Krieg in Israel und Gaza

Vor drei Monaten habe ich mich zum vom Minister Habeck nach dem 7.12.23 verkündeten Aufruf , „die Sicherheit Israels und seiner Bürger ist Staatsraison Deutschlands“, ziemlich skeptisch geäußert.
Klang Habecks den Staat Israel vereinnahmende deutsche Staatsraison nicht wie ein “my country right or wrong“ ?

Bei Habeck ist nunmehr das große Schweigen angesagt, immerhin noch mutig angesichts der Irrungen und Wirrungen der Ampel.

Die Außenministerin Baerbock hat Israel aufgefordert, „im Einklang mit den jüngsten Anordnungen des Internationalen Gerichtshofes“ die Angriffe auf Rafah einzustellen. „Das internationale Völkerrecht, das humanitäre Völkerrecht, es gilt für alle, das gilt auch für die israelische Kriegsführung.“
Die Außenministerin lässt einen alten Hirsch springen und fordert den Vollzug der seit 1948 von der UNO-Vollversammlung beschlossenen Zweistaatenlösung. China ist mit den USA dabei, Russland schweigt sich offenbar noch aus. Und immer wieder die Aufforderung an Israel, das Völkerrecht einzuhalten, so zuletzt vom Bundeskanzler.

Nun aber schnell weg von der allgemeinen Salbaderei und in kleinen Schritten genüsslich zu den Untiefen der Berliner Politik.
Was geschieht im Falle der Verkündung eines Haftbefehls durch den Internationalen Strafgerichtshof gegen den Ministerpräsidenten und den Verteidigungsminister von Israel im Fall ihrer Visite in Deutschland, sei es nur zu einem Verwandtenbesuch? Selbstverständlich werde das Völkerrecht eingehalten, so schmallippig ein Sprecher der Bundesregierung. Werden die beiden Staatsmänner, ihre Immunität hin oder her, in Deutschland verhaftet werden, wenn sie sich nach Deutschland trauen sollten? Beschluss ist Beschluss, so unvernünftig er auch sein mag? Gibt es schon Planungen für ihre hoffentlich wenigstens komfortable Unterbringung in einer deutschen Haftanstalt? Vorsorglich auch für den russischen Präsidenten Putin, alles am besten in einem sicheren Zweckbau? Erst Staatsraison und nunmehr überlegen wir, wie zwei Minister von Israel in Untersuchungshaft genommen und dann an einen offenbar wild gewordenen Internationalen Gerichtshof ausgeliefert werden, der jedenfalls Maß und Mitte verloren hat?

Was gilt es noch zu rühmen? Der Terror vom 7.10. wird bei jeder öffentlichen Äußerung erst einmal kurz und knapp verdammt, ein bei jeder anständigen Diskussion einzuhaltendes Ritual. Für die angeblichen Freunde Israels ergibt sich daraus die Berechtigung, einfühlsam auf die Einhaltung des Kriegsvölkerrechts durch Israel beim Kampf gegen die Terroristen zu bestehen. Und die ganz Klugen sprechen in genauer Darstellung der Lage, die für die Zivilbevölkerung in Gaza in der Tat grauenhaft ist, auch gerne vom Dilemma, in dem sich Israel befinden würde. Von Hamas gemacht und von Israel nach den Regeln des Völkerrechts aufzulösen, eine tolle Strategie.

Israel befindet sich in keinem Dilemma, es weiß genau, worum es geht und handelt danach.
Die Israelis kämpfen nicht erst seit dem terroristischen Überfall der Hamas um ihr Überleben, sondern seit der Staatsgründung im Jahre 1948. Wer angreift, wird bekämpft, derzeit ist die Hamas, seit vielen Jahren in einer wie wir jetzt wissen verhängnisvollen Weise auch von Israel geduldet, der zu vernichtende Feind.

Was an Opfern vermeidbar gewesen ist, über die Berechtigung von Taktik und Strategie entscheiden dabei nicht das Geschwätz der Anständigen in den Talkshows, die Demonstranten in aller Welt oder sich einfältig stellende Internationale Strafgerichtshöfe, sondern die Militärstaatsanwaltschaft und die Gerichtsbarkeit in Israel. Wer Israels Strategie beim Kampf gegen die Hamas kriminalisiert, spricht Israel voreilig ab, ein Rechtsstaat mit arbeitenden Gerichten zu sein.

Die Hamas kann sich bei Gefahr ihrer sofortigen Vernichtung durch Israel an keinerlei Regeln des Kriegsvölkerrechts halten. Das ist ihre Strategie und alle haben es kapiert. Von Israel wird in diesem Krieg also etwas verlangt, was Hamas weder einhalten kann noch will, der Schutz der Zivilbevölkerung vor dem Krieg.
Insofern wäre es jedenfalls verständlich, dass Israel das Völkerrecht nur reziprok zum Verhalten von Hamas beachtet. Was ungeachtet der unzweifelhaft katastrophalen Situation der Zivilbevölkerung im Gazastreifen mangels völliger Unkenntnis von der Lage insgesamt, so der militärischen Stärke der Hamas, hier aber nicht beurteilt werden soll.

Das Dilemma, das uns alle angehen muss, ist der Erfolg der von der Hamas gewählten partisanischen, jetzt heißt es deregulierten Kriegsführung. Dies alles in einem Hyperinformationszeitalter – mit List und Tücke glauben Aktivisten, so jeden Krieg gewinnen zu können. Die gar nicht so neue Kriegsführung hat hier und jetzt eine besondere Qualität, weil die Unterdrückten und Beladenen in einer Welt ohne wirkliche Grenzen dabei sein sollen.
Deshalb müssen wir zulassen, dass (nicht weil, so einfach ist das für uns) Israel mit dem Kampf gegen die Hamas eine weltzerstörerische Idee (zumindest vorerst) ins Abseits stellen wird. Niemand sollte es sich zutrauen, das durch eine von Menschenrechten geleitete Politik verhindern zu können.

Allerdings muss jenseits aller forschen Sprüche der Zivilbevölkerung im Gaza ein Ausweg eröffnet und sofort geholfen werden. Dabei rede ich nicht so sehr über die so notwendige und dringliche humanitäre Hilfe.

Es geht um das Wort Hoffnung für die Bewohner des Gazastreifens.
Der Verteidigungsminister Joaw Galant fordert, dass Israel nach Ende des Krieges kein Besatzungsregime in Gaza aufbaut. Drittstaaten oder die UNO sollen in Kooperation mit den Bewohnern von Gaza beginnen, eine Verwaltung aufzubauen. Gegenwärtig übernimmt dagegen die Hamas „die Geschäfte“, wenn Israel Gebiete in Gaza freigibt. Ziel und Hoffnung muss sein, dass Einheimische nach Ausschaltung der Hamas Gaza regieren. Galant meint es ernst, er fordert Neuwahlen, weil die extremistischen Kräfte der Regierung seinen Weg ablehnen.

Statt voller Pathos Forderungen wie die seit 1948 nicht gelungene Zweistaatenlösung anzumahnen, sollte Deutschland intensiv Gespräche mit allen Beteiligten führen (wirklich allen, dazu könnten auch Hamas- Leute gehören, ich denke an die Komitees für deutsche Geistliche und Offiziere, die während des 2. Weltkrieges von der Sowjetunion gebildet wurden) .
Dabei sollte nicht Fürsorge, sondern das Interesse Deutschlands im Vordergrund stehen. Die weltweite Propagierung eines internationalen Bürgerkrieges durch Aktivisten, deren Beweggründe angesichts der Leiden der Palästinenser nicht wenige sehr wohl überzeugen, mittels einer menschenverachtenden, sich an keinerlei Regeln haltenden Strategie, muss verhindert werden.

Ist denn ein Krieg in Europa nicht genug?

Warum sollte Deutschland nicht einen Plan vorlegen, der nicht nur unter Ausnutzung der noch vorhandenen Strukturen die Versorgung von Gaza in umfangreicher Kooperation mit den Einheimischen sichern hilft, sondern in gleicher Weise durch Zuerkennung von Zuständigkeiten auch den Wiederaufbau einer Verwaltung schon jetzt (!) ermöglicht?
Warum nicht den Sprung ins Undenkbare wagen und deutsche Verwaltungsbeamte und Polizisten, meinetwegen auch Soldaten, zur Hilfe vor Ort anbieten. Zunächst in enger Kooperation mit Israel und denen, die vor Ort etwas zu sagen haben und eine Kooperation nicht verhindern wollen?
Darüber sollte geredet werden. Vielleicht geschieht das schon. Schön wäre es, ich glaube leider nicht, dass unser Außenamt davon etwas versteht.

Deshalb Neuwahlen!

Reinhart Zarneckow

Gott schütze Israel vor der Staatsraison Deutschlands

Der Terrorangriff der Hamas vom 7.10.23 auf Israel und die von Hamas begangenen Massaker und Geiselnahmen führten am 1.11.23 zu einer großen Ansprache des Wirtschaftsministers Robert Habeck an die Deutschen. Die Sicherheit Israels und seiner Bürger ist Staatsraison Deutschlands, „ sie ist ein historisches Fundament dieser Republik“. Der Gewalt kann nicht mit Friedfertigkeit begegnet werden. Das Recht Israels, sich zu verteidigen, darf nicht bestritten werden.

Vergleichbare Erklärungen zur deutsch-israelischen Staatsraison erfolgten später vom Bundeskanzler, dem Verteidigungsminister und dem Bundesjustizminister. Sie sind im Koalitionsvertrag der Ampel und einer Rede von Angela Merkel im Jahr 2008 vor der Knesset zu finden.

Den Vollzug der großmündigen Erklärungen erleben wir derzeit im Wochenrhytmus.

„Israel wird von Bundeskanzler Scholz gewarnt, die internationalen Friedensbemühungen im Gazakonflikt durch eine Offensive in Rafah zunichtezumachen“ (FAZ vom 18.3.24).
Vergleichbare Äußerungen einschließlich der öffentlichen Aufforderung an den Ministerpräsidenten Netanjahu zur sogenannten Zweistaatenlösung liegen auch von Außenministerin Baerbock und anderen vor. Der gemeinsame Nenner besteht, unter Hinweis auf die Zerstörungen, tausenden Verletzten und Toten im Gazastreifen, in der Forderung an Israel, das Völkerrecht einzuhalten.
Wie auch immer angesichts von todesmutigen Terroristen, die nicht aufgeben wollen?

An dieser Stelle schiebe ich ein, dass in Israel eine strikte Trennung zwischen der Regierung und der Armeeführung besteht. Das militärische Vorgehen, und somit die Einhaltung des Völkerrechts, bestimmt die Armee vor Ort, nicht die Regierung.

Handeln nach der Staatsraison bedeutet „im Konfliktfall“, wenn es um die Existenz eines Staates geht, „notfalls die Rechtsordnung und die allgemeinen Moralitätsregeln zu durchbrechen“ (bei Georg Fichtner, “Machiavelli und der Gedanke der Staatsraison“).
Staatsraison ist offenbar eine Lehre, so “mächtig gewaltig, Egon“, dass sie einem Verfassungsstaat wie Deutschland in keiner Weise entspricht, anders dagegen Israel, einem seit seiner Gründung um seine Existenz ringenden Staat.

Ich sehe zudem Probleme. Ein Randstaat wie Deutschland dehnt seine illegitime Staatsraison einseitig und unaufgefordert auf Israel aus? Und er darf nunmehr, ungeachtet einer den Terror der Hamas weit in den Schatten stellenden deutschen Geschichte, Israel zur Einhaltung des Völkerrechts ermahnen?
Selbst wenn es um Israels Existenz geht? Gibt es irgend jemand mit Verstand, der den strategischen Sinn des Terrorangriffs der Hamas anders als auf die Vernichtung Israels ausgerichtet sieht?

Kulturforum Görlitzer Synagoge

Ich breche ab, mein Misstrauen gegenüber den Treueschwüren von Scholz, Habeck und Co ist hinlänglich beschrieben.

Dabei gab es eine Zeit, in der die Bundesrepublik (alt) kein Randstaat mit flotten Sprüchen, sondern der erste Helfer des um seine Existenz ringenden, im Jahr 1948 gegründeten Staates Israel war.
Dahinter verbarg sich eine „knallharte“ bundesdeutsche Interessenpolitik, die Ben Gurion und Konrad Adenauer mit dem Existenzrecht Israels auf einen Nenner brachten.
1952 verpflichtete sich die Bundesrepublik, 3,45 Milliarden DM an Israel zu zahlen, von den Deutschen als „Wiedergutmachungsabkommen“, von Ben Gurion mit “Schilumim“ (hebräisch, etwa Strafzahlung) unter heftigem Protest der israelischen Öffentlichkeit durchgedrückt. In Deutschland wurde dem Abkommen im Bundestag mit knapper Mehrheit und vielen Gegenstimmen der Union zugestimmt.

Der Bundesrepublik, mit Adenauer an der Spitze, ging es nach der Kapitulation von 1945 um die Wiederufnahme in den Kreis der „zivilisierten Nationen“, sie wollte Souveränität und Handlungsfreiheit erlangen, siehe “Von wegen Wunder der Versöhnung“, FAZ, 12.3.24.

Die Zahlung der Milliarden erfolgte in Form von Sachleistungen wie Maschinen und erwies sich deshalb als Konjunkturprogramm für die deutsche Wirtschaft. Der junge Staat Israel konnte wiederum seine eigene Industrie aufbauen.
Deutschland entwickelte sich zum wichtigsten Unterstützer Israels. Es ist die Rede davon, dass Israel auch militärisch von Deutschland unterstützt wurde, deshalb vielleicht sogar den Sechstagekrieg im Jahr 1967 gewann. Selbst das angebliche Atomprogramm der Israeliten soll im wesentlichen durch die Deutschen finanziert worden sein – dies alles unter größter Geheimhaltung.

Dabei standen für Deutschland die eigenen Interessen im Vordergrund.
Die diplomatische Anerkennung Israels erfolgte erst 1965, nicht weil Israel zögerlich war, sondern weil die Deutschen Nachteile bei den arabischen Staaten befürchteten. Eine lange und dumme Geschichte mit der Überschrift Hallstein-Doktrin, die ich mal eben weglasse.
Die Betonung liegt auf Interessen, deren nüchterne Behandlung beiden Staaten geholfen hat.
In der Folge, als belastete und sich dennoch keinesfalls schuldig fühlende Politiker wie Adenauer nicht mehr das Sagen hatten, wurden die Deutschen mit dem Anspruch der 68er auf ein Bekenntnis der Schuld ihrer Eltern, „nach Auschwitz“, und einem unsäglichen Selbstverständnis eigener Unschuld konfrontiert.

Das Bewusstsein, dies durchgestanden zu haben, veranlasste vielleicht die Bundeskanzlerin Angela Merkel, vor der Knesset im Jahre 2008 die Mär von der auf Israel erweiterten deutschen Staatsraison zu erzählen. Der derzeitige Bundeskanzler verband zuletzt ganz unbefangen seine Botschaft von der Solidarität mit Israel mit einem Hinweis auf das unbedingt einzuhaltende Völkerrecht. Zu wessen Nutzen erfolgen solche Sprüche?

Und wie ist das deutsche Befinden heute?

In einem Bericht von Oliver Jungen (FAZ 16.3.24) über das Lesefestival “lit.Cologne“ wird Deborah Feldmann mit dem Spruch über die „perfide Verdrehung des Antirassismusvorwurfs“ im Sinne einer „Massenhysterie“, angeheizt durch die Medien, zitiert.
Im gleichen Bericht ist von den “mitunter neurotischen Philosemitismus“ die Rede, den die Autorin Dana von Suffrin mit „Stil, Witz und historischem Feingefühl“ in ihrem deutsch-israelischen Familienroman “Nochmal von vorne“ aufgreifen würde.

Wir haben in Deutschland offensichtlich einige Probleme.
Ich werfe einen ersten Stein ins Wasser. Sollten wir mit unserer Mission, wenn es denn sein muss, nicht ganz bescheiden an die Adenauerzeit anknüpfen? Mit der Analyse der Interessen der vielen Menschen aus fremden Ländern in unserem Land beginnen, einen Ausgleich oder auch Auswege suchen? Nein, das wäre nicht die Lösung – dafür aber ein Anfang.
Und dabei haben Menschen wie Deborah Feldmann mit einem Punkt, den ich ihr in den Mund lege, weil er auch meinem Denken entspricht, vielleicht recht: Wir sollten gegenwärtig nicht so sehr dem Staat Israel (oder auch anderen Staaten) vorgeblich uneigennützig helfen wollen. Israel verteidigt sich auf der Grundlage seiner Staatsraison besser alleine und ohne deutsche Ansprache von der Seitenlinie.
Wir haben aber das Interesse an der Verhinderung von neuen Flüchtlingskrisen aus dem Nahen Osten. Das muss unsere Politik gegenüber allen Staaten bestimmen.

Wir sollten im eigenen Interesse den Menschen in Gaza und im Westjordanland ohne viel Geschrei helfen. Vielleicht gelingt den Deutschen dann einiges Gute, nicht nur bei den Geiseln. Einige Deutsche sollten ja noch Erfahrung damit haben, mit der anderen Seite (aha, natürlich sind wir bei Israel) ohne moralischen Aufschlag zu reden, weil alles andere so eine Sache ist, von wegen unserer Geschichte und so weiter.

Und vielleicht hilft das Israel mehr als das Wedeln mit der Staatsraison, ein Instrument nach dem Motto “hilf dir selbst“, in deutschen Händen für Israel eher gefährlich.

Reinhart Zarneckow

Kulturforum Görlitzer Synagoge

Die Außenministerin Baerbock nutzt nur etwas, wenn sie Deutschlands Interessen anerkennt und ohne wenn und aber weltweit vertritt.

Die Außenministerin Baerbock ist dabei vorzuführen, was eine „menschenrechtsgeleitete, feministische“ Außenpolitik ist. Ein Ergebnis ist die Umbenennung des Raumes „Bismarck“ in „Saal der Deutschen Einheit“.

Dabei gibt es zwischen Bismarck und Baerbock einige wenige Gemeinsamkeiten. „Unsere Waffenlieferungen helfen offensichtlich sehr deutlich, Menschenleben zu retten. Also sollte sich eine menschenrechtsgeleitete Außenpolitik ständig fragen, wie sie durch weitere Waffenlieferungen helfen kann, noch mehr Dörfer (in der Ukraine) zu befreien und damit Menschenleben zu retten“, FAZ Baerbock-Interview vom 22.9.22.

„Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden […], sondern durch Blut und Eisen“, Otto v. Bismarck als Ministerpräsident von Preußen am 18.9.1862. Warum cancelt Baerbock also Bismarck, zumal die Ehrung des Reichskanzlers erst nach 1989 in einer Demokratie erfolgt ist?

Frau Baerbock führt aber nicht nur durch die Umbenennung des Raumes in die Irre.

Sie lud zu einer Fachtagung der G7-Außenminister am 3./4.11.2022 im „Friedenssaal“ des historischen Rathauses von Münster ein. Münster war die Wiege des modernen Völkerrechts, so unsere Außenministerin zu ihrem Anknüpfungspunkt.

Münster – Foto Kirche und Leben.de

Die Wahl des Saales wäre in der Tat sensationell und wegweisend gewesen, wenn der russische Außenminister Lawrow von ihr eingeladen worden wäre. Etikettenschwindel?

1648 und davor ging es darum, widerstreitende Interessen der Kriegsparteien des 30-jährigen Krieges zwischen Protestanten und Katholiken auszugleichen und so einen Friedensschluss zu erreichen. „Man kann es geradezu als Weltwunder bezeichnen, dass derart auseinander strebende Interessen sich in dem gemeinsamen Willen getroffen haben, ihre eigenen Dinge zusammen mit den Angelegenheiten der gesamten Christenheit an einem einzigen Ort auszuhandeln“, so der venezianische Vermittler Alvise Contarini zum Westfälischen Friedenskongress.

Frau Baerbock und Kollegen aus den G7-Staaten ging es dagegen bei der Tagung um die Organisation der gemeinsamen Unterstützung der Ukraine zur Fortführung des Krieges in der Ukraine – Sieg der Demokratie über die Autokratie, das Gute gegen das Böse.

Die menschenrechtsgeleitete Außenministerin Baerbock und ihre grünen Berater werden aus der Geschichte des Westfälischen Friedens einiges lernen müssen, wenn Deutschland einigermaßen heil aus dem mörderischen Konflikt in der Ukraine herauskommen soll. Nach vielen Jahren eines grausamen Krieges wurde damals anerkannt, dass um Interessen und nicht nur um den Teilbereich Religion gestritten worden war. Interessenanalyse als diplomatische Aufgabe, erst dann der Interessenausgleich. Das war die Lösung, die zur Beendigung des 30-jährigen Krieges durch einen Friedensvertrag führte.

Keine Vorbedingungen, kein hinterhältiges, „die andere Seite will doch gar nicht“, keine Behandlung der anderen Seite als Inkarnation des Bösen, kein Lamentieren mit den Gräueltaten des Krieges, kein Alleinanspruch einer Religion – an „einem“ Ort, in Münster und Osnabrück,  hatten die Interessenvertreter gemeinsam zu arbeiten. Und haben dann auch den Friedensvertrag präsentiert.

Die unterschiedlichen Interessen und der mörderische Krieg waren nicht mehr das allgegenwärtige, auszurottende Böse, sondern nur noch der Grund für eine Interessenanalyse mit dem Ziel eines Interessenausgleichs.

Nur das sollte das Rollenverständnis oder die Stellenbeschreibung von Frau Baerbock über ihre Aufgaben als Vertreterin der Interessen Deutschlands bei der Beendigung des Krieges in der Ukraine bestimmen.

Die Salzburger Historikerin Lena Oetzel weist auf eine weitere, aus bitteren Erfahrungen entstandene Erkenntnis der damaligen Zeit hin. Die Vertreter der Hauptmächte oder der Kurfürsten hatten nach allgemeiner Überzeugung auch für die Interessen dritter, kleinerer Mächte einzutreten. Spitz bemerkt die Historikerin: „Die gegenwärtig immer wieder geführte Diskussion, welche Rolle die Vereinigten Staaten bei Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine spielen sollten, zeigt die große Bedeutung solcher Rollenverständnisse.“ FAZ 14.12.22.

Reinhart Zarneckow

Deutschland im Blindflug und ohne Kapitän, Herr Selenskyj ist nicht verfügbar

Es kommt wohl die Zeit, dass meine Freunde und Bekannten die Kurve kratzen, wenn sie mich sehen. Voller Wut und Entsetzen verstehe ich die Welt nicht mehr. Ich rede und rede über die Ukraine und Russland, die Ursachen des Krieges und das Leid für die Menschen in der Ukraine und auch Russland. Ich sehe die  Wand immer näher kommen. Die da heißt, endlich muss Schluss sein, einfach reinhauen, nicht nur Waffen sondern auch starke bewaffnete Truppen in die Ukraine schicken oder ganz anders einfach full stop und back to the roots.

Wer will sich das alles noch anhören. Die Ereignisse beginnen mich zu erdrücken. Aber wir sollten dennoch mutig und hellwach  nach vorne schauen. Nach 40 Jahren DDR und über 30 Jahren ertragener Vergangenheitsbewältigung will ich mich auch ein wenig absichern. Ihr solltet das auch tun, Deutsche mit der  DDR – Vergangenheit, die  mit back to the roots nicht gemeint sein soll.

In der letzten Sendung bei Illner wurde durch den ehemaligen militärischen Berater von Frau Merkel, Ex General Vad, einiges bemerkt, was in der FAZ vom 18.3. kolportiert wird. Wichtig erscheint mir, was die Zeitung dabei unterschlägt.

Nicht verschwiegen wird seine Bestätigung der Befürchtung des Grünen Robert Habeck, der eine atomare Eskalation als realistische Bedrohung dem hoffentlich hellhörig werdenden deutschen Publikum nahe brachte. Für die russische Militärdoktrin gelte im Unterschied zur amerikanischen auch die Taktik  begrenzter  Atomschläge. Nicht erörtert wurde, was  die USA oder die NATO für diesen Fall vorgesehen haben.

Unterschlagen wurde Vads  zaghafter Hinweis, dass für die Ukraine und Russland ein guter Zeitpunkt besteht, sich zu verständigen. Russland habe bestimmte Kriegsziele in Form von Geländegewinnen erreicht, die Ukraine verteidige sich weit über die Erwartungen der Russen. Also würde keiner das Gesicht verlieren. Eisiges Schweigen und Unverständnis in der Runde.

Die Frage nach den Vorstellungen der Ukraine für eine Beendigung des Krieges wurde durch den anwesenden ukrainischen Botschafter nicht beantwortet. Die Ukraine sei bereit, „alle möglichen Kompromisse“ einzugehen. Konkret werden könne die Ukraine erst in den direkten Verhandlungen der beiden Präsidenten.

Lauter Beifall von der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses des Bundestages Strack-Zimmermann. Das sei allein eine Angelegenheit der Ukraine. Deshalb muss es heißen Blindflug der Bundesregierung, notiere ich.

Überhört wird auch der Hinweis des Generals, dass das gegeneinander Aufrüsten keine gute Idee sei. Die Pläne der Grünen für eine neue Sicherheitsdoktrin Deutschlands erwähnte er nicht. Wurde der General im Hinblick auf die amerikanische Ankündigung einer Zahlung weiterer 800 Millionen Dollar für Rüstungsgüter  an die Ukraine von Frau Merkel gar gebeten, in der Sendung auf die Bremse im Sinne einer Entspannung der demoralisierten und schuldbewussten deutschen Politiker zu treten? Habeck stand kurz vor den Tränen. Ich möchte Frau Merkel wieder haben, meine Stimme hätte sie.

Wir kennen in etwa die Vorstellungen Putins, die offenbar immer noch von vielen Russen geteilt werden, von 71 % ist nach einer wohl seriösen Umfrage die Rede. Eine wirklich neutrale Ukraine außerhalb der NATO, Russland soll behalten, was es mit der Krim, Luhansk und Donezk schon hat.

Die Frage ist nicht, ob das der Atommacht Russland zusteht. Das Völkerrecht sagt dazu ein klares Nein, genauso wie schon früher beim Irakkrieg, Kosovokrieg etc. Da offenbar im Konfliktfall bei starken Mächten das Völkerrecht oft mit angeblichen höchst moralischen Gründen ausgesetzt wird, müssen Lösungswege ohne es gefunden werden. Das ist die Stunde von Politikern wie Talleyrand, Bismarck, Willy Brandt und Egon Bahr.  Wir dürfen  nicht den  Krieg sich selbst überlassen, weil eine Seite im Unrecht ist und das partout nicht einsehen will. Und überhaupt, wo wollen wir da  beginnen? Chirurgen wie Sauerbruch quatschen nicht, sie konsultieren sich aber und beginnen dann sofort mit der Operation.

Ein Krieg muss sofort beendet werden, er darf keine Chance zur Ausbreitung erhalten. Die Vergangenheitsbewältigung kommt später, viel später, wenn sie nachhaltig sein soll. Macron und Scholz, hört auf zu  telefonieren, um so en passent die nächsten Wahlen zu gewinnen. Bleibt sauber, es wird alles durchschaut. Verhandelt auf Augenhöhe mit beiden Seiten des Krieges und sorgt dafür, dass die USA und weitere Mitglieder der NATO mitmachen. Und wir sollten aufhören, uns moralisch zu erregen, sondern von den Entscheidern Leistungen für den Frieden fordern. Wir sind nicht  die Opfer und wollen es auch nicht infolge der Unfähigkeit der Bosse werden.

Biden hat mit seiner Erklärung, dass die NATO für die Ukraine nicht kämpfen würde, einiges auf den Weg gebracht. Die Frage ist, ob Putin es bei dem von der EU, den USA und der NATO ersatzweise geführten Wirtschaftskrieg belässt. Den Russland nicht gewinnen kann, ganz im Gegenteil, die Wirtschaft Russlands wird vernichtet werden, meinen einige fröhlich und optimistisch. 

Ich sehe dennoch sehr gute Chancen für eine Zurückhaltung des sich verrechnet habenden Putins,  meine aber, dass der Wirtschaftskrieg Deutschland und der ganzen Welt schadet und  ein  Ende des Krieges verzögert.

Deutschland schießt sich selbst ins Knie, wenn es nicht aufpasst. Das aber ist gar nicht das Schlimmste. Ich sage es mit den beschönigenden Worten des ukrainischen Botschafters Melnik, der das Restrisiko einer atomaren Auseinandersetzung in Europa klein redet  Das „bisschen“ Restrisiko ist schlimm und gefährlich für Deutschland, sogar mehr als die gerne besungenen  Rechts- oder Linksradikalen  oder gar die AFD im Inneren.

Deshalb erwarte ich von der Bundesregierung, dass sie den sicheren Weg geht. Das Interesse der Deutschen kann nicht die blinde Zustimmung zur Aufrüstung der Ukraine mitten in diesem Krieg sein. Es darf nicht einmal in einer strategischen Überlegung  konzediert werden, dass Putin wegen der Waffenlieferungen plus Wirtschaftskrieg  „den Waffengang“ nach Westen ausdehnen könnte.

Doch ist das Kind nicht schon in den Brunnen gefallen? Deutschland ist durch die Waffenlieferungen und Sanktionen zumindest mittelbar Beteiligter an diesem Krieg, alles andere ist Augenwischerei. Deutschland befindet sich in einem mit allen Mitteln geführten Wirtschaftskrieg. Dies ist nur dann gerechtfertigt, wenn Deutschland sich an den Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland mit starker Stimme beteiligt. Das lehnen die Herren aber ab, niemand kann es logisch begründen.

Beginnen wir mit dem Kleinen, mit  Anstand und etwas mehr Selbstbewusstsein. Es wird nicht geklatscht, wenn fremde Staatsoberhäupter deutsche Politiker beschimpfen,  nicht im Bundestag oder auch nur in einer Talkshow, es wird gebuht oder eisig geschwiegen.   Ziel kann nur die Beendigung des Krieges, die Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat und die Eindämmung der Sanktionen sein, bei gleichzeitigem Aufbau einer Sicherheitsstruktur für ganz Europa. Zug um Zug, Abbau von Sanktionen gegen Aufbau von Sicherheit für die Westeuropäer,  alle Russen, Ukrainer und die vielen nationalen Minderheiten. Das ist die Hauptaufgabe.

Und die NATO mit Deutschland an der Spitze wiederholen demgegenüber das, was ihnen Putin seit Jahren vorwirft. Ohne den Weg der Verhandlung mit Russland zu beginnen, Vertrauen zu schaffen, wird einseitig unter Bruch von Vereinbarungen die Ostflanke der NATO gestärkt – was die baltischen Staaten schon seit Jahren gefordert hatten. Worüber hat sich der französische Präsident über sechs Stunden mit Herrn Putin unterhalten, darüber und darauf verschließt sich die Auster Putin? 

Eine neue nationale Sicherheitsstruktur  a la Baerbock mit Tarnbombern und Beteiligung an der atomaren Aufrüstung Deutschlands insgesamt, noch mehr Einfluss auf die NATO,  erschreckt auf längere Sicht nur die Nachbarn. Oder bleiben die Tarnbomber bei dem nächsten Konflikt auf dem Boden? Nütze den Krieg in der Ukraine, um die lahme Bundeswehr aufzurüsten, wieder mal gegen die Gefahr aus dem Osten, ist das die neue Losung?  Ich kann gar nicht so schnell denken, wie sich die Grünen militarisieren. Was ist mit ihrer Vergangenheitsbewältigung Nr.1?

Solange die Ukraine auf ein inhaltsleeres  „zu allen Kompromissen bereit“ beharrt, Verhandlungen der beiden Präsidenten  nicht zügig vorbereiten lässt, nicht wie die Russen  ihre Ziele  darstellt,  darf Deutschland die Ukraine nur bei der Linderung der Not der Menschen unterstützen. Das ist eine Lehre aus dem Scheitern von  Minsk 2, das Deutschland nicht zu verantworten hat.  Kein Euro und keine Patrone, wenn …

Fazit: Es wird eine Hungersnot in Afrika mit Millionen von Hungertoten und Flüchtlingen nach Europa ab dem Jahr 2023 prognostiziert, wenn Russland und die Ukraine ihren Weizen nicht anbauen und liefern können. Es besteht die Gefahr, dass wir die Klimawende nicht meistern. Es geht um die Not der Welt und nicht darum, ob wir Deutschen in der kalten Jahreszeit etwas mehr anziehen oder ob die Energiepreise in Deutschland steigen. Um letzteres geht es aber auch. Und solange die Bundesregierung nichts schafft, sollte niemand frei Haus auf etwas verzichten. Um der Verschwendung für militaria ein wenig Einhalt zu gebieten oder den toll Gewordenen etwas zu signalisieren.

Übrigens glaube ich auch nicht daran, dass eine Landmacht ohne atomare Unterstützung durch einen Dritten einer Atommacht widerstehen kann, ohne dass es zu einem Kollateralschaden größeren Ausmaßes kommt.

Reinhart Zarneckow

Warum der ehrliche Herr Habeck nicht der Spitzenkandidat der Grünen geworden ist.

In der doch wohl als seriös zu bezeichnenden FAZ vom 25.9.2021 lese ich folgende Episode aus dem Alltag der in die Bundesregierung unaufhaltsam strebenden Grünen.

Im Kreisverband Reutlingen stand das Grünen Mitglied David Allison in einer Vorstandssitzung dieses Jahres auf. Er erklärte ungeachtet seiner Männlichkeit, für einen weiblichen Listenplatz kandidieren zu wollen. Nein, er plane keine Geschlechtsumwandlung. Er lebe in einer lesbischen Beziehung, diese Erläuterung war für seine wohl erstaunte Ehefrau bestimmt.

Tatsächlich heißt es im Parteiprogramm der Grünen laut der FAZ , „von dem Begriff Frauen werden alle erfasst, die sich selbst als Frauen definieren”. Bei Herrn Allison handelt es sich um einen Unterstützer der Frauenbewegung. Er befürchtet offenbar, dass mit der Auflösung des körperlichen Geschlechtes die Berücksichtigung von Frauen laut Geburtsurkunde eingedämmt werden könnte.

Angeblich soll in Bayern ein anderer Grüne namens Markus Gatterer als Tessa sogar einen Listenplatz für die morgige Bundestagswahl erlangt haben. Wobei der Wahlausschuss ihn noch mit dem Vornamen Markus gemäß der Geburtsurkunde registriert haben soll.

Denkbare Strategie: Frauen kandidieren in entsprechender Proportion als Männer und verhindern so die Eindämmung der Frauen bei der Besetzung von Listenplätzen. Die Proportionen werden anhand der Geburtsurkunden bestimmt.

Herr Habeck hatte angenommen, dass Frau Baerbock ihm den Vortritt lassen würde und war dann sehr enttäuscht. Er hätte besser daran getan, eine Erklärung zur Person als Frau abzugeben, um so im Sinne einer den Grünen dienenden Verantwortungsethik Frau Baerbocks maßlosem Ehrgeiz entgegen zu treten.

Reinhart Zarneckow