Krafft, unsere Lehrer für Technologie und Gestaltungslehre, waren die schillernden Gestalten der Schule, nicht nur wegen ihres großen Altersunterschiedes (sie war einst seine Schülerin). Sie inszenierten sich ständig selbst. Kamen sie an einem Tag in völlig lässiger, fast provozierend unansehnlicher Kleidung, konnte man sicher sein, dass es einem am nächsten Tag fast die Sprache verschlagen würde. Er dann sehr gepflegt, herrlich duftend, oft mit Krawatte oder sogar Fliege. Sie, jugendlich anmutend, in einem hinreißenden Kleid oder ganz Dame in einem eleganten Hosenanzug. Wollten sie unseren Sinn für Ästhetik herausfordern? Mag sein. Ich fand es unglaublich interessant.
Beide waren Fotografenmeister, für mich Künstler, und liebten ihren Beruf. Sie lebten in einem Eigenheim im Potsdamer Stadtteil Caputh, einer reizvollen Seenlandschaft, mit eigener kleiner Yacht.

Ja, auch das war die DDR. Farbenfroh, bunt. Die Farben der Natur waren in ganz Deutschland dieselben. Wir lebten auch mit einer Leichtigkeit. Nicht jeden Tag, aber wer tut das schon?! Jedenfalls standen wir nicht früh auf und verfielen in eine Depression, weil wir uns jeden Tag aufs Neue unseres Daseins hinter einer Mauer bewusst wurden. Wir versuchten das beste aus der Situation zu machen und passten uns den Gegebenheiten an. „Das ist nicht nur praktisch, sondern auch klug.“ (H.-G. Gadamer in einem Interview vom Februar 2000, kurz nach seinem 100. Geburtstag)


Bei vielen Menschen bestand eine Aversion gegenüber den Machthabern unseres Landes und das schweißt zusammen. Es bestand aber auch eine Gemeinschaft, die mit den Plänen der Regierung übereinstimmte: Arbeitsgemeinschaften, Sportgruppen, Musikschulen, Ferienlager und das alles für jedermann und kostenlos.
Das klare, übersichtliche Bildungssystem und dessen verbindliche Strukturen, ohne ständige Veränderungen, wünschte ich mir in die heutige Zeit.

Nicht alles war schlecht in der DDR.
Dass ich das einmal sagen würde?!
Höre ich jemanden von Verdrängung sprechen?

Vor wenigen Wochen traf ich übrigens meine Staatsbürgerkundelehrerin auf dem Friedhof. Etwas unsicher, ob sie sich an mich erinnern würde, grüßte ich. Sie blieb stehen, nannte den Namen der Straße, in der ich wohnte. Nur mit meinem Namen müsste ich aushelfen, so ihre Bitte. Ah ja, und sogleich erkundigte sie sich nach meiner Schwester. Es war ein sehr nettes Gespräch mit der äußerst agilen, gut aussehenden etwa achtzigjährigen Dame, seit acht Jahren verwitwet. Von ihrem Mann habe sie mit auf den Weg bekommen: „Du hast eine gute Rente, du reist gerne, also genieß dein Leben, wenn ich nicht mehr da bin!“
„Und das tue ich! Seitdem mein Mann tot ist, reise ich allein. Ich finde immer Anschluss, bin ja nicht auf den Mund gefallen. Vor wenigen Wochen war ich am Ballermann und übermorgen geht es für drei Wochen nach Tunesien. Alles Gute für sie, Bettina. Auf Wiedersehen.“

Und der Mensch heißt Mensch,
weil er irrt und weil er kämpft
und weil er hofft und liebt,
weil er mitfühlt und vergibt.

Und der Mensch heißt Mensch,
weil er vergisst, weil er verdrängt,
und weil er schwärmt und glaubt,
sich anlehnt und vertraut.

("Mensch" Herbert Grönemeyer)


16 Gedanken zu “Die Hermeneutik eines verschwundenen Staates

  1. Hallo Bettina, so richtig zur DDR will ich mich jetzt nicht äußern – ich stelle nur immer wieder fest, je länger sie vorbei ist, desto besser finde ich sie im Vergleich zu jetzt – aber das ist sehr subjektiv.
    An zwei Stellen habe ich gelacht – mein Sohn, der ja 2 Jahre jünger als seine Schwester und du ist, war auch so ein Autofan – aber er kannte auch alle in der DDR verkauften Autos wie Lada und andere mit allen Einzelheiten. Aber wenn ein Westauto auf der Fischerinsel stand, wurde er ganz wuschig und musste fotografieren gehen.
    Zu solchen Kostbarkeiten wie einer Wartburg Limousine wurde schon mal der Putzeimer in der passenden Farbe gekauft.
    Über den Film hatte ich ja auch berichtet.
    Liebe Grüße

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    1. Diese Kostbarkeit gabs über Genex und wurde in der Farbe des Eimers lackiert 😂, Clara. Das finde ich ja zu nett mit Deinem Sohn, aber so war das eben bei Autofans. Ich habe auch fleißig Autoquartett mit den Jungs gespielt und war richtig gut. Reparieren kann ich jedoch ein Auto bis heute nicht. Aber im Winter die Batterie von meinem Trabant ausbauen, dazu war ich in der Lage.
      Danke, liebe Grüße zurück

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      1. Haha, wie schön ist das denn, wenn man über die gleichen Sachen lachen kann. Von dem Ausbau meiner Trabantbatterie hat mich der Autodieb Anfang 1990 befreit:
        „Auf diesem Innenhof von Foto 3 wurde mir anfangs 1990 mein fast neuer Trabant Kombi geklaut, der wegen der Versicherungsumstellung auf Westtarife noch nicht teilkaskoversichert war, so dass ich 0,00 DM ersetzt bekommen habe. Er hat Ende 1988 immerhin 15.000 Mark gekostet. – Und er wurde nur geklaut, weil jemand bei sturzflutartigem Regen trocken nach Haus kommen wollte. Ich wollte einen Freund zum Bahnhof fahren und der „Standplatz“ war fast noch trocken – also kamen wir ca. zwei Minuten zu spät.“
        Nochmal haha – ja, wer seinen Putzeimer so richtig tief und innig liebt, lackiert schon mal das Auto um.
        Ich überlege gerade, was wir so ab und an im Genex kaufen durften, weil irgendein Besuch ein wenig Geld dagelassen hat.
        Du musst dann das Auto noch eine Weile in Westzeiten gehabt haben, denn bei uns dauerte es ziemlich lange, ehe man in der Fahrschule die Prüfung machen durfte.
        Ja ja, so war der wilde Osten!!!
        Ich glaube, einmal haben wir sogar den Strumpfhosentrick mit dem Keilriemen gemacht – kann aber auch nur Wunschtraum gewesen sein.

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      2. Mein Vater ist im Januar 1989 gestorben, hatte beim VEB Kraftverkehr gearbeitet und wollte mich im selben Jahr für den Führerschein anmelden. Als ich selbst mich dann bei seinen Kollegen angemeldet habe, mit der Nachricht, dass er gestorben sei, kam ich natürlich sofort ran. Keine Bürokratie, na ja, war eben noch DDR. Da ging das.

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      3. Wahrscheinlich hättest du aber lieber deinen Vater länger gehabt als das Privileg, die FAHRERLAUBNIS (finde ich viel zutreffender als Führerschein) schnell zu machen.

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  2. Avatar von lissysmail lissysmail

    Nein, wir wünschen uns nicht die Mauer zurück. Verdrängung?
    Eher Relativierung. Haben wir nicht früher immer belächelt, dass ein Dachdecker der Staatsratsvorsitzende ist? Man traute ihm wenig zu. Man verstand ihn auch so schlecht, rein von der Sprache her. Komisch, da fällt mir gleich Deutschlands Außenministerin ein. Aber fast alle Verantwortlichen in der Regierung hatten eine abgeschlossene Berufsausbildung oder ein abgeschlossenes Studium. Die meisten hatten praktische Berufserfahrung. Parteikarrieren wie heute üblich, gab es die überhaupt? Gut, hat trotzdem nicht funktioniert. Wenn ich nun an die amtierende Bundesregierung denke, kein schlüssiges Denken, Parteikarrieren noch und noch. Abgebrochene Studien und gefährliche ideologische Prägung. Meine Güte, sind wir nicht genug ideologietraktiert, wir ehemaligen …?
    Und wo ist es geendet? Nein, ich denke nicht weiter.
    Steckt viel Herzblut in deinem Text Bettina. Gefällt mir.

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  3. Ich bin ja im Westen aufgewachsen, kann also nicht wirklich mitreden. Aber mein subjektives Gefühl war damals, als ich nach der Grenzöffnung die ersten Menschen aus der DDR kennenlernte (ich bin ungefähr dein Jahrgang), dass die gegenseitige Hilfsbereitschaft bei euch irgendwie stärker ausgeprägt war / ist, als bei den meisten Westlern. Zumindest in meinen Freundeskreisen gehörten die in der DDR Aufgewachsenen aus meiner Sicht immer zu denen, für die es viel selbstverständlicher war, von sich aus ihre Hilfe anzubieten, als es das für die meisten Westler war. Von daher kann ich es gut nachvollziehen, dass es für viele eben auch ein Heimat- / Geborgenheitsgefühl dort gab, was im Westen durch das ausgeprägtere „jede*r für sich“ insgesamt ein wenig verloren gegangen ist.
    Herzlichen Gruß an dich
    Maren

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    1. Das hört man ja oft. Ja es ist so, dass man sich viel untereinander geholfen und mit Dingen ausgeholfen hat. Was der eine nicht hatte, das hatte vielleicht der andere oder kannte jemanden, der es hatte. Mangelwirtschaft hat eben auch ihre Vorteile. Von der Kreativität, die man entwickeln musste und auch gerne entwickelt hat ganz zu schweigen. Aber umgekehrt ging es mir ganz genauso. Als wir die ersten Male aufbrachen, um uns den bisher uns verschlossenen Teil unseres Landes anzusehen, waren wir sehr angetan, wieviel Freundlichkeit uns entgegen gekommen ist und eine wohltuende Neugier. Man erzählte ja gerne über sein Leben. Und es ist immer noch so. Wir machten eine Zeit lang Urlaub auf Spiekeroog. Wunderbar und ausgesprochen herzliche Menschen. Genauso in Bayern und besonders Berchtesgaden. Wir fühlen uns einfach wohl und willkommen. Jeder nach seiner Mentalität und mit gutem Willen, dann kann eigentlich nichts schief gehen.
      Danke, Maren und herzliche Grüße zurück
      Bettina

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  4. Ein interessanter und vielschichtiger Artikel, liebe Bettina! Filme wie dieser regen immer an, zu reflektieren. Und genau das ist gut so. Es ist lange nicht alles erzählt und schon gar nicht bewertet. Es gibt nicht eine pauschalisierte und vereinfachte Wahrheit, Geschichte sind viele Geschichten, in der jeder seinen Platz finden möchte, ohne mit Arroganz abgeurteilt zu werden. Das mit der Freiheit ist ein zweischneidiges Schwert. Man sagte in der DDR, so erinnere ich mich, dass die Menschen im Westen auch die Freiheit hätten, unter der Brücke zu leben. Wenn sie es nicht schaffen. In der DDR wurde man zu seinem einfachen Glück gezwungen, auch die „Faulen“ zur Arbeit abgeholt. Letztlich entscheiden doch die Möglichkeiten, die ein jeder hat, das, was er gern möchte, aus seinem Leben zu machen. Heute ist es das Geld, damals war es die Einstellung oder Staatstreue, die alles möglich machte. Die ideale Lösung ist noch nicht gefunden. Und der offene Blick auch auf das, was nicht schlecht war in der östlichen Hälfte Deutschlands nach dem Krieg, würde helfen, eine gemeinsame Basis für die Zukunft zu haben, die auf Wertschätzung und Verständnis beruht.
    Liebe Grüße aus dem Süden von einer, die trotz der Entfernung immer noch mit den Deutschen und ihren aktuellen Diskussionen mitfiebert. 🙋‍♀️ Anke

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    1. Dankeschön, Anke für deinen schönen und weisen Kommentar! Dein Artikel und der Film haben so viele Erinnerungen in mir geweckt. Ich habe meine Familie mit hunderten Fotos bombardiert 😏.
      Du hast vollkommen recht, die ideale Lösung ist noch nicht in Sicht. Und man begreift nicht, warum nicht auf klare, nachvollziehbare Strukturen, wie die des Schulsystems der DDR, zurückgegriffen wird oder zumindest sich daran orientiert wird. Kommt Zeit, kommt Rat? Hoffentlich. Liebe Grüße an die mitfiebernde Deutsche in Italien 🙋‍♀️ Bettina

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  5. Avatar von reinhart43 reinhart43

    Das Ende der DDR war für viele mit Verlusten verbunden. Es gingen nicht nur Arbeitsplätze und privilegierte Positionen, sondern auch die bisher ganz selbstverständliche Anerkennung in der Gesellschaft verloren. Dabei gehören existenzielle Verluste wie der Tod zu unserem Leben. Die Geschichten, die jeder erlebt hat, werden aber zur Last, wenn über sie aus Angst vor Diskriminierung besser nicht geredet wird. Der Begriff „Mitläufer“ ist zu Unrecht negativ konnotiert. Ohne mitzulaufen gibt es keine Gewinner, das soll im Osten noch ein unschicklicher Gedanke sein. Jedenfalls erquicken Erzählungen wie die von Bettina nicht nur, aber ganz besonders Menschen, die nach vierzig Jahre DDR „mühselig und beladen“ in unserem demokratischen Rechtsstaat zu leben haben. Bettina hat sich also höchst unschuldig mit Aversionen beschäftigt, Wunderbar.

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  6. Bin zufällig über ein anderes Blog hier gelandet und finde deinen Bericht sehr interessant! Wie die Wende über den Osten kam, finde ich – in der Rückschau – wirklich beschissen, denn es gab kein „Handbuch“ für das Leben in der BRD und jede Menge Leute, die nun rüber gingen und den DDR-Bewohnern erzählten, was sie jetzt alles – angeblich! – bräuchten und kaufen, abonnieren sollten – da gab es auch viele echt kriminelle Aktivitäten der einfallenden „Wessis“. Auch die Politik der Rückgabe statt Entschädigung war völlig verfehlt und hat viel Leid angerichtet, was bis heute nachwirkt.

    Was mich immer schon interessiert hat; Diejenigen, die den Staat politisch „getragen“ haben, denen muss doch irgendwann mal aufgefallen sein, dass die Wirtschaft so auf Dauer nicht funktionieren kann. Denn ich gehe davon aus, dass Intelligenz gleich verteilt ist, die Bewohner der DDR also nicht etwa dümmer waren als anderswo. Wie sind sie mit dieser Erkenntnis umgegangen? Oder haben sie das einfach „nicht wahrhaben wollen“ und ignoriert?

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    1. Ja, ich weiß, was du meinst. Ich kann mich auch an einige Dinge erinnern, über deren Kauf ich mich heute noch ärgere.
      Auch die Praktiken der Treuhandanstalt waren unglaublich. Ich denke noch mit Wehmut an meine Simson S 51B. Warum hätte so ein Werk nicht weiter bestehen können. Nur ein Beispiel für viele.

      Die DDR Regierung bestand eben aus Menschen, die ihre Ideologie verfolgten und sie auf Biegen und Brechen durchsetzen wollten. Und das gleiche passiert im Moment wieder. Die Geschicke unseres Landes werden von einer Partei gelenkt, die eine Ideologie verfolgt, die Deutschland schwer schädigen wird, es bereits getan hat.
      Schön, dass du unser Blog gefunden hast und danke für deinen Kommentar.
      Bettina

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