The „German Angst“ vor Putins Russland – eine gefährliche Politik

Ich stelle mir vor, ich lebe im Jahre 2125 und schaue auf die deutschen Entscheidungen im dritten Jahr des Ukrainekrieges zurück:

Bei den alten Griechen wurde mit Kairos der rechte Zeitpunkt für eine Entscheidung verstanden.


Beim Bogenschießen handelt es sich um den Moment, in dem ein Pfeil mit ausreichender Kraft abgeschossen werden kann, um sein Ziel zu erreichen.

Der Historiker Hans Delbrück beschreibt, wie Deutschland im ersten Weltkrieg den rechten Zeitpunkt für einen Verständigungsfrieden verpasste (in: Ludendorffs Selbstpoträt, 1922).

Kardinal Pacelli, der 1939 zum Papst Pius XII. gewählt wurde, bot sich 1917 als Vermittler zwischen England und Deutschland an.

Die Engländer waren sich einig, dass Deutschland weder direkt noch indirekt die Vorherrschaft über Belgien erlangen dürfe. Das würde die deutsche Weltherrschaft (!) bedeuten.

Die Deutschen waren sich uneinig. Wenigstens auf Zeit sollte die Stadt Lüttich aus militärischen Gründen unter dem Einfluss Deutschlands bleiben, so Ludendorff. Andere waren bereit, ohne wenn und aber Englands „belgische“ Bedingungen anzunehmen, setzten sich aber nicht durch.
Die beiden friedenswilligen Länder schrammten laut Delbrück haarscharf an einer Verständigung vorbei.

Die Vermittlung durch Pacelli wurde eingestellt. Der Diktatfrieden von Versailles wurde nicht verhindert, übrigens begann auch der Zerfall des British Empire.

Die Ukraine und Russland haben im März 2022 ebenfalls den rechten Zeitpunkt für einen Verständigungsfrieden verpasst. Mit Ausnahme der Krim hätte die Ukraine wahrscheinlich in ihren alten Grenzen weiter existieren können – es hätte sich jedenfalls gelohnt, die Verhandlungen nicht mit dem Hinweis auf Kriegsverbrechen in Butscha, vermutlich auf Drängen von England und den USA, zu beenden. Ob über das Scheitern der Verhandlungen hinaus in 100 Jahren die Gründe dafür noch mehr als ein nichtssagendes Achselzucken hervorrufen werden, bezweifele ich.

Drei Jahre später bemühen sich die USA unter dem neu gewählten Präsidenten Trump um einen Verständigungsfrieden. Dahinter steht das amerikanische Interesse, zum richtigen Zeitpunkt mit vorteilhaften Beziehungen zu Russland und der Ukraine aus dem Krieg auszusteigen.

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Die Schilderung der erfolglosen Bemühungen der unglückseligen Koalition der Willigen, auch ohne die USA weitermachen zu wollen und die Ukraine mit vielen Milliarden Euro und den Waffen aus ihren Depots weiter im Verteidigungskrieg zu halten, genauso Kiews Bemühungen, NATO-Staaten direkt in den Krieg hineinzuziehen, wird in weiterer Zukunft bestenfalls ihre Promotion betreibende Akademiker bewegen.

Interessieren wird dagegen der Umstand, dass die irrlichternden Europäer das Dilemma verkennen, in dem sich die Präsidenten Selenskyj und Putin befinden.

Angesichts der Kiew geradezu aufgedrängten milliardenschweren Gelder würde Selenskyj politischen Selbstmord begehen, wenn er einen Verständigungsfrieden unter Aufgabe seines Siegesplanes und des Verlustes von umfangreichen Gebieten zulassen würde.

Und Putin fehlt offensichtlich das Vertrauen zu einer Verständigung auf Grundlage eines Waffenstillstandes, den er als eine Atempause für Kiew vor Wiederaufleben neuer Kämpfe ansieht. Er versteht den Krieg als einen Ringkampf (Clausewitz) und sieht nicht Russland, sondern die Ukraine näher am Boden.

Politikern wie Merz fehlt das Einfühlungsvermögen, sich in die Lage Putins und Selenskyjs zu versetzen, und so gelangen sie zur Entscheidung, die Ukraine bedingungslos zu unterstützen – Präsident Selenskyj befindet sich gewollt oder auch nicht in der Falle dieser europäischen Hingabe.

Wird in 100 Jahren noch interessieren, was Politiker wie Bundeskanzler Merz veranlasst hat, in ihrer Politik hin und her zu lichtern? Wie ein Zauberkünstler der Öffentlichkeit vorzugaukeln, einerseits den atomaren Schutz der USA bewahren und andererseits den Rückzug der USA aus dem Krieg durch eine bedingungslose Unterstützung der Ukraine konterkarieren zu können?

Wird interessant bleiben, dass Frau von der Leyen als Kommissionspräsidentin der EU bei der auf dem Trumpschen Golfplatz in Schottland verhandelten angeblichen Knebelvereinbarung über Zölle auf Waren aller Art (15% auf den Export in die USA, 0% bei Importen von dort, auf weitere Feinheiten muss ich aus Platzgründen verzichten) wie das Kaninchen auf die Schlange schaute und brav den Daumen nach oben streckte?

Das alles wird im Jahre 2125 niemanden mehr besonders erregen. Auch nicht die abgestandene Begründung für solche Willfährigkeit. Damit meine ich die schon vor den zwei Weltkriegen beschworene russische bzw. bolschewistische Gefahr aus dem Osten, die nach neuer Lesart nur von der Atommacht USA und nicht von Staaten wie Deutschland und Frankreich abgewehrt werden könne.

Dagegen wird bestimmt noch in hundert Jahren in Erinnerung bleiben, ob Deutschland angesichts der Umgestaltung der Welt durch eine neue Handelspolitik der USA und deren Rückzug aus Europa richtige Entscheidungen rechtzeitig treffen konnte.

Erinnert wird sicher werden, ob sich Deutschland dem Rückzug der USA aus dem Krieg in der Ukraine rechtzeitig angeschlossen hat. Keine schwierige Aufgabe, weil Deutschland jederzeit die militärische Unterstützung der Ukraine beenden kann. „Komplex“, weil es dann auch die Koalition der Willigen mit Frankreich und England verlassen muss, sofern sie nicht zerfällt.

Zurück zu den wichtigen Entscheidungen, die Deutschland rechtzeitig treffen muss.

Die USA haben mit einer die Staaten der ganzen Welt belastenden Wirtschafts – und Zollpolitik das Spiel Einer gegen Alle aufgenommen.
Wird Deutschland akzeptieren können, dass die USA offenbar ungeachtet der immer noch wichtigen transatlantischen Beziehungen und der gemeinsamen Zugehörigkeit zur NATO allein auf der anderen Seite spielen will und nicht mehr der freundliche Hegemon ist?

Deutschland als drittstärkste Wirtschaftsmacht der Welt wird sich also angesichts der Amerika-first-Politik rechtzeitig entscheiden müssen, die wichtigsten Staaten einschließlich Russlands mit seinen Rohstoffen wie seltene Erden, Erdgas und Öl als Handelspartner und Investitionsmarkt zu gewinnen, um so von den USA unabhängig und eine starke Wirtschaftsmacht zu bleiben.

Genau deshalb wird es die auf dem Trumpschen Golfplatz getroffenen Vereinbarungen so weit wie möglich „um des lieben Friedens willen“ einhalten.

Bleibt noch die von Politikern wie Kiesewetter über Klingbeil bis Merz angeheizte „German Angst“ vor den Russen, die gegenwärtig Deutschland auslaugt – Zahlungen an die Ukraine in Höhe von 9 Milliarden Euro in 2026, Zahlungen an die USA inform von Investitionen, Zollgebühren und für Waffenlieferungen an die Ukraine, Erhöhung des Verteidigungshaushaltes auf über 83 Milliarden Euro in 2026, Bürgergeld für die Ukrainer u.s.w.

Da entschieden worden ist, Deutschland aufzurüsten, sollten die Regierenden damit aufhören, Angst und Schrecken vor den Russen zu verbreiten. Die kostspielige Wiederherstellung der von der Regierung Merkel zugunsten der Interventionsfähigkeit (Afghanistan) aufgegebenen Verteidigungsfähigkeit soll Deutschland doch schützen, ansonsten sollte Deutschland es sein lassen. Die Russen sind schon jetzt nach den Aussagen seriöser Militärexperten wie Wolfgang Richter (Oberst a.D. und Associate Fellow beim Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik) und Prof. Dr. Varwick nicht fähig, NATO-Staaten mit dem Ziel der Vernichtung ihrer Streitkräfte anzugreifen oder auch nur die Streitkräfte der Ukraine auf die Schnelle von nunmehr drei Jahren zu überwinden.

Der von der Union, der SPD und den Grünen, genauso aber auch von der AFD gehuldigte Gesinnungsmilitarismus – ein weites Feld, auf das ich hier nicht eingehen kann – schadet Deutschland, weil er die Erfüllung lebenswichtiger Aufgaben wie Migration, Bildung bis zum Ausgleich von Klimaschäden behindert.

Die Ukraine wird, wenn sich die USA und Deutschland aus dem Krieg in der Ukraine mit Bedacht ausklinken, ihren Frieden mit Russland finden (müssen). Sie hat dann auch nach innen alle Voraussetzungen dafür, als die schwächere Seite Russland einen Erfolg versprechenden Vorschlag für Verhandlungen zu unterbreiten.

Deutschland hat mit Minsk 2, der Hinnahme des Terroranschlages auf die Pipelines Nordstream und der Aufnahme von nicht wenigen ukrainischen Flüchtlingen seine Schuldigkeit getan.

Reinhart Zarneckow

Heimatbrief

Als Reinhart und ich uns vor einigen Tagen mit Heidi und Rolf über „Heimat“ unterhielten, habe ich mich an meinen Heimatbrief erinnert, verfasst im März 2019.

1904 kamen meine Urgroßeltern aus Baudach in der Neumark nach Frankfurt an der Oder. Baudach liegt etwa 50 km von Frankfurt entfernt.

Frankfurt ist die Stadt, in der ich geboren und aufgewachsen bin.
Ein Gefühl für Heimat entsteht für mich schon, wenn ich an unseren Schrebergarten in der Birnbaumsmühle denke. Meine Eltern haben ihn im selben Jahr bekommen wie mich.
Auch die Heimkehrsiedlung ist ein glücklicher Ort meiner Kindheit. Viele wunderschöne Wochen, vorwiegend in den Ferien, haben meine Schwester und ich bei Tante Lissi, einer Cousine meiner Mutter, verbracht. Sie und Onkel Schorsch hatten einen Garten hergerichtet, wie ich ihn vorher nicht kannte und auch nie wieder gefunden habe. Einen Ort voller Leichtigkeit und Unbeschwertheit, mit Freude und Glück. Ein kleines, nein vielmehr großes Idyll, umgeben von schützenden Mauern. Viele Beete und Wege, Bäume, Beerensträucher, Zuckerschoten und vor allem Blumen. Löwenmäulchen sind lieblich in meiner Erinnerung verankert. Ein großes Beet voller Gladiolen. Bunt und elegant. Mit ihrem Collie Dixi, der mir immer so groß erschien, wie ich es war, machten wir abenteuerlich anmutende Spaziergänge. Nach mühsam überwundener Angst hatte ich Dixi in mein Herz geschlossen.

Heimat ist auch die Zillestraße, auf der Nachbarskinder, Schulfreunde meine Schwester und ich rollschuh-, gleitschuh-, fahrradfahrend, ballspielend und gummihopsehüpfend jeden Quadratmeter vermessen haben.
Das Kino der Freundschaft in der Friedrich-Ebert-Straße zählt dazu, ebenso das Lichtspieltheater der Jugend inmitten der Stadt. Der Topfmarkt, wenn er zum Rummelplatz wurde. Die Volksschwimmhalle, in der ich das Schwimmen lernte, das Stadion der Freundschaft, in das ich mit den Jungs meiner Klasse ging, um den FC Vorwärts spielen zu sehen.

Natürlich unser Haus, das Haus meiner Großeltern, mit unserer Wohnung, unserem Hof, auf dem wir zu jeder Jahreszeit spielten, den alten Birnbaum abernteten, die wohlbehüteten Autos und Mopeds putzten, auf die Klopfstange gehängte Teppiche ausklopften, die frisch gewaschene Wäsche mit Wäschestützen in den Wind hoben, so dass sie ordentlich flatterte.

Auch oder gerade der Friedhof gehört zu meiner Heimat. Schon zu einer Zeit, als meine Schwester und ich noch Kinder waren. Mir hat sich folgendes Bild eingeprägt: Meine Großmutter, meine Mutter, meine Schwester und ich gehen am Wochenende in Sonntagskleidung zu den Gräbern unserer Familie. Oft erzählte meine Großmutter Geschichten über diejenigen, die wir dort besuchten. Über meinen Großvater immer dieselbe. Er weigerte sich stets, mit auf den Friedhof zu gehen. Dort läge er noch lange genug. (Übrigens erzähle ich diese Geschichte heute meinen Kindern auf dem Weg zu unseren Gräbern.)
Mein Vater bereitet derweil das Sonntagsessen zu. Auch Heimat! Ein Gefühl von Stabilität und Sicherheit.
Es ist eine wohlige, Geborgenheit gebende, sanfte und schöne Erinnerung an sonnenhelle Tage. Selten stelle ich mir Wintertage oder Regentage vor.

Genau dieses Gefühl habe ich auch, wenn ich etwas aufschreibe, Begebenheiten und Erinnerungen. Wenn ich einen Gedanken gefunden habe, der mir wichtig scheint. Oder wenn ich versuche, auf Briefe von Freunden zu reagieren.
Immer ist etwas in ihren Texten, das bei mir wie der Sprachblitz im Sinne von Hans-Georg Gadamer wirkt, plötzlich mein Gedächtnis erhellt, eine Gedankenverknüpfung herstellt, die ich mit Worten meiner Muttersprache beschreiben und wiedergeben möchte. Auch das ist für mich Heimat, mit einem Freund „in Resonanz“ zu treten in einer Sprache, in der wir beide zuhause sind.

„Was wäre das Denken ohne die Briefe an Freunde?“ Hannah Arendt

Hegel soll gesagt haben: „Heimat ist dort, wo man sich nicht erklären muss.“
Ein Freund sagte einmal mit einem Seitenblick zu mir: „Heimat ist dort, wo man sich erklären kann.“

All das erfüllt mich also und gibt mir das Gefühl eines schönen Tages meiner Kindheit.
Warum eigentlich Kindheit? Blickt man immer zurück, wenn es um Heimat geht?
Schelling nannte Heimat etwas Unvordenkliches.

Man kann vielleicht nicht sagen, wann das Gefühl für Heimat einsetzt. Ich spüre nur, dass aus der Zeit, die hinter mir liegt, vieles auf ein vorhandenes, immer dagewesenes trauliches Gefühl aufbaut, das mir das Bewusstsein für Heimat gibt.

Bettina Zarneckow

Zärtlich gedacht

Wenn du da wärst - 
wollt' ich gar nichts schreiben,
solang du weilst nur bei dir bleiben,
den Uhrenzeiger bitten still zu steh'n,
jede Sekunde hindern am Vergeh'n.
Wenn du nur da wärst - 
würd' ich endlos mit dir schlendern,
gewohnte Wege deinetwegen ändern.
Ich hielt dich fest mit beiden Händen,
wollt' jedes Unglück herzhaft von dir wenden.
Wenn du nur da wärst - 
wünscht' ich, wenn du gingst,
du wärest angekommen.
Doch jede Hoffnung in mir ist verschwommen.
Ich schreibe, 
meine Feder kann nicht ruh'n.
Du bist nicht da
und deshalb muss ich's tun.

Bettina Zarneckow

Mein Vater

Bei meiner Geburt war mein Vater 45 Jahre alt. Er starb zwei Monate nach meinem zwanzigsten Geburtstag im Januar 1989.
Georg Herbert Johannes Biegon wurde am 10. März 1923 in der Stadt Tost in Schlesien geboren.

Ich weiß wenig aus seiner Kindheit, aber folgende Geschichte hat er uns Kindern erzählt: Seine Familie lebte von der Landwirtschaft und besaß einen Bauernhof in Tost. Zum Hof gehörte neben einem Pferdefuhrwerk auch ein Motorrad. Unerlaubt und längst nicht alt genug dafür, fuhr er mit diesem Motorrad umher, wusste aber nicht, wie er es anhalten sollte. Und so drehte er solange Runden, bis kein Benzin mehr im Tank war. Als Strafe verordnete ihm sein Vater das Knien auf getrockneten Erbsen. Im weiteren Vollzug musste er sich auf einen Stuhl setzen und abwarten, bis sich auch die letzte Erbse von seinen Knien gelöst hatte.

Nach der Schule machte er eine Ausbildung zum Bäcker. Für seine Pfannkuchen war er zeitlebens berühmt.
Meine Arbeitskollegen wünschten sie sich regelmäßig. Und so ließ er es sich auch nicht nehmen, sie zu jeder Brigadefeier höchstpersönlich in meiner Fotoabteilung anzuliefern.

Im 2. Weltkrieg war er Soldat bei der Kriegsmarine und sowohl in Italien – Bari und La Spezia -, als auch in Norwegen stationiert. Er erzählte immer gern aus dieser Zeit. Beim Reden wuchsen sein Eifer und seine Gestik. Er mochte die Landschaft Italiens und Norwegens und die Menschen dort, so meine Schwester, die sich an vieles besser erinnern kann.
Er sah sich wieder als jungen Mann, Anfang zwanzig, in Uniform auf einem Marineschiff vor fremden Küsten und in Häfen auf den Meeren der Welt.


Mit dem Ende des Krieges geriet er in Kriegsgefangenschaft, kam in ein kleines Dorf bei London und arbeitete in der Landwirtschaft. Auch in England hat es ihm gefallen.
Als er entlassen wurde, lag sein Heimatort Tost nicht mehr in Deutschland. So siedelte er sich nahe der deutsch/polnischen Grenze im Oderland an, lebte zunächst in Seelow und zog im April 1962 nach Rathstock, wo er schon vorher einige Jahre Bürgermeister gewesen war.

Er hatte sich das Saxophonspielen beigebracht und tingelte an den Wochenenden mit seiner Band „Die Duranos“ über die märkischen Dörfer. Sachsendorf, Dolgelin, Alt-Tucheband … Vielleicht mag ich seinetwegen das Instrument und seinen Klang so gern, dabei habe ich ihn beim Spielen auf seinem Saxophon nie erlebt.
Später kaufte er sich eine Mundharmonika der Marke „Weltmeister“ und spielte für uns zu Hause. Meist Titel seiner Lieblingssängerin Lolita.
Wann immer er Marschmusik aus Radio oder Fernseher hörte, hielt er inne, stand auf und vollzog mit den Händen taktierende Schlagfiguren, während sich die Blicke meiner Schwester und mir vielsagend trafen.

In den 50er Jahren absolvierte er eine Weiterbildung zum Verkehrsmeister. Er wurde Leiter des VEBs Kraftverkehr in Seelow. Selbst Busse durfte er fahren. Das zeigte ein grünes Samtemblem mit silbernem Bus, das er am Revers seiner Betriebsuniform trug.

1961 war er Mitgründer des Motorsportclubs Seelow und sein 1. Vorsitzender. 1963 initiierte er das erste Motocross, das bis heute jährlich stattfindet. Wann er Mitglied der SED geworden ist, weiß ich nicht.

https://www.mc-seelow.de/downloads/40-jahre-mc-seelow-ac-voll.pdf

Wenn wir später mit unserem Wartburg durchs Oderland fuhren, erzählte er jedes mal voller Stolz, wie er seinerzeit die Haltestellen der Busse festlegte.
Er führte auch die Einsatzpläne, wenn Reisebüros Busse orderten.
Beim Frankfurter Reisebüro in der Abteilung „Jugendtourist“ arbeitete Fräulein Steinecke, die aus dem elterlichen Fleischereibetrieb ausgestiegen war und beruflich einen anderen Weg gehen wollte. Sie war für die Buchungen von Bussen verantwortlich, rief deshalb häufig in Seelow beim Leiter des Kraftverkehrs an.
Eines Tages fuhr mein Vater nach Frankfurt um zu sehen, wer am anderen Ende der Leitung sprach.
1967 heirateten Georg Biegon und Rosemarie Steinecke. Mein Vater war katholisch, ließ sich dennoch mit meiner Mutter im Dom zu Fürstenwalde evangelisch trauen. Noch im selben Jahr im November wurde meine Schwester geboren. Im darauffolgenden November kam ich zur Welt.

Unsere Eltern bezogen eine Wohnung in unserem Haus in Frankfurt. Mein Vater wechselte zum VEB Kraftverkehr Frankfurt, leitete erst als Dispatcher den Taxenfuhrpark.
Später, als er aus gesundheitlichen Gründen nur noch eingeschränkt arbeiten konnte, wurde er Obmann für Ordnung und Sicherheit sowie Vertrauensperson bei Schlichtungen innerhalb des Betriebes. In „seinem“ Kraftverkehr war er beliebt. Er galt als tatkräftiger, verlässlicher und vertrauenswürdiger Kollege.

Solange es ihm gesundheitlich möglich war, spielte er in der Betriebsmannschaft Fußball. An Wochenenden fuhr oft die ganze Familie zu den Spielen.

Ein fast unumstößlicher Termin war für meinen Vater der Internationale Frühschoppen mit Werner Höfer, sonntags, 12.00 Uhr in der ARD – sein „Gottesdienst nach dem Gottesdienst“, der regelmäßig mit dem Sonntagsbraten kollidierte. Wie meine Großmutter bis ins hohe Alter, so verfolgte auch er mit großem Interesse Bundestagsdebatten.

Wir hatten einen fürsorglichen Vater. Seine Passion war das Gärtnern. Außer Süßkirschen hatten wir in unserem Garten jedes Obst und Gemüse, was in unseren Breitengraden gedeihen kann. Kartoffeln, groß wie Kinderköpfe, so der Vergleichswert unseres Vaters und davon reichlich. Er kochte, backte, weckte ein. Besorgte Brennholz, brachte uns Kindern das Holzspalten bei und wie man eine Scheitholzmiete baut.
Wie viele seiner Kriegsgeneration hatte er den Hang zur Vorratswirtschaft und sorgte sehr für seine Familie. Manchmal vielleicht ein bisschen zu sehr.

Während meiner Schulzeit hat sich mein Vater im Elternaktiv engagiert. (Das Elternaktiv war eine Gruppe von Eltern, die Probleme der Schüler besprachen und Veranstaltungen und Klassenfahrten planten.)

Hardy, Bernd und Stefan, meine Klassenkameraden,
und mein Vater als Begleiter der Klassenfahrt

Er war anerkannt bei den Lehrern. Wann immer Elternbesuche bei problematischen Schülern anstanden, das waren meist Kinder aus den umliegenden Dörfern, die in rauem Familienklima aufwuchsen, baten die Klassenlehrer meiner Schwester und mir um seine Begleitung. Mein Vater tat das gern. Er sprach „die Sprache der Bauern“, hatte Talent zu deeskalieren und konnte gut vermitteln. Seine kräftige Statur und 1.85 m Körpergröße taten das Übrige.

Wie jeder Mensch, so hatte auch unser Vater Eigenheiten. Er neigte zum Jähzorn, zu übertriebener Eifersucht und Sturheit, war ein liebe- und verständnisvoller Vater, der alles für seine Töchter tat – vom Chauffieren bis zur Pflege bei Krankheit.

Ich erinnere mich an eine Begebenheit, ich muss 17 gewesen sein: Ich ahnte nicht, dass mein Vater noch im Garten war, als ich mich dort mit meiner „problematischen“ Verabredung für eine Radtour treffen wollte. Ich sah ein Donnerwetter auf mich zukommen. „In Dinge der Liebe mische ich mich nicht ein. Alles Reden bleibt dabei leider sinnlos und kommt gegen dieses Gefühl nicht an,“ sagte mein Vater und verschwand. Ich war verblüfft und froh über seine Reaktion, fühlte mich frei, ernst genommen, erwachsen und mochte ihn umso mehr. Bis heute denke ich gern daran zurück. Die Verabredung ist längst verblasst, seine Worte nicht!

Meine Mutter hat mich dreiundfünfzig Jahre meines Lebens begleitet. Mein Vater wesentlich weniger. Zum Tod meiner Mutter habe ich ein Gedicht geschrieben, ihre Lebensgeschichte bedacht und aufgeschrieben. Und die meines Vaters? Ich merke, wie froh es mich macht, jetzt auch über sein Leben nachgedacht und Erinnerungen aufgeschrieben zu haben, nachdem ich ihn doch einige Jahre bewusst ausgespart hatte.

Passt das nun alles zusammen? – Soldat im 2.Weltkrieg, Katholik und Genosse, Bürgermeister und Mitglied im Vorstand des Kleingartenvereins, an internationaler Politik Interessierter und Musiker, Weitgereister und in der DDR Festgesetzter? Ja, für mich passt das gut, denn es ist der Lebenslauf meines Vaters.

Bei meiner Recherche hat mir Frau Buchwald vom Archiv des Landkreises Märkisch Oderland sehr geholfen.

Bettina Zarneckow

Mein 1. Mai damals und heute

Der Ort ist immer noch der gleiche. Die Zeiten haben sich nur geändert.
Heute am 1. Mai 2025 habe ich selbst entschieden, hier, im Zentrum meiner Heimatstadt Frankfurt (Oder) zu stehen.

In den 70er und 80er Jahren bin ich dort gewesen, weil es Pflicht war.
Lästige Pflicht einerseits. Ein schul- und arbeitsfreier Tag andererseits, den man nach dem Passieren der Ehrentribüne am Ende der Karl-Marx-Straße nach Herzenslust verbringen konnte. Mit ein wenig List und Mut auch schon vorher.

Die Rede ist von den Maidemonstrationen zu Zeiten der DDR, am Kampf- und Feiertag der Arbeiterklasse.
Als ich noch Schülerin war, mussten wir uns auf dem Schulhof vor dem Schuppen unseres Mathematik- und Werkunterrichtslehrers einfinden, der für die Ausgabe von Transparenten, Fahnen und sonstigen Winkelementen verantwortlich war. Man versuchte zu vermeiden, sich mit derlei Dingen ausstatten zu lassen. Mit der Absicht, bei günstiger Gelegenheit die Demo vorzeitig zu beenden.



Meine 18. und die danebenliegende 4. POS starteten in der August-Bebel-Straße Richtung Stadtzentrum. Hin und wieder stoppte der Zug. Andere Gruppen oder Betriebe reihten sich ein, um in genau geplanter Reihenfolge die Ehrentribüne zu passieren. Sie war bestückt mit hochrangigen Persönlichkeiten der Stadt. An der Spitze der nicht unbeliebte Oberbürgermeister Fritz Krause, dem die Stadt unter anderem den Erhalt der Marienkirche zu verdanken hat.
Von der Tribüne aus verlas unsere Schulgarten- und Zeichenlehrerin, wer alles den dort stehenden Genossen gerade zuwinkte und welche herausragenden Leistungen die Vorbeiziehenden zum Wohle des Volkes und zur Stärkung des Sozialismus vollbracht hatten.

Ja, die Werktätigen haben wirklich einiges geleistet. Wie wir heute sehr genau wissen, gingen viele unserer Produkte in verplombten LKW in den Westen. Waschmaschinen, Schreibmaschinen, Füllfederhalter, Textilien, optische Geräte und mehr, die nicht nur über Versandhäuser wie Neckermann und Otto vertrieben wurden. Uns blieb ein geringer Teil dessen und die Waren mit Mängeln. Aber das soll heute nicht mein Thema sein.

Ich erinnere mich an eine Maidemonstration, es muss 1983 gewesen sein, bei der meine Freundin und ich beschlossen hatten, den Zug frühzeitig zu verlassen. Das war natürlich verboten. Es ging gut aus, wie fast immer. Unsere Lehrer waren diesbezüglich großzügig und übersahen oftmals diese kleinen Fluchten.


Als unser Demonstrationszug von der Sophienstraße in die Halbe Stadt einbog, liefen wir beide im angrenzenden Lennépark den Berg hinunter und verharrten eine Weile ungesehen. Ganz ohne Herzklopfen ging das natürlich nicht ab. Wir ersparten uns auch nur ein Drittel der gesamten Tour, aber es war ein leichter Ungehorsam gegen die herrschende Ordnung. Das zunächst etwas unsichere Gefühl wich schnell einem Hoch- und Freiheitsgefühl. Mit dem wir dann beschwingt durch die Stadt bummelten.

Ein weiteres nicht gestattetes Entfernen vom Demonstrationszug leistete ich mir während meiner Lehrzeit.
Ich war gerade unglaublich verliebt und verabredete mich mit dem Grund dafür am Karl-Ritter-Platz. Dort hatte ich am frühen Morgen mein Moped abgestellt. Das war in den 80ern ungefährlich. Die Grenze nach Polen war geschlossen – Fahrzeuge konnte man beruhigt unbeaufsichtigt abstellen. Dann ging ich zum Treffpunkt unserer Fotoabteilung. Die Route des Maimarsches war immer dieselbe. Wir reihten uns am „Weißen Rössel“ ein. Ja, das gibt es auch in Frankfurt (Oder), nur in anderer Schreibweise.
Eingangs der Karl-Marx-Straße ließ ich meine Arbeitskollegen allein weiter ziehen und verschwand Richtung Ritterplatz. Nur wenig später eilte mir meine „Verabredung“ entgegen. Er hatte sich auch vor Ende der Demo loseisen können, und wir fuhren auf meinem Moped Richtung Oderwiesen für einen ausgedehnten Spaziergang.

Natürlich bin ich bei jeder Maidemonstration mitgelaufen. Mit meinen Klassenkameraden war es unterhaltsam und bei meinen Arbeitskollegen habe ich mich sogar wohlgefühlt.



Die Idee, die Coronaimpfung mit einer Bockwurst zu belohnen, war übrigens nicht neu. In der DDR gab es nach absolvierter Maidemo einen Gutschein für eine Bockwurst, den man auf dem sich anschließenden Volksfest einlösen konnte. Außerdem wurden am folgenden Tag am Arbeitsplatz 5 Mark Zielprämie ausgezahlt. Ob ich diese Prämie auch bekam, obwohl ich die Ziellinie nicht überschritten hatte, den Oderspaziergang vorzog, das weiß ich nicht mehr. Jedenfalls war mir der Spaziergang wesentlich mehr wert!



36 Jahre später nehme ich wieder aktiv am Maifeiertag teil. Diesmal unterstütze ich meinen Mann am Stand der Partei, in die er vor einem Jahr eingetreten ist. Von ihm ist seine politische Meinung gefragt. Mir erzählen die Menschen aus ihrem Leben, auch wie es damals für sie war, vor mehr als 36 Jahren.

Bettina Zarneckow

Mehr als ein Wort

Suchen nach Worten im Unendlichen dessen, 
was uns zu sagen nicht gelingt;
und gerade so das Schönste im Menschsein
belebend im Anderen zu klingen beginnt.
Jedes Wort ist Beschränkung und verbürgt sich für mehr, 
neigst du dein Ohr mir nur zu.
Es ist wie ein Flüstern aus meiner Seele
und einzig berufen bist du.
Sind uns're Gedanken einigen Geistes, 
sag', fühlst du genauso wie ich?
Wo Liebe ist, sprich das Wort doch aus ...
-
Ich sprech' es für dich und für mich.

Bettina Zarneckow

Inschriften und Ostmoderne

Mein Binzer Hochzeitstag

Bettina Zarneckow

Es mag vier oder fünf Jahre her sein, dass ich eine Dame offenbar spätmittleren Alters sah. Sie ritzte etwas mit einem Stein in die Rinde eines umgestürtzten Baumes, dessen Wurzeln ihn bis heute im Hochufer festhalten.

Was oder wen verewigt sie dort, fragte ich mich. Nur ein Datum? Ihre Initialen und die ihres vielleicht verstorbenen Mannes? Oder möchte sie ihren Mann beim nächsten Spaziergang damit überraschen?
Vielleicht wollte sie aber auch einer Liebe, die sie nicht leben konnte, einen Ort geben, um ihr dort fortan nahe sein zu können, einen Zufluchtsort für ihre sehnsuchtsvollen Gedanken zu haben. Egal aus welchem Grund. Ich war gerührt. Die scharfen, schmalen Einschnitte in die Rinde hat die Lebenskraft des Baumes mit den Jahren in robuste Verschorfungen verwandelt, gerüstet für die Ewigkeit.

Jedes Mal, wenn Reinhart und ich in Binz Urlaub machen, führt mich mein Weg an diese Stelle.

Reinharts Geburtstag und der Besuch bei Freunden sind Anlass, dass wir beide gerade wieder hier eine Auszeit nehmen.
Kein mich bedrohender Briefkasten, keine Pflichten, welcher Art auch immer.
Die liebsten Unternehmungen sind mir meine Spaziergänge. Allein mit meinen Gedanken, meinen Sinnen und einer Kamera, um jederzeit einen besonderen Moment meiner Wirklichkeit festhalten zu können.
So brach ich auf und blieb an Bäumen stehen, die mit Inschriften übersät waren.
Lauter Zeugnisse und Beweise der Liebe, Sehnsuchtssymbole.

Gesehen hatte ich sie schon in den letzten Jahren, aber bewusst wahrgenommen und bedacht erst diesmal.
Ist die Eintragung wirklich aus dem Jahr 1949? Sind S.+H. inzwischen geschieden? Haben M.+M. nun zwei Kinder? Sind B.+J. verheiratet oder ist ihre Beziehung vorher zerbrochen?
Ich glaube daran, dass die Inschriften in glücklichen Momenten entstanden sind.

Der  Philosoph Hans Blumenberg erklärt: „Das, was wir gern die menschliche Glücksfähigkeit und das Bewusstsein des Glücks nennen, beruht weitgehend auf den möglichen Abschirmungen gegenüber der Realität.“
Symbole und Inschriften hinterlassen zu wollen, bedeutet glücklich zu sein, lieben zu können. Auch die Wehmut, eines Tages allein vor dieser Inschrift zu stehen, bedeutet Glück. Glücklich zu sein, sich erinnern zu können, einmal glücklich gewesen zu sein.
Wehmut – ein Komplement?

Nirgends habe ich bisher so viele Symbole der Liebe gesehen wie hier an der Ostseeküste.
Selbst ein Rettungsturm, der 1981 gebaute
Müther-Turm, wurde 2006 zu einer Aussenstelle des Binzer Standesamtes umgewidmet.

Müther-Turm  https://binzer-bucht.de/entdecken-erleben/ulrich-muether/

Vielleicht empfinden auch viele dasselbe wie ich. Ein Gefühl, das mein Gedicht „Novemberliebe“ am Strand von Binz entstehen ließ. Ach ja, auch das Gedicht „Stille Seele“ ist im Sommer 2023 hier entstanden.

Einige Inschriften mögen ihre Urheber längst überlebt haben. Hinterlassen in unsterblicher Verliebtheit, voller Hoffnung auf ein Wiedersehen oder in Erinnerung.
Vielleicht kommt ein Ehepartner um zu trauern, oder um an vergangene glückliche Tage zurückzudenken. Andere pilgern Jahr für Jahr zu IHREM Ort.
Wer glaubt, ein solches Verewigen gehört der Vergangenheit an, der irrt sich. Offenbar bleibt das Bedürfnis nach Symbolen ein ewiges, unabhängig vom Lebensalter.

Seebrücke Binz

Noch einmal zu Blumenberg: Anders als in Platos Höhlengleichnis sieht er die Höhle nicht als Falle an, in der man gefangen ist, sondern als einen Zufluchtsort. Um die Realität „draußen“ besser ertragen zu können, sich ihr durch zeitweiligen Rückzug listig zu nähern.

Reinhart und ich sind noch bis Sonntag in unserer Höhle, abgeschirmt von der Realität. Diesmal in der Höhle der Ferien und der Liebe, denn am 15. März ist obendrein unser Hochzeitstag. Ob wir hier eine Inschrift hinterlassen? Habe ich schon jemals Buchstaben in die Rinde eines Baumes geritzt?

Gepokert, verloren und dennoch nicht am Ende?


Wolodimir Selenskyj wird sehr allein sein.

Quelle: pinterest

Die Aufregung der achso schlauen und nunmehr von den Ereignissen völlig überraschten Politiker der sogenannten demokratischen Parteien über die Behandlung von Präsident Selenskyj im Weißen Haus beruht auf einer nicht zu verzeihenden Naivität. Sie ist zudem heuchlerisch. Warum wird immer noch nicht verstanden, was los ist und uns alle bedroht?

Schon Biden hatte einige Zeit vor der Invasion der Russen am 24.2.22 erklärt, dass die USA keinesfalls die Ukraine im Falle eines Krieges mit Soldaten unterstützen würden. Waffen und Geld ja, Soldaten nein.
Die schon in der Ukraine vorhandenen amerikanischen Ausbilder, von 4000 Soldaten ist die Rede, wurden nach der Invasion der Russen schleunigst aus der Ukraine abgezogen.
Herr Trump, aus seiner Sicht überdies zukünftiger Friedensnobelpreisträger, sieht das wie Biden.

Der überall bejubelte Wolodimir Selenskyj hat am Freitag dieser Woche versucht, für die Ukraine eine Sicherheitsgarantie vor einem Angriff der Russen bei dem Dealer Trump durchzusetzen.

Bei seinem gestrigen Besuch im Weißen Haus wollte er die Unterzeichnung des Vertrages über die Verwertung von Rohstoffen dafür benutzen. Die Entscheidung der USA, nach einem Waffenstillstand Kiew im Falle eines vertragsbrüchigen Angriffs der Russen weiterhin nur mit logistischen Leistungen, Geld und Waffen, nicht aber Soldaten zu unterstützen, sollte von Trump aufgegeben werden.
Selenskyj wollte die Ukraine in eine starke Verhandlungsposition bringen. Eine listige Zugabe besonderer Art: Alles sollte noch vor den weiteren Verhandlungen der USA mit Russland fix sein.

Selenskyj reichte es verständlicherweise nicht aus, den Vertrag zu unterzeichnen, um dann darauf vertrauen zu müssen, dass für die Amerikaner vielleicht wirtschaftliche, die Ukraine schützende Interessen entstehen würden. Von Russland also zu beachtende amerikanische Interessen. Solche, die darüber hinaus bei den bevorstehenden Verhandlungen mit Russland von den USA, leider wieder ein vielleicht, eingebracht werden würden.

Er wollte mehr, eine Sicherheitsgarantie der USA vor Beginn der Verhandlungen, um die Ukraine so in eine starke Verhandlungsposition gegenüber Moskau zu bringen. Mit der listigen Zugabe einer Perspektive möglicher langwieriger Verhandlungen (Modell Minsk 2 ?) und ihres Scheiterns. Wobei ihr Aus wie schon im Fall des gescheiterten Friedensvertrages Minsk 2 von allen Beteiligten einschließlich den USA hingenommen werden müsste. Die Sicherheitsgarantie für die Ukraine würde angesichts einer der Ukraine zugewandten amerikanischen Öffentlichkeit bestehen bleiben, so der Plan Selenskyjs und seiner schlauen Berater.

Bei dem angeblich erfolgreichsten Dealmaker der Welt Trump konnte der Plan nicht funktionieren.
Er wäre in eine Abhängigkeit von der Ukraine geraten. Wer investiert bei einer unsicheren und unklaren Lage der Ukraine in den Trumpschen Deal, dem Abbau wertvoller Rohstoffe, in Abhängigkeit vom Ausgang der Waffenstillstandsverhandlungen? Angesichts langwieriger Verhandlungen, die jederzeit durch eine nicht gerade zuverlässige Ukraine mit einem Nein beendet werden können. Da sollten doch von Trump private Investoren gewonnen werden, vielleicht seine befreundeten Milliardäre und nicht Investitionen aus dem nach Musk vor der Pleite stehenden Staatshaushalt erfolgen. Trump und nicht Selenskyj musste das letzte Wort behalten.

Vor allem aber scheut Trump wie auch Biden nach den Erfahrungen von Afghanistan die Gefahren eines Krieges. Manche haben es schon vergessen. Es war Trump, der in seiner ersten Amtszeit Verhandlungen mit den Taliban aufnahm, die Biden fortsetzte und die zum chaotischen Abzug der Amerikaner und auch der Deutschen führten.

Derzeit erlebt die hochmoralistische Welt die gleiche Prozedur im Falle der Ukraine, Berlin wird das hoffentlich schneller als Frau Merkel im Falle Afghanistan begreifen.

Trump hat das Vorgehen seines Kollegen Selenskyj bei dem Besuch im Weißen Haus am letzten Freitag offenbar in doppelter Hinsicht als Erpressung inszeniert, den Plan Selenskyjs gleichsam umfunktioniert.
Zum einen war in dem Vertrag, zu dessen Unterzeichnung Selenskyj geladen worden war, trotz intensiver Verhandlungen von einer Sicherheitsgarantie offenkundig keine Rede. Zum anderen beließ es Selenskyj nicht dabei, eine Ergänzung der Vereinbarung in einem Gespräch unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu besprechen. Vielmehr glaubte er offenbar, die amerikanische, Russland mehrheitlich feindlich gesinnte Öffentlichkeit einspannen zu können. Um Trump gleichsam vor den Journalisten und den Fernsehkameras in den „Schwitzkasten“ zu nehmen. Um so die Sicherheitsgarantie vom überraschten Trump zu erzwingen. Die dann auch angesichts einer mit Selenskyj sympathisierenden amerikanischen Öffentlichkeit nicht mehr aufzuheben gewesen wäre. Ein toller Plan des Teams Selenskyj.
Zumindest wäre die Lage in Osteuropa bei einem Scheitern des Planes mehr als fragil. Gegen eine Zurückhaltung der westeuropäischen Staaten würde noch einiges mehr sprechen.

Das Ergebnis ist bekannt, Trump ließ ihn einfach stehen. Selenskyj verließ wohl nicht ganz freiwillig nach einer Wartezeit von 50 Minuten das Weiße Haus.

Leider belassen es die Politiker von Westeuropa und unseren angeblich rein demokratischen Parteien nicht dabei, die weitere Entwicklung in den vermutlich nur zeitweilig belasteten Beziehungen der Ukraine zu den USA mit Teilnahme zu beobachten. Um dann bei sich bietender Gelegenheit der Ukraine zu helfen und eigene Interessen durchzusetzen.
In Deutschland beherrscht das aufgebrachte Geschrei einiger Politiker und Experten die mediale Szene. Viele denken sich misstrauisch und besorgt ihren Teil.
Die USA hätten die Seiten gewechselt, hier die tapfere Ukraine und Europa, da Russland und die USA. Einige Experten beginnen mit ernster Mine die Stärken Europas aufzuzählen. Kriegstüchtigkeit wird zum Gebot der Stunde. Die Forderung der USA, dass Europa sich gefälligst mit Geld, Waffen und „Friedenstruppen“ um die Ukraine zu kümmern habe, scheint eine eigene, mir Sorgen machende Dynamik zu entwickeln.

Herr Merz steht gleichsam Gewehr bei Fuss, selbst anzutreten ist weder ihm noch den vielen Gesinnungsgenossen aus Alltersgründen möglich, von den nunmehr gewendeten ehemaligen Wehrdienstverweigern garnicht zu reden. „Angeblich“ steht Merz Gewehr bei Fuss, daran versuche ich noch zu glauben.

Tatsächlich ist die Ukraine ohne die Starlink-Satelliten von Musk zu Wasser und zu Lande blind, von anderen Leistungen der USA nicht zu reden. Das kriegerische Gerede mancher Politiker ist leichtsinnig und gefährlich für Deutschland. Ohne die USA läuft gar nichts, die wirklichen Experten wissen das.
Aufgabe der Deutschen sollte es deshalb nicht sein, die gescheiterte Politik der Ukraine zu unterstützen und sie stark zu reden.
Vielmehr sollte Europa die Ukraine auffordern, sich mit Russland wie von den USA angestrebt auf einen Waffenstillstand zu verständigen.

Wie es auch gedreht und gewendet wird, Deutschland braucht Zeit für die Bildung zwar starker, keinesfalls aber „koste es was es wolle“ Verteidigungskräfte.

Sofort sollte das Mögliche, die offenbar für viele Politiker angesichts der Not der Ukrainer nicht mehr so brennenden Probleme wie Wirtschaftskrise und Migration angegangen werden.
Die Ukraine muss akzeptieren, keines ihrer Ziele, die da heißen, noch vor einem Waffenstillstand müsse der letzte russische Soldat die Ukraine verlassen haben, Russland zahlt Reparationen, russische Kriegsverbrecher werden vor Gericht gestellt, erreichen zu können.

Deutsche Politiker sollten es sein lassen, den Ukrainern anderes vorzugaukeln.

Reinhart Zarneckow

Wirre Gedanken zur Ukraine?

Die Ukraine wird bald einen neuen Präsidenten haben.

Das Ziel aller NATO-Staaten, Russland politisch zu isolieren, wurde zu keinem Zeitpunkt erreicht.
Die USA mit Trump haben das anerkannt. In Riad wurden in dieser Woche Verhandlungen zwischen den USA und Russland aufgenommen.

En passant haben die USA in arroganter Weise der Ukraine und Europa reinen Wein eingeschenkt. Keine Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO, Kiew müsse auch Gebietsverluste einplanen. Präsident Selenskyj habe drei Jahre Zeit gehabt, sich mit Moskau zu verständigen. Ich übergehe weitere Einzelheiten. Zu einer für die Ukraine akzeptablen Lösung scheint es Stand jetzt nicht zu reichen.
Achso, die Ukraine soll angeblich die bisherige Hilfe in Höhe von ca. 500 Milliarden Dollar den USA oder vielleicht auch nur den Milliardären Trumps durch die Überlassung wertvoller Rohstoffe erstatten.

Sollte Deutschland deshalb die Ukraine nicht nur mit Geld und Waffen, sondern vielleicht sogar mit Soldaten unterstützen? Und das in naher Zukunft und nicht in Abstimmung mit den USA? Ende der transatlantischen Gemeinschaft? Deutschland nimmt (erstmalig?) seine Interessen selbstbestimmt und gerade aus diesem Anlass unabhängig von den USA wahr?

Union, Grüne und SPD formulieren das Dilemma der Deutschen so: Die Europäer müssen die Ukraine in die Lage versetzen, einem Diktatfrieden, vermittelt von den USA, ein Nein entgegen zu stellen. Diktatfrieden? Sind damit die Bedingungen der Russen gemeint – keine Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO, die bisher besetzten vier Oblasten und die Krim bleiben bei Russland?

Wird Deutschland die Ukraine unterstützen, seine eigene wirtschaftliche Existenz damit weiterhin gefährden und Russland als Feind behandeln? Obwohl die russischen Forderungen an den von Deutschland und Frankreich im Jahr 2014 moderierten und von der Ukraine gekündigten Friedensvertrag Minsk 2 anknüpfen? Nunmehr allerdings, nach drei Jahren Krieg, mit hohen Verlusten auf beiden Seiten und einem zu vermutenden Mehr an Forderungen seitens der Russen?
Oder unterstützt Deutschland besser doch wie immer im gleichen Schritt und Tritt die USA bei ihren Bemühungen, sprich Rückzug aus dem Krieg in Osteuropa, und lässt Selenskyj mit seinen Plänen im Stich?

Ein kurzer Rückblick.
Wurde Deutschland über die einseitige Beendigung von Minsk 2 im Frühjahr 2021 durch Herrn Selenskyj vorher wenigstens konsultiert ? Gleiches gilt für den Abbruch der Friedensverhandlungen im März 2022 durch Kiew oder die Zerstörung von Nord Stream 2 oder die Umstände der Ausladung des unglückseligen Bundespräsidenten Steinmeier am 9. April 2022 – die Bundesregierung schweigt sich darüber aus, viele glauben es je nach Fasson dennoch so oder anders zu wissen. Die Ukraine betrachte sich als souveränen Staat und sei den Deutschen gegenüber nicht rechenschaftspflichtig, da dürfe nicht tiefer „gebohrt“ werden, eine Meinung haben aber immer mehr Deutsche.

Die Welt ist sich zwar einig, dass Russland am 24. Februar 2022 die Ukraine völkerrechtswidrig überfallen hat. Wie es dazu kommen konnte, bleibt aber vor der Öffentlichkeit im Verborgenen, weil der völkerrechtswidrige Überfall der Russen als Schranke jede offene Diskussion in den öffentlichen Medien verhindert. Dennoch wird immer mehr in den sozialen Medien über das „Wie“ diskutiert.

Bisher und vermutlich auch weiterhin gilt bei den alten Parteien das Dictum, der Aggressor Russland darf nicht belohnt werden, Russland bedrohe im Falle seines Sieges, NATO hin oder her, früher oder später ganz Westeuropa. Deshalb unterstütze Deutschland im Eigeninteresse die Ukraine solange wie es von Kiew für nötig angesehen wird.

Oder hat sich etwas geändert, seitdem die USA darauf verzichten, der Ukraine zum Sieg auf Grundlage der Siegesformel Selenskyjs zu verhelfen? Lassen die USA wie seinerzeit Südvietnam oder Afghanistan nunmehr nicht nur die Ukraine, sondern auch Westeuropa im Stich? Nichts dergleichen, meint offenbar Präsident Trump, wenn die Ukraine auf ihre sowieso hinfällige Siegesformel verzichtet. Genau das ist das vom Präsidenten Selenskyj zu lösende Problem.

Zur Erinnerung hier die von Trump verworfene Siegesformel, verkündet von Herrn Selenskyj zuletzt im letzten Herbst: Vor Beginn von Verhandlungen muss der letzte Russe die Ukraine einschließlich der Krim verlassen haben, Russland zahlt Reparationen, die russischen Kriegsverbrecher werden vor Gericht gestellt.

Diese Siegesformel hat für Washington keine Bedeutung mehr. Wie halten es die Union oder die SPD mit ihr? Gilt weiterhin für die Europäer der Spruch, die Ukraine muss siegen? Und dann wie und mit welchem Ziel? Ich kann nicht glauben, dass Deutschland gerade jetzt erstmalig auf Distanz zu den USA geht.

Das faktische Aus der Siegesformel wird von den aufgeregten und peinlich berührten europäischen Politikern heuchlerisch geheim gehalten. Einzelheiten werden offenbar wegen der Bundestagswahlen nicht genannt. 700 Milliarden Euro aus Deutschland sollen Kiew innerhalb eines noch geheim gehaltenen Zeitraumes erreichen, damit die Ukraine aus einer starken Verhandlungsposition einen von den USA und Russland ausgehandelten Friedensvertrag ablehnen kann, so angeblich unsere Außenministerin vor wenigen Tagen auf der Münchener Sicherheitskonferenz.

Mir erscheint das alles unrealistisch und lediglich vorgegaukelt, ich kann einen solchen Unfug nicht glauben. Führen die alt gewordenen demokratischen Parteien Deutschland an den Abgrund, um die AfD zu verhindern? Oder glauben sie wahrhaftig, dass die USA den Russen Europa zum Fraß vorwerfen werden, wenn der Krieg in Osteuropa endet? Warum sollte Europa auf Distanz zu den USA und eigene abenteuerliche Wege gehen?
Wäre das nicht die eigentliche Gefahr für Europa, wenn die Behauptungen über die gefährlichen Visionen Wladimir Putins im Geiste Peter des Großen stimmen sollten? Was hat aber Peter der Große Deutschland angetan?

Tatsächlich und glücklicherweise für alle ist zum Verschleiern die Stunde von Experten neuen Typs gekommen, die zunächst dringend von einer solchen von Frau Baerbock angekündigten Geldvernichtung abraten werden. Und vielleicht sind die AfD und das BSW die Vorhut, damit die sogenannten demokratischen Parteien einknicken und endlich endlich laut und vernehmbar auf Distanz zu Selenskyjs Siegesformel treten können. So findet dann sogar zusammen was zusammengehört.

Um Kiew mit seinem Präsidenten Selenskyj wird es einsam werden, die Welt ist ungerecht.

Die Ukraine sollte sich deshalb in Abstimmung mit den USA auf einen Frieden einstellen, der für beide Seiten mehr Vorteile als Nachteile mit sich bringen muss. Mehr war von Anfang an nicht drin – Minsk 2 hätte vollzogen werden müssen, jetzt kommt es schlimmer. Die böse Frau Merkel befindet sich im Ruhestand und kann nicht helfen.
Und Deutschland wird nicht wegen der wenig vertrauenswürdigen Ukraine seine wichtigen Beziehungen zu den USA gefährden. Vielmehr wird es seine Verteidigungsfähigkeit stärken und seine Beziehungen zu Russland schleunigst revidieren, genau dies Herrn Selenskyj mitteilen und auf jegliche Versprechungen weiterer Hilfe an Kiew vorerst verzichten.
Ansonsten steigt die Gefahr eines Krieges für ganz Europa. Die USA sind weit weg, Front gegen die USA und Russland in der causa Ukraine zu machen, wäre mehr als nur eine Dummheit.

Für die selbstlosen, nein edlen Unterstützer des Präsidenten Selenskyj ein kleiner Hinweis: Wenn die USA nicht mehr mit ihren Muskschen Satelliten die Logistik liefern, wird die Ukraine blind sein und vom bösen Feind früher oder später „überrollt“ werden.

Vergessen Sie also nach diesem Einschub alles, was ich bisher geschrieben habe. Es ist simpel, die USA können machen was sie wollen.

Millionen Ukrainer werden ihr Land verlassen und zu Freunden und Verwandten auch nach Deutschland ziehen, das könnte das Ergebnis der Fortführung einer sturen deutschen Politik sein.
Wir werden dann etwas zusammen rücken müssen. Deutschland hat das schon 1945 mit Millionen von Flüchtlingen aus dem Osten erlebt und wird sich weiter verändern, vielleicht sogar zu seinem Vorteil. Es könnte unruhig werden in unserem Land, die AFD steht bereit, das BSW auch.

Und die Stunde des ukrainischen Präsidenten Selenskyj hat geschlagen, weil er kein Fortune hat.

Reinhart Zarneckow

Was ich dir sagen wollte

Gedanken gezügelt, Gefühle vergraben, 
dein Bild aus Sinnen und Herzen gedrängt.
Vernommene Worte, gelesene Zeilen 
in die Nacht des sanften Vergessens versenkt. 
Doch Herr über Sehnsucht wirst du nie sein. 
Gekonnt schreibt sie sich in Zeitlichkeit ein.
Leib, Seele und Geist sind entkräftet im Kampfe, 
erschöpft vom Leugnen und Bannen.
Werd' nichts mehr vergraben, nichts zügeln, versenken. 
Zärtlich und ewig will ich an dich denken.

Bettina Zarneckow