Gott schütze Israel vor der Staatsraison Deutschlands

Der Terrorangriff der Hamas vom 7.10.23 auf Israel und die von Hamas begangenen Massaker und Geiselnahmen führten am 1.11.23 zu einer großen Ansprache des Wirtschaftsministers Robert Habeck an die Deutschen. Die Sicherheit Israels und seiner Bürger ist Staatsraison Deutschlands, „ sie ist ein historisches Fundament dieser Republik“. Der Gewalt kann nicht mit Friedfertigkeit begegnet werden. Das Recht Israels, sich zu verteidigen, darf nicht bestritten werden.

Vergleichbare Erklärungen zur deutsch-israelischen Staatsraison erfolgten später vom Bundeskanzler, dem Verteidigungsminister und dem Bundesjustizminister. Sie sind im Koalitionsvertrag der Ampel und einer Rede von Angela Merkel im Jahr 2008 vor der Knesset zu finden.

Den Vollzug der großmündigen Erklärungen erleben wir derzeit im Wochenrhytmus.

„Israel wird von Bundeskanzler Scholz gewarnt, die internationalen Friedensbemühungen im Gazakonflikt durch eine Offensive in Rafah zunichtezumachen“ (FAZ vom 18.3.24).
Vergleichbare Äußerungen einschließlich der öffentlichen Aufforderung an den Ministerpräsidenten Netanjahu zur sogenannten Zweistaatenlösung liegen auch von Außenministerin Baerbock und anderen vor. Der gemeinsame Nenner besteht, unter Hinweis auf die Zerstörungen, tausenden Verletzten und Toten im Gazastreifen, in der Forderung an Israel, das Völkerrecht einzuhalten.
Wie auch immer angesichts von todesmutigen Terroristen, die nicht aufgeben wollen?

An dieser Stelle schiebe ich ein, dass in Israel eine strikte Trennung zwischen der Regierung und der Armeeführung besteht. Das militärische Vorgehen, und somit die Einhaltung des Völkerrechts, bestimmt die Armee vor Ort, nicht die Regierung.

Handeln nach der Staatsraison bedeutet „im Konfliktfall“, wenn es um die Existenz eines Staates geht, „notfalls die Rechtsordnung und die allgemeinen Moralitätsregeln zu durchbrechen“ (bei Georg Fichtner, “Machiavelli und der Gedanke der Staatsraison“).
Staatsraison ist offenbar eine Lehre, so “mächtig gewaltig, Egon“, dass sie einem Verfassungsstaat wie Deutschland in keiner Weise entspricht, anders dagegen Israel, einem seit seiner Gründung um seine Existenz ringenden Staat.

Ich sehe zudem Probleme. Ein Randstaat wie Deutschland dehnt seine illegitime Staatsraison einseitig und unaufgefordert auf Israel aus? Und er darf nunmehr, ungeachtet einer den Terror der Hamas weit in den Schatten stellenden deutschen Geschichte, Israel zur Einhaltung des Völkerrechts ermahnen?
Selbst wenn es um Israels Existenz geht? Gibt es irgend jemand mit Verstand, der den strategischen Sinn des Terrorangriffs der Hamas anders als auf die Vernichtung Israels ausgerichtet sieht?

Kulturforum Görlitzer Synagoge

Ich breche ab, mein Misstrauen gegenüber den Treueschwüren von Scholz, Habeck und Co ist hinlänglich beschrieben.

Dabei gab es eine Zeit, in der die Bundesrepublik (alt) kein Randstaat mit flotten Sprüchen, sondern der erste Helfer des um seine Existenz ringenden, im Jahr 1948 gegründeten Staates Israel war.
Dahinter verbarg sich eine „knallharte“ bundesdeutsche Interessenpolitik, die Ben Gurion und Konrad Adenauer mit dem Existenzrecht Israels auf einen Nenner brachten.
1952 verpflichtete sich die Bundesrepublik, 3,45 Milliarden DM an Israel zu zahlen, von den Deutschen als „Wiedergutmachungsabkommen“, von Ben Gurion mit “Schilumim“ (hebräisch, etwa Strafzahlung) unter heftigem Protest der israelischen Öffentlichkeit durchgedrückt. In Deutschland wurde dem Abkommen im Bundestag mit knapper Mehrheit und vielen Gegenstimmen der Union zugestimmt.

Der Bundesrepublik, mit Adenauer an der Spitze, ging es nach der Kapitulation von 1945 um die Wiederufnahme in den Kreis der „zivilisierten Nationen“, sie wollte Souveränität und Handlungsfreiheit erlangen, siehe “Von wegen Wunder der Versöhnung“, FAZ, 12.3.24.

Die Zahlung der Milliarden erfolgte in Form von Sachleistungen wie Maschinen und erwies sich deshalb als Konjunkturprogramm für die deutsche Wirtschaft. Der junge Staat Israel konnte wiederum seine eigene Industrie aufbauen.
Deutschland entwickelte sich zum wichtigsten Unterstützer Israels. Es ist die Rede davon, dass Israel auch militärisch von Deutschland unterstützt wurde, deshalb vielleicht sogar den Sechstagekrieg im Jahr 1967 gewann. Selbst das angebliche Atomprogramm der Israeliten soll im wesentlichen durch die Deutschen finanziert worden sein – dies alles unter größter Geheimhaltung.

Dabei standen für Deutschland die eigenen Interessen im Vordergrund.
Die diplomatische Anerkennung Israels erfolgte erst 1965, nicht weil Israel zögerlich war, sondern weil die Deutschen Nachteile bei den arabischen Staaten befürchteten. Eine lange und dumme Geschichte mit der Überschrift Hallstein-Doktrin, die ich mal eben weglasse.
Die Betonung liegt auf Interessen, deren nüchterne Behandlung beiden Staaten geholfen hat.
In der Folge, als belastete und sich dennoch keinesfalls schuldig fühlende Politiker wie Adenauer nicht mehr das Sagen hatten, wurden die Deutschen mit dem Anspruch der 68er auf ein Bekenntnis der Schuld ihrer Eltern, „nach Auschwitz“, und einem unsäglichen Selbstverständnis eigener Unschuld konfrontiert.

Das Bewusstsein, dies durchgestanden zu haben, veranlasste vielleicht die Bundeskanzlerin Angela Merkel, vor der Knesset im Jahre 2008 die Mär von der auf Israel erweiterten deutschen Staatsraison zu erzählen. Der derzeitige Bundeskanzler verband zuletzt ganz unbefangen seine Botschaft von der Solidarität mit Israel mit einem Hinweis auf das unbedingt einzuhaltende Völkerrecht. Zu wessen Nutzen erfolgen solche Sprüche?

Und wie ist das deutsche Befinden heute?

In einem Bericht von Oliver Jungen (FAZ 16.3.24) über das Lesefestival “lit.Cologne“ wird Deborah Feldmann mit dem Spruch über die „perfide Verdrehung des Antirassismusvorwurfs“ im Sinne einer „Massenhysterie“, angeheizt durch die Medien, zitiert.
Im gleichen Bericht ist von den “mitunter neurotischen Philosemitismus“ die Rede, den die Autorin Dana von Suffrin mit „Stil, Witz und historischem Feingefühl“ in ihrem deutsch-israelischen Familienroman “Nochmal von vorne“ aufgreifen würde.

Wir haben in Deutschland offensichtlich einige Probleme.
Ich werfe einen ersten Stein ins Wasser. Sollten wir mit unserer Mission, wenn es denn sein muss, nicht ganz bescheiden an die Adenauerzeit anknüpfen? Mit der Analyse der Interessen der vielen Menschen aus fremden Ländern in unserem Land beginnen, einen Ausgleich oder auch Auswege suchen? Nein, das wäre nicht die Lösung – dafür aber ein Anfang.
Und dabei haben Menschen wie Deborah Feldmann mit einem Punkt, den ich ihr in den Mund lege, weil er auch meinem Denken entspricht, vielleicht recht: Wir sollten gegenwärtig nicht so sehr dem Staat Israel (oder auch anderen Staaten) vorgeblich uneigennützig helfen wollen. Israel verteidigt sich auf der Grundlage seiner Staatsraison besser alleine und ohne deutsche Ansprache von der Seitenlinie.
Wir haben aber das Interesse an der Verhinderung von neuen Flüchtlingskrisen aus dem Nahen Osten. Das muss unsere Politik gegenüber allen Staaten bestimmen.

Wir sollten im eigenen Interesse den Menschen in Gaza und im Westjordanland ohne viel Geschrei helfen. Vielleicht gelingt den Deutschen dann einiges Gute, nicht nur bei den Geiseln. Einige Deutsche sollten ja noch Erfahrung damit haben, mit der anderen Seite (aha, natürlich sind wir bei Israel) ohne moralischen Aufschlag zu reden, weil alles andere so eine Sache ist, von wegen unserer Geschichte und so weiter.

Und vielleicht hilft das Israel mehr als das Wedeln mit der Staatsraison, ein Instrument nach dem Motto “hilf dir selbst“, in deutschen Händen für Israel eher gefährlich.

Reinhart Zarneckow

Kulturforum Görlitzer Synagoge

Deutschland ist noch lange nicht am Ar***

Ein Beitrag zum Tag der deutschen Einheit

Am 26.9.22 wurden von den Dänen und Schweden drei und am 29.9. dann noch ein weiteres Leck an den Pipelines NordStream 1 und 2 aufgrund planmäßiger Zerstörung festgestellt.

Was geschah noch? Am 21.9. hatte der russische Präsident die Teilmobilmachung für 300.000 Reservisten angeordnet. Am 22./23.9. begannen in Teilen der von Russland besetzten Ostukraine Abstimmungen, die am 30.9. zu ihrer Inbesitznahme durch Russland führten.

Aus der Reihenfolge der Ereignisse (21.9.,22.9.,26.9.,29.9.,30.9.) werden Experten aus Ost und West Geschichten spinnen. Und wenn in 500 Jahren Archäologen nur diese Zahlen zur Verfügung haben, werden sie einen Zusammenhang konstruieren.

Wobei der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes Dr. August Hanning schon jetzt der Überzeugung ist, dass die Hintermänner des Angriffes auf die Pipelines herauskommen werden.

Deshalb begnüge ich mich mit der Wiedergabe der Äußerung eines Experten und überlasse es meinem Leser, selbst seine Schlüsse zu ziehen.

Russland wisse, dass es keine Energie mehr über die Pipelines liefern wird, weil sie von Westeuropa nicht abgenommen wird. Deshalb sei ihre Zerstörung als eine Drohung der Russen zu betrachten. Die in der Ostsee und anderswo ruhenden Pipelines wie Baltic Pipe und Kabel könnten jederzeit zerstört werden, so der Russlandexperte Nico Lange, ehemals CDU-Mitarbeiter. Ich verzichte auf die Zitierung weiterer Erklärungen, auch solche mit einem Hin und Her des angeblichen Abwägens der Argumente. Immer und ohne jede Ausnahme aber wird durch unsere Experten in den öffentlichen Medien Russland im Ausschlussverfahren als ein anzunehmender Saboteur dargestellt.

Die immer unruhiger werdenden Massen mit ihren Demonstrationen in Deutschland und Tschechien kommen in den Argumentationsketten nicht vor. Ich übernehme die Rolle des advokatus diaboli.

Mich interessiert, wie Deutschland reagieren wird.

Nicht nur Russland als Exporteur, sondern auch Deutschlands Energieversorgung wurde angegriffen. Deutschland wird als Industriestandort zugrunde gehen, wenn Gas und Strom nicht mehr bezahlbar sind.

Andere Staaten mit billigerer Energie werden aufblühen. Warum eigentlich nicht? Gibt es jemanden, der in Deutschland mit seiner irrenden und wirrenden Außenministerin so denkt?

Denken Teile der Bundesregierung so?

Ich wage mutig ein dickes Nein.

Der Niedergang Deutschlands und damit dann wohl auch von Westeuropa, wie wir es kennen und lieben, muss nicht sein.

Die erste Reaktion der Bundesregierung, ungerührt von dem Angriff auf die Pipelines, die Verteidigungsministerin Lamprecht nach Odessa zu schicken, durch Schützengräben kriechen zu lassen und als Mitbringsel dem ukrainischen Verteidigungsminister das Luftabwehrsystem Iris-TSLM zu versprechen, widerspricht nicht nur dem Recht der Deutschen auf Verteidigung durch die Bundeswehr.

Es geht nicht nur darum, dass die Bundeswehr dann das Luftabwehrsystem im Gegensatz zur Ukraine nicht besitzt. Ein Abwehrsystem, das in der Lage ist, eine Großstadt über eine Weite von 40 km komplett gegen Raketenangriffe der angeblich immer aggressiver werdenden Russen zu verteidigen. Vielmehr muss die Botschaft an den (noch) unbekannten Saboteur, der wem auch immer helfen will, eindeutig sein. Absage des Besuches der Verteidigungsministerin und das Verbleiben des Luftabwehrsystems in Deutschland wäre ein erster Schritt gewesen.

Die Botschaft an alle Staaten, die als Saboteure in Frage kommen, darf darüber hinaus nur sein:

Wer Deutschlands sensible Infrastruktur, die Option der Lieferung von Energie aus Russland, gefährdet, muss mit Reaktionen der Deutschen rechnen. Die Deutschen werden erstmal alles herunterfahren oder gar stoppen, um Zeit zur Prüfung und Besinnung zu gewinnen. Und sie werden es in Kauf nehmen, dass sich daraus für Russland ein Vorteil ergeben könnte. Übrigens hätte Präsident Selenskij dann einen wahren Grund zur Klage.

Und damit würde Deutschland etwas beginnen, was schon längst hätte geschehen müssen.

In dem von Boykotts und Sanktionen der EU-Staaten begleiteten Waffenkrieg kann es nicht richtig sein, dass Einige mit ihrer Wirtschaft Riesengewinne (Habeck) erzielen und ihre Verbündeten am langen Arm verhungern lassen. Voller Heuchelei – und „das Verhungern“ so verteidigend – klagen zudem einige EU-Staaten und die Ukraine die Ostpolitik der Deutschen an. Sie habe wesentlich zum Ausbruch des Krieges beigetragen.

Eine Politik also, die nicht nur das deutsche Wirtschaftswunder durch den Handel mit der Sowjetunion/Russland, sondern auch die Wiedervereinigung ermöglichte, wird beklagt.

Überforderte und angeschlagene deutsche Spitzenpolitiker beantworten die vielfältigen Angriffe, nicht zuletzt die Ausladung ihres Präsidenten, mit Entschuldigungen – deutsche Appeasementpolitik. Meine Tochter empfahl die Verwendung der Formulierung „sich in den Arsch treten zu lassen“.

Hat Deutschland aus seiner Geschichte nichts gelernt, Herr Präsident? Und ist vielleicht die Sabotage der Pipelines eine Folge davon?

Die weitere Reaktion auf den Angriff auf die Pipelines kann nur sein, dass Deutschland fordert, was Deutschland sowieso zusteht: Zwischen den verbündeten Teilnehmern eines Wirtschaftskrieges ist ein Ausgleich des Schadens vorzunehmen. Bei Sanktionen entsteht regelmäßig für beide Seiten und nicht nur für den Gegner ein Schaden. So auch Daniela Sarau in „Die aktuellen Wirtschaftskriege der EU“, Januar 2015.

Deutschland zahlt gegenwärtig für seine Energie 40,8 %, für Lebensmittel 11,8 % mehr als 2021. Problem: die USA zahlen bei der Energie wesentlich weniger. Bei einer derzeitigen Inflationsrate von 10,9 % bedeutet dies alles nicht nur die Verlagerung von Betrieben nach Übersee (zur billigen Energie) oder ihre keinesfalls vorübergehende Schließung (Habeck) in Deutschland, sondern auch die von Frau Baerbock visionär schon vor einigen Monaten angekündigten Unruhen.

Wenn es nicht gelingt, die Gewinner unter den Verbündeten wie den USA zu einem Ausgleich zu veranlassen – z.B. zu akzeptablen Energiepreisen – sollte Deutschland seine Beteiligung am Wirtschaftskrieg massiv reduzieren und dann beenden.

Quelle: zdf.de

Ein stellvertretender Ministerpräsident namens Alexander Nowak von Russland hat schon erklärt, dass die Pipelines wieder funktionsfähig gemacht werden könnten. NordStream 1 und 2 sind zu reparieren, selbst wenn die USA die Reparaturschiffe dann sanktionieren werden – eine schöne Nagelprobe. Die USA können es sich nicht leisten, dass Deutschland und damit die EU schlapp machen. Nach der Annexion von 15% der Ukraine durch Russland – „keine Verhandlungen“ hieß es immer wieder in den letzten Monaten nicht nur durch die Ukraine – ist eine baldige Beendigung des Krieges oder wenigstens sein Einfrieren nicht abzusehen.

Und Deutschland kann und darf sich nicht zum verlorenen Haufen (enfants perdus) durch Mächte verändern lassen, die Deutschland nach dem von unseren Experten so gerne zitierten Völkerrecht nichts zu sagen haben.

Reinhart Zarneckow unter Mitwirkung von A. Zarneckow