Nur ein Friedensplan – kein Menetekel für Deutschland

In der Ukraine wuchert die Korruption, das darf nach der Entlassung der Energieministerin und des Justizministers im November diesen Jahres nunmehr laut ausgesprochen werden.

Was mich bei der jüngst festgestellten verwirrt, ist die Intensität und der Zeitpunkt der aufgeregten öffentlichen Bekundigungen. Wenn seit Beginn des Krieges Milliarden Dollars und Euros durch die USA, aus Japan und den EU-Staaten und von Brüssel selbst in die Ukraine transferiert werden, liegt die Überlegung, dass da einiges in dunkle Kanäle verschwindet, nahe.

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Gegenstand der derzeit eifrig publizierten Korruptionsvorwürfe gegenüber einer angeblichen kriminellen Vereinigung ist ein über die Jahre angelaufener Schaden von hundert Millionen Euro im empfindlichen Energiesektor. Was sind aber hundert Millionen Euro bei einem Bruttosozialprodukt von 190 Milliarden in Dollar für das Jahr 2024?

Wenn es bei dem Betrag bleibt, wäre das angesichts der Milliarden in der Ukraine vagabundierenden Euros ein Hinweis auf den sorgfältigen Umgang der Ukrainer mit fremdem Geld. So hat allein Deutschland seit Beginn des Krieges 17 Milliarden Euro an militärischer Unterstützung, 6,7 Milliarden an ziviler Unterstützung und 1,7 Milliarden an den ukrainischen Staatshaushalt gezahlt. Weitere Milliardenbeträge allein für die militärische Unterstützung sind für 2026 geplant (ca.11,5 Milliarden Euro für Drohnen, Patriot – Flugabwehrgeräte und gepanzerte Fahrzeuge).

Angesichts dieser Beträge erscheint der lautstarke Vorwurf der Korruption mit einem Umfang von ca. 100 Millionen Euro zumindest nicht sensationell. Wenn er sich nicht ziemlich deutlich gegen den Präsidenten Selenskyj richten würde.
Im Sommer 2025 versuchte Selenskyj per Gesetz die im Wesentlichen von den Amerikanern und der EU ab 2015 initiierte Antikorruptionsbehörde seinem Weisungsrecht zu unterstellen und machte sich dadurch verdächtig.

Dazu muss man wissen, dass der Komplex der Antikorruptionbehörden aus einem Ermittlungsorgan, einer Staatsanwaltschaft und (vermutlich) einem Sondergerichtshof besteht, auf die weder die Regierung noch der Präsident Einfluss haben. Ich räume ein, eine so installierte weitere unabhängige Gewalt wirkt befremdend. Der Komplex wurde überdies von den USA, hier das FBI und der EU ab 2014 aufgebaut, ein Vertreter des FBI ist angeblich immer dabei. Vermutlich erfolgt auch die Finanzierung durch das FBI, niemand redet darüber. Sind die Behörden überhaupt wirklich unabhängig?

Bei der Bevölkerung wurde die Installierung der Antikorruptionsbehörde (NABU) und einer Sonderstaatsanwaltschaft dazu als ein Ergebnis der Maidanrevolution und als ein Sieg der Demokratie bejubelt.

Der Plan Selenskyjs, die Antikorruptionsbehörden sich zu unterstellen, scheiterte aufgrund heftiger Proteste aus der Bevölkerung und der Verbündeten, so auch Deutschlands, die mit der Einstellung der finanziellen Unterstützung drohten.

Jetzt erfährt die ukrainische Öffentlichkeit, dass die Antikorruptionsbehörden seit über einem Jahr bis in die engste Umgebung ihres Präsidenten ermitteln, sein verdächtiger und enger Freund Timur Minditsch hat sich schleunigst nach Ungarn abgesetzt.

Es war Präsident Selenskyj, der vor einem halben Jahr den laut angekündigten Plan Trumps, Russland die Krim und den Donbas gegen Frieden zu überlassen, ins Leere laufen ließ. Kein Quadratmeter Land würde dem russischen Aggressor überlassen werden, war die von Selenskyj gewählte Sprachregelung.

In der Ukraine ist die Korruption zu Hause. Laut dem Corruption Perceptions Index befindet sich die Ukraine auf Platz 105 von 180 Ländern, 90 Prozent der Ukrainer glauben, dass die Korruption weit verbreitet ist und hatten sich daran mehr oder weniger gewöhnt. Und jetzt die plötzliche Aufregung angesichts von Veruntreuungen in Höhe von ca. 100 Millionen Euro? 100 Millionen Euro, die angeblich gereicht hätten, um im Hinblick auf den bevorstehenden Winter und eine schon jetzt frierende Bevölkerung russische Angriffe gerade auf die Energieversorgung des Landes wesentlich einzuschränken?

Die USA haben einen sehr empfindsamen und nachtragenden Präsidenten. Nimmt es Herr Trump nicht hin, dass Präsident Selenskyj seinen Friedensplan für Osteuropa de facto behindert hat?
Sicherlich, doch ist es das bestimmt nicht alleine. Die USA wollen im Gegensatz zu Deutschland eine Zusammenarbeit mit Russland, das nicht den Chinesen überlassen werden soll. Inzwischen wird über erneute Verhandlungen zwischen den USA und Russland über die Beendigung des Krieges in der Ukraine berichtet.
Ich behaupte, dass sie am Widerstand des Präsidenten Selenskyj nicht scheitern werden.

Meine These: In der Übergangszeit des Wechsels zu einem anderen Präsidenten wird ein Friedensvertrag zwischen der Ukraine und Russland eine große Chance haben.

Interessant das Verhalten der Bundesregierung. Der Friedensplan des Verbündeten USA wird durch den Kanzleramtschef Thorsten Frei am 20.11.2025 als verstörend bezeichnet. Angebliche Militärexperten zerlegen ihn. Putin würde ja seine Kriegsziele erreichen.

Deutschland geht also das Risiko eines Konfliktes mit den USA unter Verzicht auf die es vor den Russen schützende Doktrin von der nuklearen Abschreckung ein? Mit einer Bundeswehr, die nicht kriegstüchtig ist? Ich glaube nicht an die Doktrin der nuklearen Abschreckung, dafür aber an eine NATO unter Einschluss der USA, die Russland schon deshalb nicht angreifen wird, weil sie ihr um ein mehrfaches überlegen ist.

Wenn die Kooperation mit den USA zugunsten einer bedingungslosen Unterstützung der Ukraine riskiert wird, dann wird die Installierung eines Gesinnungsmilitarismus für das „einfache Volk“ verständlich und der Krieg rückt näher.

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Wie hoffnungslos angesichts einer in Deutschland grassierenden Angst vor den Russen die Lage der Deutschen auch zu sein scheint. Den Deutschen bleibt die Hoffnung auf erfolgreiche Friedensverhandlungen der USA mit Russland. Oder auf einen Durchmarsch der AFD (wollt Ihr das?), die mit Trump im gleichen Schritt und Tritt die Beziehungen zu Moskau regelt. Oder das kleine Bündnis Sahra Wagenknecht (David gegen Goliath) mit seiner Strategie, die Wiederaufnahme der Ostpolitik im Sinne der Grundsätze über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa durchzusetzen, mit wessen Hilfe auch immer.

Reinhart Zarneckow

Heimatliebe und doppelter Boden

von Bettina Zarneckow

„Weißt du, was ich damit verbinde“, fragte ich meine Tochter und zeigte ihr eine alte lederne Reisetasche? „Mit ihr ist dein Großvater immer in den Westen gefahren.
Bis auf sein Insulin und sein Spritzbesteck, das er wegen seiner Diabetes stets dabei haben musste, war sie da noch leer, dann aber auf der Rücktour voll schönster Dinge, die wir uns gewünscht hatten oder mit denen er uns überraschte.“


Mein Vater war Invalidenrentner und durfte mehrmals im Jahr nach Westdeutschland und Westberlin reisen.
Einmal im Jahr erhielten Ostdeutsche bei der Einreise in den Westen dreißig Deutsche Mark, ab 1988 hundert DM. Das Geld war schnell ausgegeben und so kam er auf die Idee, „Ostmark“ zum Umtausch mit hinüber zu nehmen. Im Wissen, dass das verboten war, suchten meine Eltern ein geeignetes Versteck. Sie entdeckten in besagter Reisetasche einen doppelten Boden, unter dem mein Vater, sicherlich mit erhöhtem Pulsschlag, DDR-Mark über die Grenze schmuggelte.
Wir Zurückgebliebenen sorgten uns und mussten darauf vertrauen, dass bei der Ausreise alles gut gegangen war. Heute würde man selbstverständlich zum Smartphone greifen und die Bangenden nach überstandener Grenzkontrolle von der Sorge befreien.

„Wenn du mir früher davon erzählt hast, ist mir gar nicht bewusst gewesen, was es bedeutet hat, dass dein Vater in den Westen fahren konnte und ihr nicht mit durftet“, antwortete meine Tochter.
„Ja, ich verstehe, dass das heutzutage schwer vorstellbar ist“, entgegnete ich, „die Westreisen deines Großvaters waren dabei für alle anstrengende, aufregende, schöne und auch bedrückende Unternehmungen.“

Meistens fuhr die ganze Familie nach Berlin. Unsere Mutter, meine Schwester und ich brachten unseren Vater zum berüchtigten Tränenpalast in der Friedrichstraße. Bis zu einer Absperrung in der Halle konnten wir ihn begleiten. Er passierte dann Kontrollen und musste durch eine schwere Tür, deren strammer Schließmechanismus sich schwer bewältigen ließ. War er hindurch, schloss sie sich blitzartig und unser Vater musste wie jeder Ausreisende aufpassen, dass er sie nicht in den Rücken bekam. Neben strengstem Kontrollpersonal war das eine entwürdigende Schikane der DDR.

Wenn unser Vater nicht mehr zu sehen war, immer ein merkwürdiges Gefühl, begannen wir unseren Tag im Osten Berlins. Wir parkten unseren Wartburg im Parkhaus des Hotels Metropol und schlenderten als erstes durch den dortigen Intershop. Oft bummelten wir Unter den Linden und schauten auf das Brandenburger Tor und die Siegessäule, die scheinbar nah und doch unerreichbar war. Ein Tag in der Hauptstadt der DDR war jedes mal etwas Besonderes. Zu Mittag aßen wir gerne im Café Moskau in der Frankfurter Allee und sahen uns anschließend in der nahe gelegenen Spittelmarktboutique um. In meinem Schrank hängt heute noch eine rosafarbene Bluse vom letzten Besuch damals. Am späten Nachmittag holten wir unseren Vater wieder vom Bahnhof Friedrichstraße ab. Beim Warten sprach mich einmal ein Mann an und ließ eine Handvoll Kleingeld in meine Jackentasche rieseln. Er reise wieder nach Westberlin zurück und es mache ihm Spaß, mir eine Freude zu machen. Ein Rückumtausch in DM wäre nicht möglich, weil das Geld in der DDR bleiben müsse.

Dass der Eiserne Vorhang ein wenig durchlässiger wurde, Besuchsreisen wie die meines Vaters erlaubt und sogar Ausreisen genehmigt wurden, war der Ostpolitik von Willy Brandt zu verdanken, der Moskau und auch Warschau in die Verhandlungen mit der DDR einbezog. Das war Staatskunst, eine Außenpolitik und Diplomatie, wie ich sie heute vermisse! Diese Neue Ostpolitik heute als falsch zu bezeichnen, empfinde ich mehr als taktlos, ja sogar als Affront gegen uns, die wir in der DDR geblieben sind und als Faustpfand für den Frieden in Europa herhalten mussten.

Wie kam es eigentlich ohne Gegenwehr der drei westlichen Schutzmächte zum Bau der Mauer?
Dazu ein Zitat der Bundesstiftung Aufarbeitung zum 13. August 1961:

Die drei Schutzmächte sehen keinen Grund für Gegenmaßnahmen und bleiben gelassen: US-Präsident John F. Kennedy segelt vor Massachusetts, der britische Premier Harold Mac Millan jagt in Schottland, der französische Präsident Charles de Gaulle erholt sich in der Champagne. Alle drei sehen in der Abriegelung lediglich eine Festschreibung der politischen Realität. Kennedy stellt lapidar fest: „Wir werden jetzt nichts tun, denn es gibt keine Alternative außer Krieg.“


Ausreisende aus der DDR, waren es Republikflüchtlinge oder legal Ausreisende, hatten so manche Hürde zu nehmen, wenn sie im Westen angekommen waren. Allen war klar – sie mussten in ein sogenanntes zentrales Aufnahmelager. Neben dem in Gießen und Uelzen war das bekannteste wohl in Berlin Marienfelde. Auch zwei Arbeitskollegen von mir durchliefen dieses Lager. Mein Kollege kehrte nach einem Verwandtenbesuch in Westberlin nicht mehr zurück. Seine Lebensgefährtin stellte daraufhin einen Ausreiseantrag. Als die Aussicht auf Genehmigung bestand, verkaufte sie mir ihren Trabant und legte dieses Geld vornehmlich in teurer Kleidung an, soweit sie zu bekommen war. In einem gerade eröffneten Strickladen in Neuberesinchen ließ sie sich einige Pullover stricken. Viel durfte sie nicht mitnehmen. „Ich möchte schon gut gekleidet im Westen ankommen“, so ihr Anspruch. Im Aufnahmelager gab es Befragungen durch die Geheimdienste der Alliierten und den BND. Flüchtlinge und Aussiedler mussten zwölf Stempel von unterschiedlichen Behörden einholen. Durch die bröckelnde Stabilität der DDR war das Lager Marienfelde zu dieser Zeit, Ende der 80er, vollkommen überfüllt. Die Bedingungen für deutsche Übersiedler, nach der Grünenpolitikerin Göring-Eckardt: Ossis mit Migrationshintergrund, waren nicht rosig. Das wussten die meisten und nahmen es mit einem gewissen Unverständnis aber dennoch gerne in kauf.

Was geschah nach dem Aufenthalt im Lager? Der Berufsabschluss meines Arbeitskollegen als Meister der Fotografie wurde nicht anerkannt, ebenso wenig wie der seiner Lebensgefährtin. Sie war Chemielaborantin. Ich habe mich immer gefragt, welche Maßstäbe bei solchen Entscheidungen angelegt wurden. Wir konnten alle lesen, schreiben und rechnen. In der DDR herrschte ein Bildungskanon, was klassische Literatur betraf. Wir lernten Gedichte auswendig und ein Abwählen von Fächern, wie Geographie, Geschichte oder Biologie gab es nicht. Die Grundlagen des Fotografenhandwerks waren die gleichen.
Mein Arbeitskollege musste dennoch einen nunmehr kostenaufwendigen Meisterlehrgang wiederholen. Er arbeitete deshalb zunächst als angestellter Fotograf, bevor er sich selbstständig machen konnte.

Was haben DDR-Bürger nicht alles ertragen, wenn sie ins „gelobte Land“ wollten. Ein Land, das Karl Eduard von Schnitzler in seiner Montagssendung „Der schwarze Kanal“ in den schwärzesten Farben malte. Die BRD war der Klassenfeind mit menschenverachtender Politik, laut Schnitzler.
Dass er bei den meisten Ostdeutschen genau das Gegenteil von dem bewirkte, was er bezweckte, konnte „Sudel-Ede“, wie er auch genannt wurde, wohl nicht erkennen.

Die Menschen der DDR sehnten sich nach freier Meinungsäußerung und offenen Grenzen. Ich wollte aus vollem Herzen das Lied der Deutschen singen, konnte es auswendig – die Deutsche Nationalhymne von Heinrich Hoffmann von Fallersleben mit allen Strophen. Ich wollte ein wenig Nationalstolz zeigen, was ich in keiner Weise als anstößig empfand. Denn ich fühlte mich als Deutsche, als Mensch mit der gleichen Geschichte wie unsere Schwestern und Brüder im freien Teil unseres gemeinsamen Landes. Heimatverbundenheit, Vaterlandsliebe, das durfte ich nur in innerer Emigration empfinden. Heimatverbundenheit mit dem freien Land meiner Eltern und Großeltern, nicht aber mit der DDR.
Aus heutiger Sicht – bin ich deshalb rechts?
Nach dem Mauerfall und in den folgenden Jahren kamen wir „Ossis mit Migrationshintergrund“ dann ins Staunen… War das – ist das die Freiheit, für die wir 1989 auf die Straße gegangen sind?

Zurück zu meinem Vater. Wir hatten nie Sorge, dass er von einer Besuchsreise ins „kapitalistische Ausland“ nicht mehr zurückkommen würde. In Frankfurt (Oder) lebte seine Familie, hier war sein Kleingarten, den er Jahr für Jahr mit Herzblut bestellte und reichlichen Ertrag erntete. Für uns, für seine Frau und seine Kinder – das war Heimat!

Zur Teilung und Wiedervereinigung ein Auszug aus „Heimat und Sprache“ (1992) von Hans-Georg Gadamer:
Er beschreibt, „wie die Rückkehr aus dem Exil ein neuer Bruch sein kann oder den alten Bruch noch einmal wie einen Schmerz fühlbar macht.
Wir erleben es auch in Deutschland, was ein solcher Bruch ist, der das Gespräch schwer macht. Beide Partner eines Gesprächs stehen vor einer neuen Aufgabe, eine neue Identität zu finden. Wie groß die Kraft des Geistes und des Herzens sein mag, der Mensch kann Zeit nicht zurückholen. Wozu wir zurückkehren, ist anders geworden, und ebenso ist anders geworden, wer zurückkehrt. Zeit hat beide geprägt und verändert. Für jeden, der zurückkehrt, ist die Aufgabe, in eine neue Sprache einzukehren. Es ist ein Hauch von Fremdheit an allem, wohin man zurückkehrt.“

Der Osten, sein besonderer Blick auf Adenauer, Merkel und den Krieg

Ein Foto der Frankfurter Allgemeinen vom 18.4.23 zeigt die Übergabe des Großkreuzes “mit besonderer Ausfertigung” durch Theodor Heuss an den damaligen Bundeskanzler Adenauer im Januar 1954. Eine elegante Einwendung der Zeitung gegen die Verleihung des gleichen Ordens an die (Alt-) Bundeskanzlerin Angela Merkel am Vortag im Schloss Charlottenburg durch ihren ehemaligen Adlatus Steinmeier? Elegant oder doch nur in süffisanter Geschichtsvergessenheit vorgetragen? Mir fällt bei beiden Politikern einiges ein.

Zum Zeitpunkt seiner Ordensverleihung konnte Adenauer auf eine von ihm zu verantwortende, weit gediehene Westintegration der Bundesrepublik Deutschland zurückschauen. Deutschland hatte den Vertrag über die Montanunion (18.4.51) sowie den Deutschlandvertrag über die Beziehungen der Bundesrepublik zu den drei Westmächten (26./27.5.1952) unterzeichnet. Auf die Note Josef Stalins (10.3.52) über die Wiedervereinigung und Neutralisierung Deutschlands hatte er in keiner Weise reagiert (weil die Westmächte die deutsche Außenpolitik “noch” bestimmten, so Adenauer, der deshalb auch keinen Außenminister in sein erstes Kabinett berufen hatte). Für die damalige Bundesrepublik winkte schon am Tag der Übergabe des Großkreuzes an Adenauer eine weitgehende Souveränität, die mit den Pariser Verträgen am 5. Mai 1955 durch die drei Westmächte auch anerkannt wurde. Die Bundesrepublik bekam ihren ersten Außenminister von Brentano.

Mit der Eingliederung der Westdeutschen in eine Gemeinschaft mit den USA und den westeuropäischen Staaten wurden die ostdeutschen Befürworter einer Wiedervereinigung in den Augen ihrer DDR-Oberen zu einem “verlorenen Haufen” des Westens degradiert. Die Gefängnisse füllten sich weiterhin, zu viele flüchteten in den Westen, die Mehrheit der Bürger der DDR blieb aber im Osten. Um sich nach 1990 von einigen wenigen, besonders aufrechten opportunistischen Schlaumeiern dann als Mitläufer apostrophieren lassen zu müssen. Was in einem anderen Sinn stimmte, weil die Bürger mit “ihrem” Staat im Guten wie im Bösen bis zu seinem Ende am 3.10.1990 zu tun hatten.

Dabei haben Millionen Deutsche in der DDR am 17.6.1953 nicht nur für die Senkung der Arbeitsnormen, sondern auch mutig für die Einheit Deutschlands und freie Wahlen demonstriert.

Alles umsonst, peinlich, die offenbar nur geheuchelte, lautstarke moralische Empörung westlicher Politiker, die ansonsten Ruhe hielten? Der Mauerbau am 13.August 1961 das von Adenauer in Kauf genommene Schicksal der Deutschen im Osten? “Ich bin ein Berliner” eine bombastische Rede des amerikanischen Präsidenten Kennedy, bei der die dummen Deutschen in Ost und West erleichtert in einen großen Jubel ausbrechen? Der alljährliche Feiertag des 17.Juni das Rudiment eines einst mächtigen Landes?

Nicht nur die Besserwisserei eines Rückblicks verbietet mir, die Fragen mit einem verletzenden und gehässigen Ausrufezeichen zu versehen. Ich habe vielmehr die bohrende Vermutung, dass sich die drei Westmächte während des Kalten Krieges in der Ablehnung der Wiedervereinigung einig waren. Warum sonst hat die Premierministerin Frau Thatcher den französischen Präsident Mitterrand noch Anfang 1990 gebeten, “die Wiedervereinigung zu stoppen oder zu verlangsamen”. Es gibt eine ganze Latte von Geschichten.

Obwohl Adenauer mit der Westintegration den Osten Deutschlands scheinbar seinem Schicksal überlassen hatte, widersprach er in all seinen Neujahrsreden der Teilung Deutschlands, machte den Ostdeutschen Hoffnungen. Augenwischerei oder eine Vision mit dem Ziel der Verhinderung einer Spaltung der Gesellschaft, wie wir sie heute gerade erleben? Traf Adenauer damals nicht Entscheidungen, die wir heute fairerweise entgegen einem sich ausdehnenden und somit anbietenden Opferkultus, genannt Vergangenheitsbewältigung, akzeptieren sollten? Entscheidungen, die im Sinne des blöden Ausdrucks der Naturwissenschaftlerin Merkel „alternativlos“ waren?

Es gibt Argumente für meine mit den Fragen konstruierte Geschichte.

Adenauer und seine Nachfolger erkannten die Teilung Deutschlands nicht de jure an. So verdorrte die zarte Pflanze Wiedervereinigung nicht. Reden von der Wiedervereinigung gehörten im Westen zum Ritual politischer Veranstaltungen. Oder ganz kurz: mehr war nicht drin. Oder mit der friedvollen realistischen Pragmatik des Deutschen aus dem Westen gegenüber dem im Osten: weniger war mehr.

Ich möchte das nicht allein um des gesellschaftlichen Friedens willen glauben. Hilf dir selbst, dann wird dir geholfen, das soll die Botschaft der Geschichte der Ostdeutschen sein.

Hat Adenauer am 31.1.1954 das Verdienstkreuz mit den Worten von Heuss “in Anerkennung der um die Bundesrepublik Deutschland erworbenen außerordentlichen Verdienste“ ausgehändigt erhalten, weil er die innere Einheit der Deutschen bewahrte? Mit der Westintegration hat er ja nur bei seinen Besatzern offene Türen eingerannt. Ich kann das glauben, obwohl es sicherlich nicht nur mir angesichts der tragischen Folgen der Teilung schwerfällt.

Um die Frage der Legitimität der Politik Adenauers und seiner Nachfolger kommen wir aber mit diesen Überlegungen nicht herum. Die unterschiedliche Perspektive der Deutschen aus Ost und West, die die Experten heuchlerisch beklagen, darf nicht in der Urne einer treuherzigen Vergangenheitsbewältigung beerdigt werden. Sie muss respektiert und besprochen werden, sonst erleben wir eine Spaltung der Deutschen, die alle Bundeskanzler bisher verhindern konnten.

Die Westpolitik Adenauers mit all ihren Folgen ist aus heutiger Sicht legitim, wenn sie “noch gerade so” für den Ostdeutschen zumutbar war. Ich finde dafür nicht nur in der Realpolitik der Bundesregierungen, sondern auch im Wollen und Handeln der Deutschen aus dem Osten zahlreiche, wenn auch unterschiedliche Spuren.

Nur in aller Kürze, weil die Experten den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen:

Die seit jeher heiß umstrittene Ostpolitik der alten Bundesrepublik fand ihre Bestätigung im Ertrag des mühevollen Aufbaus von Vertrauen zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion. Politiker wie Egon Bahr, Willy Brandt und Helmut Kohl standen für die Ostpolitik während des Kalten Krieges ein. Alle waren “besessen” von der Vorstellung, die schwierigen Verhältnisse der Menschen in Ost und West, gekennzeichnet durch den Eisernen Vorhang, zu entkrampfen. Vertrauen bei dem Politbüro der KPdSU mit dem Generalsekretär Gorbatschow an der Spitze ermöglichten den deutschen Herbst 1989 und die Wiedervereinigung. Genau so möchte ich es sehen.

Die Bundeskanzlerin Angela Merkel hätte diese Russlandpolitik beenden sollen? Nicht nur die heutigen Engpässe im Bereich Energiewirtschaft sagen uns, warum die damalige Bundeskanzlerin das nicht getan hat. Sie war auch um einen Ausgleich zwischen der Ukraine und Russland bemüht. Minsk 1 und 2 bewahrten Westeuropa einige Jahre vor der Beteiligung an dem europäischen Krieg, verhinderten im Jahre 2014 die totale Niederlage der Ukraine. Aber in der Ukraine darf sich Frau Merkel nicht mehr sehen lassen.

Das Verdienstkreuz mit besonderer Ausfertigung steht Angela Merkel nicht nur zu, weil sie 2014/2015 einen Krieg in Osteuropa verhindert hat. Sie hat auch 2008 den Plan des amerikanischen Präsidenten Bush zum Beitritt der Ukraine in die NATO zusammen mit dem französischen Präsidenten Sarkozy durchkreuzt. Sie handelte dabei in Übereinstimmung mit dem Willen der Ukrainer, die mehrheitlich einen Beitritt ablehnten. Der Nordatlantikvertrag sieht überdies die Aufnahme von Staaten, die sich in einem Konflikt mit einem anderen Staat befinden, nicht vor. Für Frau Merkel dürfte die Überlegung entscheidend gewesen sein, dass friedliche Lösungen von Konflikten von Militärs regelmäßig nicht zu erwarten sind. Durch die Ablehnung der Aufnahme der Ukraine schloss sie nach ihrem Verständnis von vornherein die Beteiligung Deutschlands an einem Krieg zwischen der Ukraine und Russland aus.

Um die Vergabe an die Ostdeutsche zu rechtfertigen, muss jedenfalls nicht so weit ausgeholt werden wie bei dem Rheinländer Konrad Adenauer mit seiner besonderen Vita.

Quelle: IMAGO/Political-Moments

Wie könnte es weitergehen?

Die Mehrheit der Ostdeutschen will keinen Krieg der NATO, ganz bestimmt aber keinen Krieg Deutschlands gegen Russland. Er stünde im Widerspruch zum Geist des am 12.4.1990 in Moskau abgeschlossenen 2 plus 4 Vertrags. Durch ihn hat Deutschland de jure die volle Souveränität erhalten. Das muss in Washington ankommen, nur darauf gründet eine dauerhafte Freundschaft .

Beginnen wir mit der Sprache. Wer Menschen, seien es auch “nur” Russen, als aus der Ukraine zu kehrenden Unrat bezeichnet, hätte keinen Friedenspreis des deutschen Buchhandels in der Paulskirche unter Standing Ovations der sogenannten deutschen Elite erhalten dürfen. Wer in einem Tweet als Stellvertretender Außenminister der Ukraine eine deutsche Bundestagsabgeordnete und ihren Ehemann als verbrecherische Komplizen Putins (ich sage schnell noch ”angeblich”, weil so unglaublich ) bezeichnet und ihnen eine baldige Bestrafung androht, degradiert Deutschland zu einer Bananenrepublik.

Wenn der ukrainische Präsident Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten sogar mit einer Selbstverpflichtung per Dekret weiterhin ablehnt, muss die Beendigung der Beteiligung der Deutschen am Krieg in der Ukraine eine Option deutscher Politik werden. Der Umstand, dass Russland völkerrechtswidrig die Ukraine überfallen hat, darf Deutschland nicht zu einer Geisel unter Verzicht auf eigene souveräne Entscheidungen werden lassen. Deutschland muss das baldige Ende seiner Beteiligung am Krieg in der Ukraine zwar nicht vorlaut, gegebenenfalls aber auf offener Bühne dem amerikanischen Präsidenten Biden souverän erläutern. So wie der deutsche Bundeskanzler Scholz von einer Strategie zum Ende von Nord Stream 1 und 2 auf einer Pressekonferenz in Washington erfuhr.

Reinhart Zarneckow